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25.10.2002 14:46

Kranke Herzen, Mastzellen und die Einheit in der Medizin

Dr. Arnd Schweitzer Stabsstelle Kommunikation
Medizinische Hochschule Hannover

    MHH beging heute sechste Promotionsfeier

    Zum sechsten Mal hat die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) am heutigen Freitag im voll besetzten Hörsaal F ihre Doktoranden geehrt. Aus der Hand von Rektor Professor Dr. Horst v. der Hardt erhielten 60 junge Ärztinnen und 88 Ärzte während der Promotionsfeier die Urkunde für ihre erfolgreich beendete Doktorarbeit; elf von ihnen hatten ihre Promotionen "mit Auszeichnung" abgeschlossen. Zwei Promotionspreise gingen an Dr. med. Stephan Spiekermann und Dr. med. Gernot Sellge. Die Auszeichnungen sind mit je 2.500 Euro dotiert und werden von der Gesellschaft der Freunde der Medizinischen Hochschule Hannover e. V. vergeben. In seinem Festvortrag beleuchtete Professor Dr. Dr. Hinderk Emrich, Leiter der Abteilung Klinische Psychiatrie und Psychotherapie der MHH, ein Thema, das die Hochschule zurzeit besonders beschäftigt: "Pluralität und Einheit in der Medizin".

    Zu den Promotionspreisen

    Dr. med. Stephan Spiekermann untersuchte bei Patienten mit einer Gefäßverkalkung am Herzen (koronare Herzkrankheit, KHK) ein Enzymsystem, das für die Funktion der Herzkranzgefäße eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Ist das Enzymsystem "Extrazelluläre Superoxid-Dismutase" (EC-SOD) aktiv, kann der Botenstoff Stickstoffmonoxid (NO) die Herzkranzgefäße erweitern. Bei den Patienten ist diese Erweiterung stark eingeschränkt, was zum Herzinfarkt führen kann. Dr. Spiekermann erforschte, ob die reduzierte Aktivität des Enzymsystems tatsächlich die Ursache für die verminderte Aufweitung der Herzkranzgefäße ist. Dazu bestimmte er zunächst im Reagenzglas die EC-SOD-Aktivität in den Herzkranzgefäßen verstorbener Patienten mit KHK und von Personen ohne Herzkreislauf-Erkrankungen. Zusätzlich untersuchte er bei Lebenden die Aktivität des Enzymsystems im Blut und die Gefäßfunktion. Das Ergebnis: In beiden Fällen konnte er erstmals nachweisen, dass die Aktivität der EC-SOD bei Patienten mit einer KHK im Vergleich zu Gesunden deutlich vermindert ist. Zudem zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Gefäßfunktionsstörung und der verminderten EC-SOD-Aktivität. Damit gibt Dr. Spiekermanns Studie wichtige Hinweise auf die Entstehung und das Fortschreiten der Gefäßverkalkung am Herzen. Das Detailwissen hilft, neue Therapiekonzepte für Patienten mit KHK zu entwickeln.

    Mit Allergien beschäftigte sich Dr. med. Gernot Sellge. Sein Forschungobjekt: Die Mastzelle und ihre Regulation durch Immunbotenstoffe. Die Zelle ist wichtig bei Allergien, weil sie Entzündungsstoffe freisetzt, die dann die typischen Symptome einer Allergie auslösen. Daneben spielt sie wahrscheinlich auch bei anderen, chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Morbus Crohn oder der Rheumatoiden Arthritis und bei Tumoren eine Rolle. Dr. Sellge isolierte zunächst Mastzellen aus der Darmschleimhaut, reinigte sie mit einer magnetischen Technik auf und kultivierte sie anschließend. So gelang es ihm, die Zellen in einer Reinheit von nahezu 100 Prozent zu erhalten. Anschließend untersuchte er, inwieweit verschiedene Botenstoffe des Immunsystems das Wachstum und die Funktion von Darmmastzellen beeinflussen. Der bereits bekannte Mastzellwachstumsfaktor SCF war besonders wichtig für das Überleben der Zellen. Als einen neuen Faktor konnte Dr. Sellge Interleukin(IL)-4 ausmachen - ihm wird bei allergischen Entzündungen eine wichtige Funktion zugeschrieben. IL-4 verstärkte ebenfalls die Produktion weiterer Botenstoffe. Besonders interessant: Bei reifen Mastzellen aus dem Darm fördert IL-4 die Funktion, bei unreifen Vorläuferzellen hemmt er die Entwicklung. Die Befunde zeigen, dass IL-4 ein wichtiger Regulationsfaktor für menschliche Mastzellen ist - mit unterschiedlichen Effekten abhängig vom Entwicklungsstadium der Zellen.

    Der Festvortrag

    Professor Dr. Dr. Hinderk Emrich warf in seinem Festvortrag zur Promotionsfeier einen Blick auf das Thema "Pluralität und Einheit in der Medizin":
    "Für Mediziner sind die ihnen anvertrauten Patienten immer in einer doppelten Weise vorhanden: Auf der einen Seite als die Ansammlung von mehr oder weniger gesunden Organen, als 'plurale' Wesen. Auf der anderen Seite kommen sie als Personen, als Einheiten vor." Das sei nicht nur ein philosophisches Problem, betonte Professor Emrich in seinem Vortrag, sondern spiegele sich auch ganz konkret in der Neurobiologie des menschlichen Gehirns wider. "Hier stellt sich die Frage, wie das Gehirn aus der Vielfalt der Wahrnehmungen die 'Einheit des Gegenstandes' konstituiert. Aus Forschungen über 'Synästhesie' ergibt sich der faszinierende Tatbestand, dass menschliche Gehirne die Einheit des Bewusstseins dadurch erreichen, dass Gefühlszustände die Vereinheitlichungs-leistungen steuern. Für die jungen Mediziner, die mit der Promotion in den therapeutischen medizinischen Alltag entlassen werden, bedeutet dies, verstärkt im weiteren ärztlichen Leben auch ihre eigenen Gefühlszustände ernst zu nehmen."


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft, Personalia
    Deutsch


     

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