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02.07.1998 00:00

Kubisches Bornitrid

Peter Pietschmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Ulm

    Der bessere Diamant?
    Kubisches Bornitrit - Material mit Zukunft

    Es ist nach Diamant das zweithärteste bekannte Material überhaupt, aber weitaus weniger anfällig als dieser für unerwünschte chemische Reaktionen. Es kann Elektronen aufnehmen, aber auch abgeben, und läßt sich daher durch Dotierung mit einem geeigneten Partnerelement gezielt in seinen elektrischen Leitereigenschaften verändern. Die Rede ist vom kubischen Bornitrid (c-BN), einem außerhalb von Expertenkreisen bislang wenig bekannten Stoff, der gleichwohl aufgrund seiner technisch attraktiven physikalischen Eigenschaften von vielen Fachleuten als der »bessere Diamant« angesehen wird. Über dessen Eigenschaften und Perspektiven diskutierten am 18. und 19. Juni 1998 auf Schloß Reisensburg mehr als 40 Wissenschaftler aus Deutschland und Österreich, neben Physikern auch Chemiker und Materialwissenschaftler, beim 5. Expertenmeeting der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) »Kubisches Bornitrid«, ausgerichtet von der Abteilung Festkörperphysik der Universität Ulm (Leiter Prof. Dr. Paul Ziemann, Organisator vor Ort Dipl-Phys. Peter Widmayer).

    Mit Diamant gemein hat das kubische Bornitrid das Auftreten zweier Modifikationen: neben dem eigentlichen c-BN, das strukturell dem Diamant entspricht, gibt es das »weiche« hexagonale h-BN, in seiner Struktur dem Graphit verwandt und deshalb häufig als »weißer Graphit« bezeichnet, obgleich es im Gegensatz zu diesem nicht elektrisch leitet. Kubisches Bornitrid kommt in der Natur nicht vor, das macht es seltener als Diamant, es kann aber ähnlich wie dieser bei hohen Temperaturen und Drücken künstlich gepreßt werden, allerdings bisher nur in Form sehr kleiner Einkristalle mit Abmessungen deutlich unter einem Kubikmillimeter. Ein für die Praxis wesentlich interessanteres Herstellungsverfahren ist das kontrollierte Aufwachsen dünner Filme zum Beispiel auf Siliziumwafern, der Erzeugung von künstlichem Diamant analog.

    Entspannter Film

    Damit die harte, die kubische Bornitridphase entsteht, müssen die aufwachsenden Filme während des Wachtumsprozesses mit niederenergetischen Ionen - typischerweise Argonionen mit einer Energie von 200 Elektronenvolt (eV) - bombardiert werden. Was dieser Präparationstrick im einzelnen bewirkt, ist noch nicht vollständig geklärt; vermutlich erzielt erst der Rütteleffekt der Ionenstöße die zur kubischen Anordnung notwendige Verdichtung des aufwachsenden Materials. Allerdings verursachen die Stöße auch eine Verlagerung von Atomen und damit Gitterdefekte, die ihrerseits starke mechanische Verspannungen der entstehenden c-BN-Filme bewirken. Diese Verspannungen können so groß werden, daß bei einer kritischen Filmdicke die Haftkräfte des Films auf der Unterlage überfordert sind und der Film abplatzt.

    Diesem Abplatzen als einem der Haupthindernisse technischer c-BN-Anwendungen gilt momentan besonderes Interesse der Forscher, die zum einen versuchen, den Spannungsaufbau in den Schichten nachzuvollziehen, zum anderen, ihn zu verhindern. Einen neuen Weg gehen hier die Ulmer Festkörperphysiker: sie beschießen die bereits fertiggstellten, verspannten Bornitridfilme erst nachträglich mit hochenergetischen Ionen (postitiv geladene Argonionen von 350 Kilo-Elektronenvolt) und erzielen dadurch einen weitgehenden Streßabbau bei gleichzeitiger Erhaltung der kubischen Phase. Verfährt man so mit einer c-BN-Schicht nach der anderen, müßte am Ende ein entspannter dicker Film entstehen.

    Elektronenspektroskopisch betrachtet

    Wer kubisches Bornitrid herstellen und damit umgehen will, muß es zuvor gründlich untersucht haben, und zur Untersuchung neuer Materialien sind immer auch entsprechnde analytische Methoden erforderlich. Um mit den derzeit gebräuchlichen oberfächenanalytischen und spektroskopischen Methoden erforscht zu werden, sind die bis heute erzeugten c-BN-Einkristalle noch zu klein. So bedeutete es einen kleinen wissenschaftlichen Durchbruch, als es den Ulmer Festkörperphysikern in Kooperation mit einer Basler Gruppe kürzlich gelang, kubische Bornitridfilme elektronenspektroskopisch zu analysieren. Die Forscher wiesen dabei zugleich nach, daß c-BN bereits in seinen feinsten, nur nanometergroßen Kristallformationen bereits die ihm in der Theorie zugeordneten typischen elektronischen Struktureigenschaften besitzt.

    Was die Anwendungsperspektiven des neuen Materials betrifft, so teilen die industriellen Experten durchaus die Zuversicht der Grundlagenforscher. Aufgrund seiner Reaktionsresistenz scheint kubisches Bornitrid als Material für die Beschichtung von Werkzeugen prädestiniert. Vor allem Deutsche, Österreicher, Franzosen und Japaner arbeiten gegenwärtig intensiv auf diesem materialwissenschaftlichen Forschungsgebiet - wobei Deutschland, nicht zuletzt dank des DFG-Schwerpunkts, eine Spitzenstellung einnimmt.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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