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Wissenschaft
Institut Arbeit und Technik untersucht Defizite und Risiken der Qualifizierung für die Dienstleistungsgesellschaft - Land des Lächelns oder Wissenschaft als Allheilmittel?
Bei den neuen Dienstleistungsberufen läuft die Qualifizierung derzeit in zwei Richtungen: Einerseits ist immer deutlicher die Nutzung akademischer Ausbildungen zu erkennen, andererseits werden einfache Service-Tugenden wie Freundlichkeit und Höflichkeit als Schlüsselqualifikationen propagiert. Zur dringend erforderlichen Erneuerung des beruflichen Bildungssystems, das in den alten industriellen Strukturen zu erstarren droht, taugen beide Strategien recht wenig. Es fehlt an Konsens für die Beschäftigungs- und Bildungsfelder der Zukunft wie auch an Durchsetzungskraft zur Entwicklung und Umsetzung neuer Dienstleistungsausbildungen. Zu diesem Schluß kommen Dr. Josef Hilbert und Karin Scharfenorth vom Institut Arbeit und Technik in ihren aktellen Forschungen zum Qualifizierungsbedarf für die Dienstleistungsgesellschaft.
Im Fahrwasser der Kundenorientierung geraten die allgemeinen Arbeitstugenden in den Mittelpunkt des Interesses. Freundlichkeit, korrektes Auftreten, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit u.ä. sind für die Erbringung attraktiver Dienstleistungen zwar von Bedeutung, diese Qualifikationen dürfen aber nicht als einzig entscheidende Inhalte von Dienstleistungsarbeit angesehen werden, meinen die IAT-Wissenschaftler. Kundenorientierung meint nicht nur Lächeln und Dienern, sonden heißt, mit der Kundschaft gemeinsam eine gute Lösung für ein Problem - eine passende Dienstleistung für die jeweilige Bedarfslage - zu entwickeln. Fachliche Sicherheit ist in diesem Zusammenhang unverzichtbar und wird noch oft unterschätzt.
Die Reduktion der Dienstleistungsqualifizierung auf Service-Tugenden taugt nur für den Weg in eine Dienstbotengesellschaft, wie sie sich in einigen Teilen des US-amerikanischen Dienstleistungssektors abzeichnet. Bei vielen der dort neu entstehenden Dienstleistungsjobs im "McDonalds-Bereich" stehen tatsächlich solche einfachen Anforderungen im Mittelpunkt. Für die Bundesrepublik ist dies als alleiniger Weg jedoch eine wenig wünschbare und realistische Ausrichtung der Dienstleistungsgesellschaft. Sicherlich besteht in der Bundesrepublik ein gewisser Nachholbedarf an einfachen Services, eine nachhaltige Perspektive besteht aber eher in anspruchsvollen Dienstleistungen für mehr Lebensqualität.
Auf der anderen Seite zeigt sich, daß in Deutschland in den neuen Wachstumsbereichen des Dienstleistungssektors verstärkt akademische Qualifikationen genutzt werden. Da adäquate duale Berufsausbildungen fehlen, werden zunehmend Hoch- und Fachhochschulabsolventen eingestellt. So entstehen im Bereich Freizeitsport/Wellness zunehmend Beschäftigungschancen für arbeitslose Sportlehrerinnen und -lehrer, obwohl deren Ausbildung nur bedingt auf die Anforderungen vieler Freizeitsportunternehmen ausgerichtet ist, z.B. fehlt es oftmals an betriebswirtschaftlichen Kenntnissen. Auch in der Alten- und Krankenpflege werden immer mehr akademische Aus- und Weiterbildungen angeboten. In diesen Studiengängen wird nicht zuletzt für die Leitungspositionen in Altenheimen, Krankenhäusern und Pflegediensten ausgebildet. Ihre Absolventen nehmen damit den traditionell ausgebildeten Pflegekräften noch mehr der ohnehin dürftigen Aufstiegschancen weg. Nach Feststellung der IAT-Wissenschaftler ist der Trend zur steigenden Akademisierung von Dienstleistungsberufen überall dort zu erkennen, wo das duale Berufsbildungssystem Lücken aufweist und gleichzeitig ein hoher Bedarfs an Qualifikationsprofilen besteht, die über die einfachen Service-Tugenden hinausgehen.
Die Regelungslücke ist unter anderem darauf zurückzuführen, daß in vielen potentiellen Beschäftigungsfeldern des Dienstleistungssektors durchsetzungsfähige Verbände und Gewerkschaften (noch) fehlen. In diesem Zusammenhang wäre es hilfreich, wenn das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) den gleichwohl vielfältig vorhandenen Qualifizierungsinitiativen mit seiner Expertise besser zur Seite stehen könnte, schlagen die IAT-Wissenschaftler vor. Neben Beratungstätigkeiten könnte auch ein systematisches Benchmarking der Qualifizie-rungsansätze in vielversprechenden Berufsfeldern zu den Aufgaben gehören. Dies kann zwar die eigentlich zu erwartenden Steuerungs- und Regulierungsleistungen der Sozialparteien nicht ersetzen, gleichwohl kann ein Akzent für mehr und bessere Berufsausbildung im Dienstleistungssektor gesetzt werden.
Für weitere Fragen stehen
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Dr. Josef Hilbert
Durchwahl: 1707-120
Karin Scharfenorth
Durchwahl: 1707-163
Pressereferentin
Claudia Braczko
Munscheidstraße 14
45886 Gelsenkirchen
Tel.: +49-209/1707-176
Fax: +49-209/1707-110
E-Mail: braczko@iatge.de
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Wirtschaft
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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