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07.07.1998 00:00

Namen und Fakten zum SFB 559 "Modellierung großer Netze in der Logistik"

Ole Lünnemann Referat Hochschulkommunikation
Universität Dortmund

    Der Sonderforschungsbereich "Modellierung großer Netze in der Logistik" (SFB 559) ist am 10.06.1998 für zunächst drei Jahre genehmigt worden und startete am 1.Juli 1998. Die jährliche Fördersumme beträgt 1,8 Mio DM. Dadurch können u. a. 13 neue wissenschaftliche Mitarbeiter eingestellt werden. Vorläufiger Sprecher ist Prof. Dr.-Ing. Axel Kuhn (Inhaber des Lehrstuhls für Fabrikorganisation und Institutsleiter am Fraunhofer IML). Im Rahmen des SFB 559 arbeiten Lehrstühle aus dem Fachbereich Maschinenbau (Lehrstuhl für Förder- und Lagerwesen, Prof. Dr.-Ing. Reinhardt Jünemann; Lehrstuhl für Fabrikorganisation, Prof. Dr.-Ing. Axel Kuhn; Fachgebiet Logistik, Prof. Dr.-Ing. Rolf Jansen), dem Fachbereich Informatik (Lehrstuhl Informatik 4, Prof. Dr.-Ing. Heinz Beil-ner; Lehrstuhl Informatik 11, Prof. Dr.-Ing. Hans-Paul Schwefel) und der Lehrstuhl Industriebetriebslehre, Prof. Dr. rer. pol. Egon Jehle, zusammen. Eingebunden ist ebenfalls das Fraunhofer-Institut für Materialfluß und Logistik IML. Sonderforschungsbereiche können eine maximale Dauer von 15 Jahren erreichen.

    Gegenstand des Sonderforschungsbereichs

    Große Netze der Logistik entstehen überall dort, wo eine große Zahl meist unterschiedlicher Objekte über mehrere Stationen durch teilweise wechselnde Verkehrsträger transportiert werden. Je nach Eingrenzung und Standpunkt bezeichnet man diese Logistiksysteme beispielsweise als Zulieferernetzwerke, Produktionsnetze, Distributionsnetze, Gütertransportnetze, Behälterkreisläufe, Verkehrsnetze.

    Die Komponenten dieser großen Netze (z. B. Rohstoffe, Materialien, Güter, Personen, Unternehmen, Ressourcen, Aufträge, Kapital und Geld) sind durch eine Vielzahl unterschiedlicher Beziehungen miteinander verknüpft. Die Vernetzung nimmt insbesondere durch die Leistungsexplosion der Kommunikationstechnik zu. Die Globalisierung der Wirtschaft und die logistische Vernetzung treiben diesen Prozeß voran bzw. zeigen Bedarf nach Gestaltung und Modellierung. Der Trend zu individuellen Kundenwünschen bringt ein qualitatives Wachstum durch differenzierte Beschaffung, Produktion und Distribution. Damit steigt der Anteil der Transporte, ohne Gegensteuern droht der Verkehrskollaps, da immer mehr Transport immer weniger gesteuert wird. Wichtige Teilaspekte des SFB sind beispielsweise, mehr Transportanteile über die Schiene zu bringen, also umweltfreundlichere Lösungen des stärker werdenden Verkehrsaufkommens.

    In den letzten Jahren wurden zudem eine Vielzahl neuer Unternehmensstrukturen wie strategische Allianzen, Joint Ventures, Zulieferernetzwerke, fraktale Fabriken, segmentierte Fabriken und virtuelle Unternehmen sowie prozeßorientierte Organisationsformen propagiert, aber nur sehr zögerlich diskutiert.

    Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen verfolgt der Sonderforschungsbereich (SFB) das Ziel, eine Theorie zur Beherrschung von großen Netzen in der Logistik zu entwickeln, damit diese gestaltet, organisiert und gesteuert werden können. Zur Bewältigung der anstehenden Aufgaben haben sich im Rahmen des SFB die Lehrstühle Förder- und Lagerwesen, Industriebetriebslehre, Fabrikorganisation, praktische Informatik, Systemanalyse und das Fachgebiet Logistik der Universität Dortmund in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Mate-rialfluß und Logistik IML zusammengeschlossen.

    Die angestrebten Ergebnisse des Sonderforschungsbereichs sind geeignet, der Fachrichtung Maschinenbau mit dem Arbeitsgebiet Logistik völlig neue Impulse zu geben. Mit den erarbeiteten Grundlagen der Modellierung großer Netze in der Logistik kann ein wissenschaftlicher und anwendungsbezogener Vorsprung im internationalen Vergleich erzielt werden. Direkter Nutzen für die Unternehmen wird sich durch Einsparpotentiale durch Bündelung von Informationen in Unternehmensnetzwerken, Straffung von Transporten und generell durch bessere Steuerungsmaßnahmen ergeben.

