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15.07.2013 09:36

Ferromagnetisch und antiferromagnetisch – und das gleichzeitig

Dagmar Baroke Abteilung Kommunikation
Paul Scherrer Institut (PSI)

    Forscher des Paul Scherrer Instituts PSI haben dünne, kristalline Schichten des Materials LuMnO3 hergestellt, die gleichzeitig ferromagnetisch und antiferromagnetisch sind. Die LuMnO3-Schicht ist in unmittelbarer Nähe der Grenzfläche zum Trägerkristall ferromagnetisch; mit zunehmendem Abstand nimmt sie die für das Material sonst übliche antiferromagnetische Ordnung an, während der Ferromagnetismus immer schwächer wird. Die Möglichkeit, zwei verschiedene magnetische Ordnungen innerhalb eines Materials zu erzeugen, könnte von grosser technischer Bedeutung sein. Die Ergebnisse erscheinen in Kürze im Journal Physical Review Letters.

    Elektronische Bauteile aus mehreren Schichten mit verschiedener magnetischer Ordnung werden vielfach in unterschiedlichen Geräten eingesetzt – etwa in Leseköpfen von Festplatten, die die gespeicherten Daten ein- oder auslesen, oder in hochempfindlichen Magnetfeldsensoren, die elektrisch ausgelesen werden. Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI haben nun ein Material gefunden, das verschiedene magnetische Eigenschaften kombiniert. Bei dem verwendeten Material handelt es sich um Lutetium-Mangan-Oxid, LuMnO3, ein Material mit einer Perowskitstruktur, wie sie auch von Hochtemperatursupraleitern bekannt ist. Die dünnen, einkristallinen Schichten wurden auf einem unmagnetischen, einkristallinen Trägerkristall (YAlO3) gewachsen.

    Verzerrung macht gegensätzliche Ordnungen möglich

    Normalerweise zeigt einkristallines LuMnO3 eine antiferromagnetische Ordnung, bei der immer zwei Spins in die eine, und die nächsten beiden in die entgegengesetzte Richtung weisen. In den am PSI erzeugten und untersuchten Schichten wurde in den ersten 10 Nanometern, also in unmittelbar Nähe zu der Oberfläche des Trägerkristalls, statt der antiferromagnetischen eine ferromagnetische Ordnung beobachtet, bei der alle Spins in die gleiche Richtung zeigen. „Normalerweise kann man einen Antiferromagneten nicht in einen Ferromagneten umwandeln. Das geht schon aus Symmetriegründen nicht. Hier muss etwa Besonderes passiert sein“, betont Christof Schneider, einer der beteiligten Forscher. Die wahrscheinlichste Erklärung für den Effekt ist, dass sich die Kristallstruktur des Materials verzerrt, weil sie sich an die Struktur des Trägerkristalls anpasst. In der verzerrten Struktur ist die ferromagnetische die bevorzugte magnetische Ordnung. Mit wachsendem Abstand zur Unterlage entspannt sich die kristalline Struktur etwas, aber nicht vollständig, so dass sich ab einer gewissen Entfernung die erwartete antiferromagnetische Ordnung einstellen sollte. Beobachtet wird stattdessen eine antiferromagnetische Spinspirale, bei der die Spins in der Form einer Wendeltreppe angeordnet sind.

    Experimente mit Neutronen zur Untersuchung der magnetischen Struktur an LuMnO3 geben deutliche Hinweise auf diese Spinspirale. Die Messergebnisse legen die Vermutung nahe, dass zusätzlich die erwartete antiferromagnetische Ordnung existiert. „Es war erstaunlich, dass wir in Schichten, die nur 80 Nanometer dick und ein Hundertstel Milligramm schwer waren, überhaupt die magnetische Struktur mit Neutronen messen konnten“, so Christof Niedermayer, der einen Teil der Neutronenexperimente durchgeführt hat.

