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In einer Umfrage des Organs der englischen physikalischen Gesellschaft "Physics World" nach dem schönsten Experiment aller Zeiten, kam der Versuch des Tübinger Physikers und pensionierten Professors Claus Jönsson zur Interferenz von Elektronen am Doppelspalt von 1961 auf den ersten Platz.
Versuch zur Interferenz von Elektronen am Doppelspalt auf Platz eins einer englischen Hitliste
In einer Umfrage des Organs der englischen physikalischen Gesellschaft "Physics World" nach dem schönsten Experiment aller Zeiten, kam der Versuch des Tübinger Physikers und pensionierten Professors Claus Jönsson zur Interferenz von Elektronen am Doppelspalt von 1961 auf den ersten Platz. Damit wurde Jönssons Experiment von den mehr als 200 Physi-kern, die sich an der von Robert P. Crease initiierten Umfrage beteiligten, häufiger als schön-stes Experiment genannt als das von Galilei über den freien Fall (um 1620). Es rangiert auch vor dem Experiment von Newton über die Spektralzerlegung des Sonnenlichtes (etwa 1665) und selbst vor der Bestimmung des Erdumfangs durch Eratosthenes 300 v. Chr. in Alexan-dria.
Bei dem Experiment zur Interferenz von Elektronen am Doppelspalt, das Jönsson am Institut für Angewandte Physik der Universität Tübingen bei Prof. Gottfried Möllenstedt als Doktor-arbeit durchführte, geht es um ein Schlüsselexperiment der Quantenmechanik. Nach den theo-retischen Vorstellungen der Quantenmechanik muss ein mit Masse behaftetes Teilchen wie das Elektron genau wie das Licht nicht nur Teilchen, sondern auch Welleneigenschaften ha-ben. Diese Welleneigenschaften regeln die "Aufenthaltswahrscheinlichkeit" des Teilchens, u.a. wo es in einer Nachweiseinrichtung, z.B. einer Fotoplatte landen wird. Sie unterliegen denselben Interferenzgesetzen, wie sie bei der Interferenz von Lichtwellen am Doppelspalt bestehen. Insofern ist das Doppelspalt-Interferenz-Experiment mit Elektronenstrahlen ein di-rekter Nachweis für die "Richtigkeit" der Quantenmechanik und die Folgerungen, die man daraus zu ziehen hat, nachdem es schon lange vorher indirekte Nachweise dafür gegeben hat. Das Experiment hat deshalb keine neuen quantenmechanischen Erkenntnisse gebracht, son-dern musste wegen seiner philosophischen und pädagogischen Bedeutung, d. h. letzten Endes wegen seiner "Schönheit" gemacht werden. Vor seiner Realisierung behalfen sich die Physi-ker mit einem "Gedankenexperiment" dieser Art zur Demonstration der Grundlagen der Quantenmechanik und des in der klassischen Physik nicht zu verstehenden und anschaulich nur schwer vorstellbaren Welle-Teilchendualismus nicht nur von Licht, sondern auch von Teilchenstrahlen.
Namhafte Physiker waren der Ansicht, dass sich dieses Experiment wegen der extrem kurzen Wellenlänge von Elektronenstrahlen grundsätzlich nicht realisieren lasse. Sie waren bei die-sem Urteil der irrigen Meinung, dass die Spaltdimensionen in der Größenordnung der beim Experiment verwendeten Wellenlänge liegen müssten, wie es bei lichtoptischen Versuchen normalerweise der Fall ist. Es kommt aber nicht auf deren Größe an, sondern darauf,
sie "kohärent" auszuleuchten und die dann unter Umständen sehr feine Interferenzerscheinung so stark nachzuvergrößern, dass sie z.B. auf einer Fotoplatte registriert werden kann. Letzteres war Jönsson bekannt, als er 1957 dieses Experiment begann, denn kurz vorher wurde am In-stitut ein anderes wichtiges Elektroneninterferenz-Experiment mit derselben Problematik, die Erzeugung elektronenoptischer Biprisma-Interferenzen, von Möllenstedt und Düker realisiert. Sie konnten dabei zeigen, dass man mit den damaligen elektronenoptischen Mitteln am Ort des Biprismas ein Gebiet von etwa 1/100 mm Breite kohärent ausleuchten konnte. Jönsson stand damit vor der Aufgabe, so feine Spalten in einer freitragenden Metallfolie herzustellen, dass sie auf diesem Gebiet untergebracht werden konnten. Dies gelang ihm mit Hilfe galvani-scher Methoden. Er erreichte Spaltbreiten und Spaltabstände von unter 1/1000 mm und drang damit in ein Gebiet vor, das man heute mit "Nano-Technologie" bezeichnet. Solche Spalten, an Stelle eines Biprismas in ein elektronenoptisches Interferenzgerät gebracht, führten dann zur Beobachtung von elektronenoptischen Zwei- und Mehrspaltinterferenzen. Jönsson veröf-fentlichte seine Ergebnisse 1961 in der deutschsprachigen "Zeitschrift für Physik". Die Arbeit wurde 13 Jahre später auf englisch im "American Journal of Physics" nachgedruckt und wird seitdem weltweit in allen Lehrbüchern über Physik oder Quantenmechanik erwähnt.
Dennoch war bei der Abstimmung in England über das schönste Experiment keinem der Be-teiligten bekannt, wer mit diesem Experiment in Verbindung zu bringen ist. Erst als das Er-gebnis der Abstimmung vorlag, setzte eine entsprechende Suche ein, die dann nach Tübingen führte. Auf ihre Leserumfrage im Mai 2002, die jetzt im Septemberheft veröffentlicht wurde, erhielt die Zeitschrift Physics World mehr als 200 Vorschläge zur Wahl des schönsten Expe-riments. Dabei wurde das Experiment zur Elektroneninterferenz häufiger genannt als jedes andere, es erhielt 20 Stimmen. Als Begründung, warum ein Experiment als schön empfunden wird, wurden verschiedene Punkte angeführt: Das Experiment sollte Denken und Verhalten ändern, die Physik anschaulich und nachvollziehbar machen, oder der Versuchsaufbau sollte das Ergebnis möglichst effizient erreichbar machen. Das Doppelspaltexperiment mit Elektro-nen vereint die meisten Aspekte von Schönheit, die von den Lesern erwähnt wurden, in sich: Es trägt dazu bei, die Sicht der Welt grundlegend zu verändern indem es auch den hartgesot-tensten Skeptiker von der Richtigkeit der Quantenmechanik überzeugen kann. Außerdem war die Ausstattung für das Experiment relativ einfach und billig und das Versuchskonzept ver-ständlich.
Nähere Informationen:
Prof. Amand Fässler
Institut für Theoretische Physik, Auf der Morgenstelle 14, 72076 Tübingen
Tel. 0 70 71/2 97 63 70, Sekretariat 2 97 63 75
Fax 0 70 71/ 29 53 88
e-mail: amand.faessler@uni-tuebingen.de
Prof. Claus Jönsson, Tel. 0 70 71/73135
Original-Artikel aus ?Physics World? im Internet: http://physicsweb.org/article/world/15/9/1
Bildmaterial: Auf Anforderung senden wir Ihnen per E-Mail gerne ein Porträtfoto von Prof. Jönsson und eine Abbildung des Interferenzeffektes mittels Doppelspalt zu.
http://physicsweb.org/article/world/15/9/1
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Mathematik, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Personalia
Deutsch
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