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„Zwischen Harmoniebedürfnis und Konfliktrealität“ – Die Ringvorlesung des Präsidenten beschäftigt sich im Wintersemester 2013/14 mit dem Menschsein im Spannungsfeld von Konflikt und Harmonie – Auftakt am 18. November 2013 mit der Autorin Thea Dorn
Konflikte, Krisen, Katastrophen! Kleine Konflikte können sich zu Krisen hochschaukeln und zu Katastrophen eskalieren. Die wirtschaftlichen, ethnischen und politischen Krisen der jüngsten Vergangenheit haben dies gezeigt – und die persönlichen Konflikte zeigen es jeden Tag. Ist also der Mensch naturgemäß ein konfliktorientiertes Wesen, ein Homo Conflictus? Andererseits ist der Mensch auch harmoniebedürftig, und Konflikte müssen nicht zwingend destruktiv sein. Sie können auch neue Entwicklungen einleiten. In der Ringvorlesung des Präsidenten der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) steht im Wintersemester 2013/14 der Homo Conflictus im Zentrum. Hochkarätige Referentinnen und Referenten aus Kultur, Wissenschaft und Politik beleuchten das Thema Homo Conflictus – Zwischen Harmoniebedürfnis und Konfliktrealität.
Die Vorlesungsreihe setzt sich zum Ziel, das Menschsein im Spannungsfeld von Konflikt und Harmonie auszuloten und Konflikte im persönlichen, politischen und religiösen Bereich in ihren destruktiven und produktiven Aspekten zu sehen. Die Vorträge wenden sich gleichermaßen an ein universitäres Publikum und an die Öffentlichkeit in Stadt und Region. Dabei haben alle Vortragenden im Wintersemester 2013/14 eine Gemeinsamkeit: eine persönliche Verbindung nach (Mittel-)Hessen.
Die Vorlesungsreihe beginnt am Montag, 18. November 2013, mit einem Vortrag von Thea Dorn zum Thema „Die Kunst des Konflikts“. Sie beleuchtet dabei die unterschiedlichen Modelle, die in den jeweiligen Zeitaltern vorherrschend waren, um mit Konflikten umzugehen und diese zu bewerten. Während die Antike vom tragischen Lebensgefühl bestimmt war, versprach das Christentum eine Welt der Harmonie in Gott. In der Neuzeit herrscht der Wertepluralismus, der nicht selten Grund für Konflikte ist. Ohne Wertorientierung meint die Postmoderne auskommen zu können mit ihrem Slogan „Anything goes“, zahlt dafür aber den Preis der zunehmenden Zersplitterung unserer Lebens- und Gefühlswelt. Aber, so fragt die Autorin, ist es nicht auch möglich, Konflikte nicht nur als Qual, sondern als Quelle von Würde und Größe zu sehen?
Thea Dorn wurde 1970 in Offenbach am Main geboren und studierte u.a. in Frankfurt am Main. Sie ist Autorin und Fernsehmoderatorin. Ihr letztes Buch „Die deutsche Seele“, das sie zusammen mit Richard Wagner schrieb, erschien im Jahr 2011.
Dieser panoramaartige Überblick wird in der zweiten Vorlesung am 25. November 2013 abgelöst von einem Blick auf die sehr persönliche Konfliktsituation, die sich mit der zunehmenden Lebenserwartung ergibt. Prof. Dr. Hans Förstl stellt sich in seinem Vortrag „Morbus melancholicus – der vitale Reiz von Krise, Krankheit und Tod“ der Frage, inwieweit Altern in Würde angesichts von Alzheimer, Demenz und Depression noch möglich ist. Wurde früher der körperliche und geistige Abbau im Alter als etwas Natürliches hingenommen, so wird heute angesichts des Schwindens der Hoffnung auf ein vollkommenes jenseitiges Leben in der öffentlichen Meinung und der Medizin diesen Verfallserscheinungen der Kampf angesagt. Die Krise der Gesundheit wird zum vitalen Reiz, aus der kurzen Erdenfrist des Menschen das Beste zu machen.
