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Prof. Dr. Paul B. Baltes vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin plädiert für einen Umbau der gesellschaftlichen Institutionen, um das Potential der älteren Generation, vor allem das der "jungen Alten" im dritten Lebensabschnitt, besser zu nutzen. Gleichzeitig warnt er vor übertriebenen Hoffnungen auf hohe Lebensqualität im Vierten Lebensalter. Die Gestaltung des hohen Alters bleibt schwierig.
Auf dem 43. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin hielt Prof. Dr. Paul B. Baltes einen vielbeachteten Vortrag über die Herausforderungen, denen sich eine alternde Gesellschaft stellen muss. Der Psychologe ist Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Seine und andere Forschungsergebnisse zeigen, dass heutige 60- und 70-Jährige mental und physisch leistungsfähiger sind als Gleichaltrige früherer Generationen. Viele ältere Menschen leben bis ins hohe Alter selbständig und haben Strategien entwickelt, um mit Einschränkungen positiv umzugehen. Die guten Nachrichten gelten allerdings nur für das Dritte Lebensalter, betont Baltes. Das Vierte Lebensalter jenseits der 80-85 Jahre ist durch ein viel größeres Ausmaß an Gebrechlichkeit und Verlusten an Autonomie gekennzeichnet. Beispielsweise leidet unter den über 90jährigen bereits fast jeder zweite an einer Form der Demenz und hier scheinen auch medizinische Fortschritte nur begrenzt zu greifen.
Für das Vierte Lebensalter gilt es, den gesamten Dienstleistungssektor des Alters einschließlich des Gesundheits- und Pflegesystems zu verbessern. Das Alter darf nicht primär als Belastungsfaktor definiert werden. Im Gegenteil, genau wie das Bildungswesen sollte dieser Dienstleistungssektor als produktiver Wirtschaftsfaktor zu den Entwicklungsmotoren einer modernen Gesellschaft gehören. Dies wird wahrscheinlich nur dann gelingen, wenn es sowohl individuelle wie staatliche Verantwortung für die ökonomische Gestaltung des Lebens im hohen Alter gibt.
Das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert des Alters. Doch unsere gegenwärtige Gesellschaft ist keine Freundin des Alters, ihre Strukturen stammen aus einer Zeit, in der nur wenige Menschen ein hohes Alter erreichten. Es steht an, gesellschaftliche Strukturen zu schaffen, die von einem langen Leben und dem Älterwerden der Bevölkerung als Normalfall ausgehen. Bildungs-, Arbeits- und Ruhephasen sollten in jedem Lebensabschnitt nebeneinander stehen, anstatt wie zur Zeit hintereinander durchlaufen zu werden. Dies ist auch eine Chance für die Hochschulen, die zur Zeit noch fast ausschließlich Menschen zwischen 20 und 30 Jahren ausbilden, und zwar mit einem Wissen, welches bekanntlich immer schneller veraltet.
Mehr gute Alternsforschung ist einer der wichtigsten Eckpfeiler für die Gestaltung einer altersfreundlicheren Gesellschaft, die das große Potential der älteren Generation zu nutzen versteht. Die Umsetzung solcher Reformen erfordert die Einsicht und das Wissen aller Generationen. Doch die ältere Generation ist im Deutschen Parlament stark unterrepräsentiert, die Eliten der Alten sind im Bundestag nicht vertreten. Anders als in den USA finden sich unter unseren Politkern auch kaum Quereinsteiger, die Erfahrungen aus anderen Berufsbereichen mitbringen. Politik ist hierzulande ein Beruf geworden, aus dem Menschen mit 60 oder 65 Jahren aussteigen. Dies könne versteckte Kosten für eine vernunftgeleitete Zukunftspolitik des Alters mit sich bringen, warnt Baltes.
Hinweis an die Redaktionen:
Sie können Essays von Prof. Paul Baltes zu diesem Thema im Internet herunterladen unter:
http://www.zeit.de/2002/14/Politik/200214_altern_hat_zukun.html (mit konkreten Zahlenangaben zur Altersstruktur im deutschen Bundestag und im US-amerikanischen Repräsentantenhaus)
http://www.mpib-berlin.mpg.de/en/forschung/lip/valencia.htm (über den letzen Lebensabschnitt und die Frage nach der gerechten Verteilung der Ressourcen auf die Generationen)
Sie können eventuell auch mit Prof. Paul Baltes einen Gesprächstermin vereinbaren. Tel.: 030-82406-256 oder E-Mail: sekbaltes@mpib-berlin.mpg.de
http://www.zeit.de/2002/14/Politik/200214_altern_hat_zukun.html
http://www.mpib-berlin.mpg.de/en/forschung/lip/valencia.htm
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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