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17.06.2013 11:08

Hexensalben und Liebestränke in Literatur und Oper - von Homer bis Wagner

Friederike Meyer zu Tittingdorf Pressestelle der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes

    Pflanzen wie die Tollkirsche oder Engelstrompete enthalten Substanzen, die je nach Dosis heilen, berauschen oder auch töten können. Diese unterschiedliche Wirkung ist schon seit Menschengedenken bekannt und wurde häufig in Theaterstücken und Opern verwendet, um diesen eine überraschende Wendung zu geben. Hans H. Maurer, Professor für Experimentelle und Klinische Toxikologie der Universität des Saarlandes, hat viele Beispiele von Halluzinationen und Giftmorden in Opern und literarischen Werken zusammengetragen. Den Medien gibt er zu diesem Thema gerne Interviews.

    „Scopolamin und Hyoscyamin, auch als Atropin bekannt, sind die Hauptwirkstoffe vieler Nachtschattengewächse wie Tollkirsche, Engelstrompete, Stechapfel, Bilsenkraut oder Alraune. Sie können Halluzinationen auslösen oder auch erotisierend wirken“, erklärt Hans Maurer, Toxikologie-Professor der Saar-Uni. Von solchen Erfahrungen haben die Menschen über die Jahrhunderte immer wieder berichtet. Schon bei Homer fühlten sich die Gefährten von Odysseus in Schweine verwandelt und „bezirzt“. Auch in Goethes „Faust“ geht dem Flug von Faust und Mephisto zum Blocksberg ein Trunk voraus. Dieser erzeugte Halluzinationen, bei denen die Menschen dachten, sie würden fliegen. Schon im Mittelalter wurden dafür sogenannte Hexensalben oder Flugsalben verabreicht, die bei hoher Dosierung solche Wahnvorstellungen auslösen konnten. Mephistos preist außerdem Faust ein besonderes Getränk mit den Worten an: „Du siehst, mit diesem Trank im Leibe, bald Helenen in jedem Weibe“. Damit spielt er direkt auf die erotisierende Wirkung der darin enthaltenen Substanzen an.

    In Richard Wagners Opern hat Hans Maurer viele Beispiele aufgespürt, die auf die Gabe von Scopolamin zurückzuführen sind. So wird in „Tristan und Isolde“ die vielfältige Wirkung deutlich. Isoldes Mutter gibt ihr eine „Reise-Apotheke“ mit auf den Weg zu ihrem Bräutigam nach Cornwall: für „Weh und Wunden“, für „böse Gifte Gegengift“, den „hehrsten Trank“ und den „Todestrank“. Da sie auf der Überfahrt statt des Letzteren von Brangäne den Liebestrank bekommen, verschmelzen Tristan und Isolde nach der Landung „in brünstiger Umarmung“ in der „herabsinkenden Nacht der Liebe“. In Wagners „Götterdämmerung“ schließlich wird das Prinzip von Gift und Gegengift motivisch verarbeitet. Durch Gutrunes Begrüßungstrunk vergisst Siegfried seine angebetete Brünnhilde und verliebt sich in Gutrune. Durch ein Gegengift Hagens („den Saft eines Krautes“) erinnert er sich wieder „wie mich brünstig da umschlang der schönen Brünnhilde Arm!“.

    Beliebt war es auch, Atropin in die Augen zu tropfen. Noch heute verwenden Augenärzte eine damit verwandte Substanz, um für Untersuchungen die Pupillen zu weiten. Die Damen in der höfischen Welt setzten es gerne ein, um Männern als „Bella Donna“ schöne Augen zu machen. „Besonders scharf konnten sie dann nicht mehr sehen“, sagt Maurer, der die Substanz auch in aktuellen Theaterstücken wiederfand, dort allerdings mit tödlicher Wirkung. In Stefan Vögels Kriminalkomödie „Bella Donna“ zum Beispiel bringt die weibliche Hauptperson damit alle zwei Jahren einen Liebhaber um die Ecke.

    Der amüsante Blick auf den Einsatz solcher Substanzen in Literatur und Opernwelt hat für Maurer aber auch einen ernsthaften Hintergrund. Seine Mitarbeiter recherchieren laufend im Internet, welche Substanzen vor allem bei Jugendlichen gerade „en vogue“ sind. Wenn dann Patienten mit starken Vergiftungserscheinungen in die Universitätsklinik in Homburg eingeliefert werden, können sie schneller einkreisen, welche Substanzen die mögliche Ursache dafür waren. „Leider probieren viele Leute immer wieder neue Kräutermischungen aus und verschließen die Augen davor, dass diese sehr gefährlich sind und auch schon beim Inhalieren dauerhafte Schäden auslösen können. Der Grat zwischen leichtem Rausch und tödlicher Wirkung ist auch bei Naturstoffen, wie sie etwa in der Engelstrompete vorkommen, ein sehr schmaler“, sagt Toxikologie-Experte Hans Maurer.

    Aus Anlass des Richard-Wagner-Jahres wird Professor Hans H. Maurer dazu am 19. Juni einen Vortrag mit Bildern und Musikbeispielen halten. Dieser findet an der Universität des Saarlandes um 18 Uhr c.t. im Institut für Musikwissenschaft (Gebäude C5 2, EG, Raum 0.01) statt.

    Fragen beantwortet:

    Prof. Dr. Dr. h.c. (UGent) Hans H. Maurer,
    Lehrstuhl für Experimentelle und Klinische Toxikologie
    Tel. 068 41 16-26050
    Mail: hans.maurer@uks.eu


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-saarland.de/fachrichtung/pharmakologietoxikologie/maurer.html
    http://www.uni-saarland.de/pressefotos


    Bilder

    Professor Hans H. Maurer
    Professor Hans H. Maurer
    Universität des Saarlandes
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Gesellschaft, Medizin, Musik / Theater
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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