    Die in der EXPO 2000 in einem Themenpark "Mobilität" diskutierten Zukunftsentwicklungen im Bereich Gütertransport und Personenverkehr bzw. individueller Mobilität lassen den notwendigen hohen Wirkungsgrad der Steuerung solcher großen Netze in der Logistik augenscheinlich werden.

    Autoren: Ralf Neuhaus/Michael Schmitz, 1.7.1998
    ___________________________________________________
    SFB 559 "Modellierung großer Netze in der Logistik"
    Pressegespräch der Universität Dortmund und desFraunhofer-Instituts für Materialfluß und Logistik
    · Anlage 1

    Statement von Professor Kuhn

    Mit dem genehmigten Sonderforschungsbereich 559 "Modellierung großer Netze in der Logistik" kommt es erstmalig zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Informatik, Wirtschaftswissenschaften und Maschinenbau. Deutschlands Logistikhauptstadt Dortmund, bisher das logistische Kompetenzzentrum für angewandte Forschung, erhält nun auch das größte Grundlagenforschungsprojekt der letzten Jahre und stärkt damit nachhaltig die Kompetenz der Dortmunder Logistik.
    Bisherige Standortvorteile wie
    · die Demonstrationszentren Materialfluß und Logistik sowie für die Simulation in Produktion und Logistik am Fraunhofer IML,
    · die enge Zusammenarbeit mit dem TechnologieZentrumDortmund - hier sei beispielsweise das SimulationsDienstleistungsZentrum erwähnt -
    · und zuletzt der neue Studiengang "Diplom-Logistiker" an der Universität Dortmund
    werden durch den Sonderforschungsbereich um ein weiteres Ferment ergänzt und bereichert.

    Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ermöglicht uns mit 13 neuen Mitarbeitern und einer Fördersumme von 1,8 Mio DM jährlich - zunächst für die nächsten drei Jahre - die aktuellen Fragestellungen aus dem weiten Gebiet der Logistik nun auch verstärkt wissenschaftlich anzugehen. Mit unserem Kooperationspartner, dem Fraunhofer-Institut für Materialfluß und Logistik, ist sichergestellt, daß die Forschungen und Entwicklungen nicht am Bedarf der Wirtschaft vorbeilaufen. Sonderforschungsbereiche können im übrigen eine maximale Dauer von fünfzehn Jahren erreichen.

    Ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich für die konstruktive Vorbereitung und nachhaltige Anstrengung bei den Professorenkollegen
    · Heinz Beilner, Lehrstuhl Informatik 4 an der Universität Dortmund
    · Egon Jehle, Lehrstuhl Industriebetriebslehre
    · Rolf Jansen, Fachgebiet Logistik
    · Reinhardt Jünemann, Lehrstuhl für Förder und Lagerwesen sowie geschäftsführender Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Materialfluß und Logistik und
    · Hans-Paul Schwefel, Lehrstuhl Informatik 11, Universität Dortmund,
    mit denen in mehr als 30 Sitzungen dieser Sonderforschungsbereich Gestalt angenommen hat.

    Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und schließe darin das Fraunhofer-Institut für Materialfluß und Logistik als Kooperationspartner mit ein.

    Prof. Dr.-Ing. Axel Kuhn
    Fakultät Mascheinenbau der Universität Dortmund,
    Lehrstuhl für Fabrikorganisation,Institutsleiteram Fraunhofer-Institut für Materialfluß und Logistik,
    Sprecher des Sonderforschungsbereichs 559 "Modellierung großer Netze in der Logistik"
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    SFB 559 "Modellierung großer Netze in der Logistik"
    Pressegespräch der Universität Dortmund und desFraunhofer-Instituts für Materialfluß und Logistik
    · Anlage 2

    Aktuelle Fragestellung 1

    Bei einem großen Handelsunternehmen galt die Beschaffungsstrategie: »der Produzent liefert an Rampe unserer Zentralläger«. Es gibt 30 Läger mit je 200 und 300 Lieferanten mit ca. 5.000 Artikeln. Pro Lager werden bis zu 4.000 Paletten umgeschlagen; für alle Läger sind dies 12.200 (9.400) Brükken/Tag oder 6.000 (4.500) LKW/Tag, die durchschnittlich zu 70 % ihres Ladevolumens ausgenutzt sind.
    Die durchschnittliche Wartezeit der LKWŽs vor der Abfertigung an den Lägern beträgt 3 h. Eine verbesserte Zulaufsteuerung und Wareneingangsorganisation kann die Wartezeit auf 1 h senken. Die LKW-Stunde kostet 150,00 DM! Einsparungspo-tential in diesem Szenario nur bezüglich der LKW-Standzeiten: 45 Millionen DM pro Jahr. Das Potential in der einschlägigen Branche in Deutschland: 5,4 Milliarden DM pro Jahr.

    Das erste Ergebnis:
    Die Verträge des Handelsunternehmens sehen die Lieferung ab Rampe Produzent vor - übrigens mit Potentialen, die weit über das Geschilderte hinausgehen.