    Vielfältige Kompetenz am PSI

    In das Ergebnis gingen die Kompetenzen verschiedener Labore des Paul Scherrer Instituts ein. Die untersuchten Schichten wurden in der Arbeitsgruppe Materialien im Bereich Allgemeine Energie mittels Laserablation hergestellt. Das mit dem Laser verdampfte Rohmaterial wurde dabei auf einer geheizten, einkristallinen YAlO3-Unterlage abgeschieden, so dass eine einkristalline Schicht entstehen konnte. Die magnetischen Eigenschaften wurden an den Grossanlagen des PSI mit Hilfe von Neutronen und Myonen untersucht. Hier kommt insbesondere zum Tragen, dass Neutronen und Myonen ein magnetisches Moment haben und so einen detaillierten Einblick in die magnetische Struktur der Materialien ermöglichen. So konnte zum Beispiel mittels Neutronenreflektometrie die ferromagnetische Komponente innerhalb der Schichten lokalisiert werden.

    Unterstützt wird die Zusammenarbeit der verschiedenen Labore durch interne Förderinstrumente des Paul Scherrer Instituts: die interne Forschungskommission und das Cross-Programm, das die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Forschungsbereichen des Instituts fördert. Zusätzlich wird es vom Schweizerischen Nationalfonds SNF im Rahmen des MaNEP-Programms zur Erforschung von Materialien mit neuartigen elektrischen Eigenschaften unterstützt.

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    Über das PSI
    Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Mensch und Gesundheit, sowie Energie und Umwelt. Mit 1500 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 300 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.

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    Kontakt/Ansprechpartner
    Dr. Christof Schneider, Arbeitsgruppe Materialien, Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI; E-Mail: christof.schneider@psi.ch; Tel: +41 56 310 41 22

    Dr. Christof Niedermayer, Labor für Neutronenstreuung, Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI; E-Mail: christof.niedermayer@psi.ch; Tel: +41 56 310 20 86

    Dr. Michel Kenzelmann, Labor für Entwicklung und Methoden, Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI;
    E-Mail: michel.kenzelmann@psi.ch; Tel: +41 56 310 53 81

    Originalveröffentlichung:
    Strain-induced ferromagnetism in antiferromagnetic LuMnO3 thin films
    J. S.White, M.Bator, Y.Hu, H. Luetkens, J. Stahn, S.Capelli, S.Das, M.Döbeli, Th. Lippert, V.K.Malik, J.Martynczuk, A.Wokaun, M.Kenzelmann, Ch.Niedermayer, and C.W. Schneider
    Zur Veröffentlichung in Phys. Rev. Lett. angenommen.

    Ankündigung des Artikels auf der Webseite von Phys. Rev. Lett.: http://prl.aps.org/accepted/2207dY5bLdd1e53ba55309942d0e3dc27317ae91a
    Text des Artikels zum Download: http://arxiv.org/abs/1304.7200


    Weitere Informationen:

    http://www.psi.ch/materials/ Arbeitsgruppe Materialien
    http://www.psi.ch/sinq/ Die Neutronenquelle des PSI


    Bilder

    Jonathan White, Erstautor der Veröffentlichung, führt ein Experiment an der Neutronenquelle SINQ des PSI durch.
    Jonathan White, Erstautor der Veröffentlichung, führt ein Experiment an der Neutronenquelle SINQ des ...
    (Foto Scanderbeg Sauer Photography)
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    Skizze der Vorgänge in den untersuchten LuMnO3-Schichten. Nahe am Substrat ist die Schicht besonders stark verspannt, so dass sie dort eine ferromagnetische Ordnung annimmt. Mit wachsendem Abstand nimmt die Verspannung ab, so dass zwei antiferromagnetische Ordnungen erscheinen: die Spinspirale und der E-Typ, bei dem abwechselnd zwei Spins in die eine Richtung weisen und die zwei nächsten in die andere.
    Skizze der Vorgänge in den untersuchten LuMnO3-Schichten. Nahe am Substrat ist die Schicht besonders ...
    (Grafik: PSI/C. Schneider)
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Elektrotechnik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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