Prof. Dr. Hans Förstl, der an dem von Gießen aus organisierten internationalen Forschungsprojekt „The Evolution of Time“ mitgewirkt hat, ist Psychiater und Neurologe. Er ist Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum rechts der Isar
in München.
Nach diesem Fokus auf die persönliche Betroffenheit weitet sich der Blick am 9. Dezember 2013 in die öffentliche Dimension des Konflikts. JLU-Alumnus Volker Bouffier beschäftigt sich in seinem Beitrag „Vom Konflikt zum Konsens: Von der Suche nach Mehrheiten in der modernen Demokratie“ mit dem Konflikt zwischen Einzelinteresse und Gemeinwohl. Mit Beispielen aus der Bildungs-, Haushalts- und Sozialpolitik verdeutlicht Bouffier, dass Politik über den Tag hinaus denken muss. Es gilt, den Blick frei zu machen von ideologischen Fixierungen und einem dem Gemeinwohl verpflichteten Pragmatismus zu folgen, ohne seine eigenen Überzeugungen dafür zu opfern. Gemeinwohl, so Volker Bouffier, ist mehr als die Summe von Einzelinteressen.
Volker Bouffier ist seit 2010 Ministerpräsident des Landes Hessen, Landesvorsitzender der hessischen CDU und stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU. Von 1987 bis 1991 war
er Staatssekretär im Hessischen Ministerium der Justiz und von 1999 bis 2010 Hessischer Minister des Innern und für Sport, zudem gehörte er dem Rat für Justiz und Inneres der EU an.
Von dieser regionalen Politikperspektive führt Tom Koenigs am 20. Januar 2014 weiter in die Sphäre der internationalen Konflikte. „Machen wir Frieden oder haben wir Krieg?“ fragt er in seinem Beitrag. Hier führen Konflikte in ganz neue Dimensionen. Tom Koenigs zeigt auf, wie brüchig die Grenze zwischen Krieg und Frieden ist, wie schwer es ist, zu entscheiden, ob im Grenzfall der Frieden mit Waffengewalt verteidigt oder eine friedliche Zukunft mit Verbrechern ausgehandelt werden muss. Die Grenze zwischen Gut und Böse, zwischen Freund und Feind, zwischen Krieg und Frieden verschwimmt in der täglichen Auseinandersetzung mit den Realitäten vor Ort. Dies führt immer wieder auch zu neuen strategischen Überlegungen und zu neuen persönlichen Fragen.
Tom Koenigs ist wohnhaft in Frankfurt und Bundestagsabgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Wahlkreis in Gießen. Als UNO-Sonderbeauftragter war er in einer Reihe von internationalen Konflikten als Vermittler tätig.
Der Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann „Krisen und Konflikte – Lernerfahrungen der Reformation“ führt am 3. Februar 2014 in die Welt der religiösen Auseinandersetzungen. Die Reformation Martin Luthers, die sich 2017 zum 500. Mal jährt, war selbst in vielerlei Hinsicht mit Krisen verbunden und zugleich eine konstruktive Antwort auf die Krise des zeitgenössischen Christentums. Sie hat als heute selbstverständliche Neuerung die Gewissens- und Glaubensfreiheit in Gang gesetzt und zahlreiche Umbrüche und Veränderungsprozesse nach sich gezogen, wie die Trennung von Kirche und Staat. Dazu gehört auch Luthers beschämender Antijudaismus. Aber auch ökumenische Versöhnungsprozesse waren und sind Teil dieser Lerngeschichte. Das Reformationsjubiläum 2017 wird diesen Aspekt der Versöhnung spiegeln müssen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann studierte Theologie u.a. in Marburg. Von 2009 bis 2010 war sie Ratsvorsitzende der EKD. Seit April 2012 ist sie Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum 2017.