    Aktuelle Fragestellung 2

    Die Behälter der VW-AG in Wolfsburg stellen eine Gesamtinvestition von 1,2 Milliarden DM dar. Diese Behälter haben eine durchschnittliche Umlaufzeit von 14 Tagen (zwischen Liefe-ranten und VW). Eine von allen Seiten als machbar bezeichnete Senkung der Umlaufzeit um 4 Tage würde eine Einsparung an Behältern von 342 Millionen DM bedeuten. Auf die Automobilindustrie in Deutschland insgesamt bezogen, schätzt man ein Einsparungspotential von 4 Milliarden DM vermiedener Investitionen durch verbesserte Disposition. Die Frage nach dem Verfügbarkeitsgrad der Behälter beim Lieferanten bleibt unbeantwortet, ebenfalls die Frage nach den Auslastungsgraden der LKW oder nach den Auswirkungen auf die Transportleistungen.

    Aktuelle Fragestellung 3

    Als die Deutsche Bundespost die 36 Standorte ihrer Paketverteilzentren in Deutschland festgelegt hatte (übrigens mit Hilfe der Dortmunder Wissenschaftler) suchte man einen Dienstleister, der die Austauschprozesse zwischen diesen Zentren übernahm: eine Logistikleistung, deren 2.700 Wechselbrücken pro Tag über eine mittlere Strecke von 220 km bei festgelegten Servicefristen zum Festpreis angeboten werden müßte. An einem Durchschnittstag sind 1,5 Millionen Sendungen im Netz! Nebenbedingungen waren damals, daß mindestens 20 % der Transporte über die Schiene laufen müßten! Die Transportkostenberechnung belief sich auf ein Planjahr: 200 Millionen DM. Das Transportnetz kostet ca. 300 Millionen DM/Jahr. Es laufen keinerlei Transporte über die Schiene!

    Aktuelle Fragestellung 4

    Die Fertigungstiefen nehmen ab! - 20% in der Automobilindustrie ist die Zielansprache. Kooperationsprojekte, Just in Time-Konzepte und Kanban-Prinzipien vermeiden Lagerprozesse beim Erzeuger und vereinfachen die Lenkung seiner Logistik. Die Konzentration auf Kernkompetenzen, das damit einhergehende "outsourcen" von Unternehmensbereichen, lassen Dienstleistungen neuester Art entstehen, welche die Lieferanten davor schützen, sich mit neuen Kompetenzen ausstatten zu müssen. Wer sorgt aber dafür, daß die neuen Lieferanten-Kunden-Netze optimal betrieben werden? Wer honoriert in welcher Höhe die Kooperationsleistungen des Einzelnen? Wer sagt uns, wie teuer wir unsere heutigen Logistik-Service-Grade bezahlen? Wer sorgt dafür, daß die Transportleistungen in einem ausgewogenen Gleichgewicht zu den Lagerbeständen stehen, die ja die Transportfrequenzen verringern können und die Auslastungsgrade der Transportmittel um ca. 20 % verbes-sern können! Wie lange kann es sich ein Land wie Deutschland noch leisten, die vermeintlich kostenlose Ressource Straße auszubeuten?

    Die Ökologen bekommen von den Logistikern wenig glaubhafte Antworten auf die Frage: "Zahlen wir für die Inanspruchnahme unserer Ressourcen faire Preise?"; in den Ballungsräumen, in der Luft, auf den Straßen?

    Aktuelle Fragestellungen- Zusammenfassung

    Diese und ähnliche Fragenkomplexe will der SFB grundlegend angehen. Zufriedenstellende Antworten können nicht gefunden werden,
    · wenn man sie nicht wesentlich schneller und aufwandsärmer als bisher liefert,
    · wenn man nicht eine befriedigende Anzahl von Restriktionen berücksichtigt,
    · wenn man die Zeit als Führungsgröße nicht akzeptiert,
    · wenn man sie nicht plausibel und nachvollziehbar erklären kann,
    · wenn man keine akzeptierte Theorie hat.

    Für die großen Netze der Logistik gibt es keine wissenschaftlich abgesicherte Methodik oder ein Instrumentarium, welches die heutigen und die zukünftigen Herausforderungen in der notwendigen Vollständigkeit bewerten kann.

    Es gibt eine Fülle von Teillösungen, Bemessungsmethoden, tradierten Vorgehensweisen und Instrumenten, die man sorgfältig sammeln, auswerten und nutzbar machen muß.

    Die Forschungsaufgabe besteht darin, das anwendungsspezifische Wissen zu strukturieren, ein Grundlagenwissen und allgemeingültige Regeln bzw. Gesetzmäßigkeiten zu entwickeln, um damit den Betrieb und den Wandel großer logistischer Netze beherrschbar zu machen!

    Das Instrumentarium sollen problemadäquate, ausführbare zeitbehaftete Modelle sein, die Methode ist das systematische praxisorientierte Experimentieren damit. Als Ergebnisse streben wir eine Theorie zur Beherrschung großer Netze der Logistik und ein möglichst vollständiges, praktisch nutzbares Instrumentarium an.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik, Maschinenbau, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft, fachunabhängig
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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