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Wissenschaft
Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass Viehhaltung auf großflächigen Weiden zur stetig wachsenden Lachgaskonzentration in der Atmosphäre und damit zur globalen Erderwärmung beiträgt. Doch im Gegenteil: Dass Viehhaltung in Steppen- und Präriegebieten die Emission des Treibhausgases reduziert, konnte ein fünfköpfiges Forscherteam um Klaus Butterbach-Bahl vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zeigen. Für ihre Langzeitstudie erhalten die Ökosystem-Klimaforscher jetzt den mit 50.000 Euro dotierten Wissenschaftspreis des Stifterverbandes – Erwin Schrödinger-Preis 2013, den der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und die Helmholtz-Gemeinschaft jedes Jahr gemeinsam vergeben.
Nach Kohlenstoffdioxid und Methan gehört Lachgas zu den wichtigsten Gasen, die zum Treibhauseffekt und Klimawandel beitragen. Rund 60 Prozent der vom Menschen verursachten Lachgas-Emissionen entstehen durch Landwirtschaft, etwa wenn Mikroben im Boden stickstoffhaltige Exkremente weidender Schafe oder Rinder abbauen. Deshalb nahmen Forscher weltweit bisher an, dass auch die Viehhaltung in großflächigen Steppen- und Präriegebieten die Entstehung von Lachgas antreibt. Dass das Bild aber komplizierter ist, konnte das internationale Forscherteam durch Untersuchungen in der Inneren Mongolei, China, zeigen. „Tatsächlich emittieren nicht zur Viehhaltung genutzte Flächen übers Jahr verteilt größere Mengen an Lachgas als beweidete Steppenflächen“, sagt Projektleiter Butterbach-Bahl. Die Untersuchungen seiner Forschergruppe wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Neben Butterbach-Bahl waren Xunhua Zheng von der Chinese Academy of Sciences, Nicolas Brüggemann, mittlerweile am Forschungszentrum Jülich, Michael Dannenmann vom KIT und Benjamin Wolf, jetzt bei der Schweizer Forschungsinstitution EMPA, beteiligt.
Der neue Präsident des Stifterverbandes Andreas Barner wird den Erwin-Schrödinger-Preis am 19. September 2013 im Rahmen der Jahrestagung der Helmholtz-Gemeinschaft in Berlin überreichen. Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, gratuliert den Preisträgern. „Die Studie zeigt in eindrucksvoller Weise die Auswirkungen von Landwirtschaft auf die globale Erderwärmung“, sagt Mlynek. „Sie hat durch die aktuelle Thematik einen hohen Einfluss auf laufende wissenschaftliche Diskussionen über den Klimawandel.“
Da die Messungen von Lachgas-Emissionen technisch sehr aufwendig sind, wurden die Daten bisher meist nur über einen kurzen Zeitraum während der Vegetationsperiode erfasst. Im Gegensatz dazu sammelte die Forschergruppe um den Karlsruher Wissenschaftler ein ganzes Jahr lang Daten über die Entstehung von Lachgas im Boden. „Bisherige Kurzzeituntersuchungen übersehen, dass die Abgabe bedeutender Lachgasmengen aus Steppenböden an die Atmosphäre ein natürlicher Prozess ist und ein Großteil der natürlichen Emission auf die Tauperiode im Frühjahr zurück geht“, erklärt Butterbach-Bahl. Durch Viehhaltung wird genau diese Emission deutlich gesenkt: Die Tiere weiden die Flächen ab und verringern so die Grashöhe. Dadurch kann der Schnee leichter vom Wind weggetragen werden und die dünnere Schneedecke bewirkt, dass die beweideten Böden im langen und kalten Winter schlechter isoliert und daher bis zu zehn Grad Celsius kälter sind. Außerdem entsteht während der Tauperiode im März weniger Schmelzwasser und daher sind die Böden trockener. Kälte und Trockenheit hemmen die mikrobiellen Aktivitäten: Es entsteht weniger Lachgas. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass bisherige Berechnungen die Lachgasemission aus solchen Gebieten um rund 72 Prozent überschätzen. „Dennoch ist noch viel Forschungsarbeit notwendig, um die Quelle für die stetig wachsende Konzentration an Lachgas in der Atmosphäre zu verstehen“, sagt Butterbach-Bahl. Eine vermehrte Viehwirtschaft ist nicht die Lösung des Problems, denn diese setzt in großen Mengen Methan frei, und Überweidung von Steppengebieten führt zudem zu Bodendegradation und zu starken Verlusten an Kohlenstoffvorräten im Boden.
