idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
18.10.2002 15:37

Forschung für das Werkstück nach Maß

Jochen Brinkmann Kontaktstelle Schule - Universität
Technische Universität Clausthal

    Ein Portrait der Professorin für Gießereitechnik Babette Tonn

    Winter 1986. Babette Leube leistet nach dem Abitur ihr Praktikum in der Gießerei des Nähmaschinenwerkes in Wittenberge ab. In teilweise doch recht frostigen Werkshallen arbeitete sie in der Kernmacherei. Automatisierung hatte noch nicht überall Einzug gehalten, der Sand für die Kerne wurde in einer Schubkarre herangeschafft. "Die Lage der Technik in der DDR war desolat, so durfte ich Gießereitechnik an der Bergakademie Freiberg studieren, obwohl ich aus einem konservativen Elternhaus kam, und wir in der evangelischen Gemeinde aktiv waren."

    Im Wintersemester 1987/88 nimmt sie ihr Studium in Freiberg auf. Noch ahnte kaum keiner die Wende: "Als meine Cousine in München im Frühjahr 1988 konfirmiert wurde, und ich einen Reiseantrag stellte, der natürlich abgelehnt wurde, war ich sehr enttäuscht und dachte, dass ich nicht vor meinem 60. Lebensjahr in den Westen Deutschlands reisen könnte." Ein steiler wissenschaftlicher und praktischer Weg - mit Stationen in Rußland, Norwegen und der Schweiz - führte sie nach oben. Im Januar dieses Jahres wurde sie zur Professorin für Gießereitechnik ernannt, im April brachte sie ihren Sohn zur Welt, und zum Oktober nahm sie nun ihre Arbeit im Institut für Metallurgie auf. Frau Prof. Dr.-Ing. Babette Tonn ist die dritte Professorin an der TU Clausthal und die erste in den Ingenieurdisziplinen.

    Im Hauptstudium, im Jahre 1990, strebten ihre Kommilitonen ein Praktikum in "einer der schönen modernen Gießereien in Westdeutschland an", berichtete Frau Professor Tonn. Sie jedoch wählte die entgegengesetzte Richtung. "Mir war klar: Das ist die letzte Chance, die Sowjetunion kennenzulernen." Und so geht sie mit einer Freundin für dreieinhalb Monate nach Leningrad; eine Erfahrung, die sie nicht missen möchte, sich behaupten in einem fremden Land und in einer fremden Sprache, von der sie, trotz ihrer Schul-Russischkenntnisse, in den ersten zwei Wochen kein Wort verstand.

    Nach dem Examen im Jahr 1992 wird sie Stipendiatin des neuen werkstoffwissenschaftlichen Graduiertenkollegs in Freiberg. Schon in der Nähmaschinenfabrik in Wittenberge hatte sie der einzige einer der wenigen im Werk vorhandenen Siemens-Rechner angezogen, in Leningrad schrieb sie mit ihrer Freundin ein Computerprogramm, das Umwandlungsprozesse in Metalllegierungen zu beschreiben half. Die Simulation der Abkühlung und des Erstarrungsprozesses einer Gußeisenschmelze ist der rote Faden in ihrem bisherigen wissenschaftlichen Weg. "Viel Wissen in der Gießereitechnik basiert bis heute noch auf Erfahrungen", sagt Frau Professor Tonn.

    Seit ihrer Promotion und dem Forschungsaufenthalt an der Technischen Universität in Trondheim in Norwegen (1996 - 1998) widmet sich Frau Professor Tonn dem folgenden Fragenkreis:
    - Wie beeinflussen die chemische Zusammensetzung der Schmelze und die für die Keimbildung zugesetzten Impfmittel, verbunden mit der Führung des Abkühlvorganges, das sich ausbildende Gefüge, beispielsweise im Falle eines Gußeisens?
    - Warum führt die Zugabe eines bestimmten Elementes in die Schmelze zu Sphäroguss - eines Gußeisen, in welchen der Graphit in Kugelform vorliegt -, und warum bewirken "Störelemente" die Ausbildung von lamellarem Graphit?

    Die Festigkeit eines Gußeisen wird von der Festigkeit der Matrix und der des Graphits und seiner Form und Verteilung in der Matrix bestimmt, wobei die Festigkeit der Matrix um Zehnerpotenzen höher ist als die des Graphits. Lamellen besitzen ein weitaus eine größere Oberfläche als Kugeln. Daher bietet ein Gußeisen mit lamellenartigem Graphit der Rißausbreitung weit mehr Angriffsfläche als ein Sphäroguss. Ein in sich schlüssiges theoretisches Modell, das den Weg von der Schmelze bis zu den Werkstoffeigenschaften des Gusses vorhersagen könnte, wäre von enormen praktischen Wert. Es ist daher eines der Ziele, welche Frau Professor Tonn für ihre Forschung anstrebt.

    Praktische Erfahrungen in der Führung eines Schmelzbetriebes konnte Frau Professor Tonn in ihrer Tätigkeit in der Schweizer Gießerei in Delémont von 1998 bis 2002.

    In dieser Zeit gelang es ihr, mit ihrem Team Veränderungen zu bewirken, mit welchen die Produktivität des Schmelzbetriebes um 40 Prozent gesteigert werden konnte.

    Das Telefon klingelt in ihrem, noch kahlen Büro. Sie meldet sich: "Babette Tonn." Ein Schüler interessiert sich für die Gießereitechnik. Ein Besuchstermin ist rasch vereinbart. Und dann geht's in die Werkhalle des Instituts, ein Doktorand von Prof. Dr.-Ing. Reinhard Döpp, Dipl.-Ing. Sven Gattermann, führt einen Schmelzversuch durch.


    Bilder

    Frau Prof. Dr.-Ing. Babette Tonn im Gespräch mit Dipl.-Ing. Sven Gattermann.
    Frau Prof. Dr.-Ing. Babette Tonn im Gespräch mit Dipl.-Ing. Sven Gattermann.

    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Personalia
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).