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Wissenschaft
Wie praxisnah Fragestellungen der Angewandten Linguistik sind, zeigen die Abschlussarbeiten der Studiengänge Bachelor in Übersetzen und Master in Angewandter Linguistik, die an der Diplomfeier des IUED Institut für Übersetzen und Dolmetschen der ZHAW ausgezeichnet wurden. Thema der Preisarbeiten sind einerseits das Zusammenspiel von Sprache und Denken, andererseits der Kompetenzaufbau von Übersetzungsstudierenden und BerufsübersetzerInnen.
Mehrsprachige Menschen denken anders
Seit dem 19. Jahrhundert suchen Forscherinnen und Forscher Antworten auf die Frage ob und wie Sprache die Wahrnehmung und das Denken der Menschen beeinflusst. Diese Frage nach der sprachlichen Relativität haben Zdravka Gajic und Eliane Reis in ihrer Bachelorarbeit «Eckig ist der Hass – und rund ist die Liebe. Auswirkungen des grammatischen Geschlechts auf das Denken und die Wahrnehmung – ein Vergleich zwischen Monlingualen und Bilingualen» untersucht.
Die Autorinnen – Absolventinnen der Vertiefung Multimodale Kommunikation – fanden in verschiedenen Experimenten heraus, dass zweisprachige Menschen Wörter anders klassifizieren als Menschen, die nur eine Sprache beherrschen. Konkret liessen sie ihre Versuchspersonen – mehrsprachige und einsprachige Französisch- und Deutschsprechende – Wörter, die in den beiden Sprachen unterschiedliches grammatisches Geschlecht aufweisen wie Hass und haine oder Tisch und table, Formen, Farben und Stimmen zuordnen, die jeweils klar als männlich oder weiblich assoziiert werden.
Einsprachige orientierten sich dabei kaum am grammatischen Geschlecht «ihrer» Sprache, Mehrsprachige hingegen deutlich. Je nachdem, ob Deutsch oder Französisch als Testsprache aktiviert war, wählten sie eher die männliche oder die weiblichen Zuordnung und dies entsprechend dem grammatischen Geschlecht des Testworts. Einzige Ausnahme: Gefühlswörter scheinen – im Unterschied zu anderen abstrakten bzw. zu konkreten Begriffen – sprachübergreifend ähnlich konzeptualisiert zu werden: Hass ist männlich, Liebe weiblich.
Dies alles mag abstrakt klingen. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass zweisprachige Menschen in der Lage sind, zwischen den konzeptuellen Systemen ihrer beiden Sprachen zu wechseln. Jede Sprache, die jemand beherrscht, verändert seine/ihre Denkweisen und damit auch die Art und Weise, wie die Welt wahrgenommen wird. Oder anders: Mehrsprachige Menschen nehmen die Welt um sich herum anders wahr als einsprachige und kommen damit vermutlich auch zu anderen Einschätzungen faktisch gleicher Sachverhalte. Was das genau bedeutet, bleibt zu untersuchen.
Die Arbeit wurde am 3. Oktober 2013 an der Diplomfeier des IUED Institut für Übersetzen und Dolmetschen mit dem Preis der Johann Jakob Rieter-Stiftung für die beste Ab-schlussarbeit des Bachelorstudiengangs Übersetzen ausgezeichnet.
Übersetzerinnen bei der Arbeit zugeschaut
Sprachinteressierte wüssten manchmal gern mehr darüber, wie ein Text oder auch eine Übersetzung zustande gekommen ist. Seitdem Schreibprozesse elektronisch aufgezeichnet werden können, kann man diesem Wunsch – zumindest teilweise – nachkommen. Es ist nicht mehr nur ein Text, der als Produkt vorliegt, sondern auch der ganze Prozess seiner Entstehung kann nachgezeichnet werden. Die Übersetzungsprozessforschung ist eine noch junge Disziplin; nichtsdestotrotz hat die Translationsbranche erkannt, was sie leisten kann. Die Masterarbeit «Selbstrevision in der Übersetzung. Eine Untersuchung der Revisionsprozesse von Übersetzungsstudentinnen» von Annina Meyer wurde aufgrund ihrer besonderen Relevanz für die Praxis mit dem Preis der CLS Communication AG ausgezeichnet.
Annina Meyer, Absolventin des Masterstudiengangs Angewandte Linguistik mit Vertiefung Fachübersetzen, untersuchte in einer Langzeitstudie über vier Jahre, wie sich die Revisions-, d.h. die Überarbeitungskompetenz von ÜbersetzerInnen während und nach dem Studium entwickelte. Ihr Befund: Die Anzahl der Überarbeitungen nahm zu - v.a. entfernte Revisionen – und es veränderte sich die Art der Überarbeitungen. Die Autorin weist über die Analyse der Revisionspraxis nach, dass die Studien-TeilnehmerInnen mit zunehmender Erfahrung in grösseren Einheiten übersetzen, einen besseren Überblick über den Text haben bzw. vernetzter denken – und v.a. Übersetzungsstrategien anwenden, wobei die Entwicklung von (Makro-)Strategien beim Übersetzen als klarer Hinweis auf gestiegene Übersetzungskompetenz interpretiert werden kann. Ihre Arbeit legt somit einen wichtigen Grundstein zur Weiterentwicklung von Ausbildungsangeboten und Optimierung von Qualitätssicherungsmassnahmen bei Übersetzungsdienstleistern. Für ihre Langzeitstudie nutzte die Autorin u.a. Daten aus dem Projekt «Capturing Translation Processes», das vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert wurde (PL: Prof. Dr. Maureen Ehrensberger-Dow).
Beide Preis-Arbeiten wurden von Prof. Maureen Ehrensberger-Dow, PhD, Professorin für Übersetzungswissenschaft am Departement Angewandte Linguistik der ZHAW betreut.
Mit den Preisträgerinnen schlossen am IUED Institut für Übersetzen und Dolmetschen weitere 84 Bachelors in Übersetzen und 12 Masters in Angewandter Linguistik ihr Studium an der ZHAW ab.
«Capturing Translation Processes» (Projekt-Website): www.linguistik.zhaw.ch/ctp
Bildergalerie Diplomfeier: www.linguistik.zhaw.ch/iued/diplomfotos
Kontakt
Prof. Dr. Christa Stocker
Leiterin Corporate Communications
ZHAW Departement Angewandte Linguistik
Telefon 058 934 75 78
christa.stocker@zhaw.ch
Medienstelle
ZHAW Corporate Communications
Franziska Egli Signer
Telefon 058 934 75 75,
medien@zhaw.ch
http://www.zhaw.ch/de/zhaw/die-zhaw/news/newsdetail/news/eckig-ist-der-hass-und-...
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Studierende, Wissenschaftler
Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Psychologie, Sprache / Literatur
überregional
Studium und Lehre, Wettbewerbe / Auszeichnungen
Deutsch
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