Den letzten Vortrag gestaltet JLU-Alumnus Dr. Frank-Walter Steinmeier am 10. Februar 2014 zum Thema „Politik als Verwaltung, Gestaltung oder Krisenmanagement – ein Erfahrungsbericht“. In seinem Beitrag berichtet er von seinen Erfahrungen mit Krisen und Konflikten – destruktiver wie produktiver Art – in den verschiedensten politischen Ämtern und den Möglichkeiten, damit umzugehen. Zur politischen Globalisierung schreibt er etwa auf seiner Homepage: „20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat sich die Welt vollständig verändert. Die Welt wächst zusammen wie nie zuvor. Ob Klimawandel oder Weltwirtschaft, niemand kann die großen Probleme allein lösen. Wir müssen Chancen und Risiken neu bestimmen und im Grunde wie einst Humboldt die Welt neu vermessen.“
Dr. Frank-Walter Steinmeier ist Vorsitzender der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Er war von 1998 bis 1999 Staatssekretär im Bundeskanzleramt und Beauftragter für die Nachrichtendienste sowie von 1999 bis 2005 Chef des Bundeskanzleramtes. In den Jahren 2005 bis 2009 war er Bundesminister des Auswärtigen und von 2007 bis 2009 Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Die Vorlesungsreihe wendet sich gleichermaßen an ein universitäres Publikum und an die Öffentlichkeit in Stadt und Region. Alle Veranstaltungen finden in der Aula im Universitätshauptgebäude (Ludwigstraße 23, 35390 Gießen) statt. Beginn ist jeweils um 19.15 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Termine
Montag, 18. November 2013 – Thea Dorn
Die Kunst des Konflikts
Montag, 25. November 2013 – Prof. Dr. Hans Förstl
Morbus melancholicus – der vitale Reiz
von Krise, Krankheit und Tod
Montag, 9. Dezember 2013 – Volker Bouffier, MdL
Vom Konflikt zum Konsens: Von der Suche
nach Mehrheiten in der modernen Demokratie
Montag, 20. Januar 2014 – Tom Koenigs, MdB
Machen wir Frieden oder haben wir Krieg?
Montag, 3. Februar 2014 – Prof. Dr. Dr. h. c. Margot Käßmann
Krisen und Konflikte – Lernerfahrungen der Reformation
Montag, 10. Februar 2014 – Dr. Frank-Walter Steinmeier, MdB
Politik als Verwaltung, Gestaltung oder Krisenmanagement – ein Erfahrungsbericht
Zeit: Die Vorträge beginnen jeweils um 19.15 Uhr.
Ort: Aula im Universitätshauptgebäude, Ludwigstraße 23, 35390 Gießen
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Die 1607 gegründete Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) ist eine traditionsreiche Forschungsuniversität, die rund 26.000 Studierende anzieht. Neben einem breiten Lehrangebot – von den klassischen Naturwissenschaften über Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Gesellschafts- und Erziehungswissenschaften bis hin zu Sprach- und Kulturwissen¬schaften – bietet sie ein lebenswissenschaftliches Fächerspektrum, das nicht nur in Hessen einmalig ist: Human- und Veterinärmedizin, Agrar-, Umwelt- und Ernährungswissenschaften sowie Lebensmittelchemie. Unter den großen Persönlichkeiten, die an der JLU geforscht und gelehrt haben, befinden sich eine Reihe von Nobelpreisträgern, unter anderem Wilhelm Conrad Röntgen (Nobelpreis für Physik 1901) und Wangari Maathai (Friedensnobelpreis 2004). Seit 2006 wird die JLU sowohl in der ersten als auch in der zweiten Förderlinie der Exzellenzinitiative gefördert (Excellence Cluster Cardio-Pulmonary System – ECCPS; International Graduate Centre for the Study of Culture – GCSC).
http://www.uni-giessen.de/ringvorlesung
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
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