Über den Wissenschaftspreis des Stifterverbandes – Erwin Schrödinger-Preis
Seit 1999 zeichnen die Helmholtz-Gemeinschaft und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft mit dem Erwin Schrödinger-Preis herausragende wissenschaftliche oder technisch innovative Leistungen aus, die in Grenzgebieten zwischen verschiedenen Fächern der Medizin, Natur- und Ingenieurwissenschaften erzielt worden sind und an denen Vertreter mindestens zweier Fachrichtungen mitgewirkt haben. Der Preis wird jährlich abwechselnd vom Stifterverband und der Helmholtz-Gemeinschaft dotiert. Über das Preisgeld von 50.000 Euro können die Preisträger frei verfügen. Der Preis wird jährlich im Rahmen der Helmholtz-Jahrestagung offiziell übergeben.
Zu den Preisträgern
Prof. Klaus-Butterbach-Bahl war wissenschaftlicher Leiter des Projekts und ist Experte auf dem Gebiet der Modellierung von globalen Umweltveränderungen sowie der Identifizierung und Charakterisierung von mikrobiellen Prozessen. Er leitet die Abteilung „Bio-geochemische Prozesse“ am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK – IFU) des zur Helmholtz-Gemeinschaft gehörenden Karlsruher Instituts für Technologie.
Prof. Xunhua Zheng ist eine weltweit anerkannte Forscherin im Bereich der Quantifizierung von Treibhausgasen aus landwirtschaftlichen Ökosystemen in China. Sie ist Professorin an der Chinese Academy of Sciences (CAS) und Mitarbeiterin am Institut für Physik der Atmosphäre des CAS. Zheng war mit ihrer Arbeitsgruppe maßgeblich an der Quantifizierung der Lachgasflüsse in diesem Projekt beteiligt.
Prof. Nicolas Brüggemann hat das Projekt mitinitiiert und war an allen Aktivitäten – auch vor Ort – beteiligt. Er ist seit 2010 Professor für Terrestrische Biogeochemie an der Universität Bonn und Leiter der Gruppe „Plant-Soil-Atmosphere Exchange Processes“ am Institut für Bio- und Geowissenschaften – Agrosphäre (IBG-3) des Forschungszentrums Jülich, das ebenfalls zur Helmholtz-Gemeinschaft gehört. Zum Zeitpunkt der Studie war er Gruppenleiter am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK – IFU) des Karlsruher Instituts für Technologie.
Dr. Michael Dannenmann ist ein international anerkannter Experte für die Identifizierung und Quantifizierung der mikrobiellen Prozesse in Stickstoff- und Kohlenstoff-Produktion, Verbrauch und -Emission. Er ist stellvertretender Leiter der Arbeitsgruppe „Regionalization of biogenic trace gas emissions” am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK – IFU) des Karlsruher Instituts für Technologie und hat die mikrobiologischen Arbeiten im Projekt geleitet.
Dr. Benjamin Wolf war über den gesamten Beobachtungszeitraum der führende Wissenschaftler vor Ort in der Inneren Mongolei. Zum Zeitpunkt der Studie war er als Doktorand am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK – IFU) des Karlsruher Instituts für Technologie angestellt. Derzeit ist er Postdoc am Swiss Federal Laboratories for Materials Science and Technology (EMPA).
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Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie sowie Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit fast 36.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3,8 Milliarden Euro die größte Wissenschafts-organisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helm-holtz (1821-1894).
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Biologie, Chemie, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wettbewerbe / Auszeichnungen
Deutsch
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