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Die Arbeitsgruppe „Psychiatrie und Fürsorge im Nationalsozialismus“ veranstaltet am 15. November in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der TU München und dem NS-Dokumentationszentrum München eine öffentliche Tagung zu den Münchner Opfern der „Euthanasie“. Im Rahmen der Veranstaltung soll die Frage diskutiert werden, ob die Münchner „Euthanasie“-Opfer in einem gedruckten Gedenkbuch namentlich genannt werden sollen.
Einerseits stehen der Publikation der Namen zur Zeit noch archivrechtliche Bedenken entgegen. So wird befürchtet, dass sich Angehörige der ermordeten Menschen durch die öffentliche Nennung der Namen der „Euthanasie“-Opfer stigmatisiert fühlen könnten, weil bekannt würde, dass ein Familienmitglied möglicherweise als psychisch krank, geistig behindert oder sozial hilfsbedürftig klassifiziert worden ist. Andererseits ergab eine Vielzahl von Gesprächen mit betroffenen Familien, dass diese die öffentliche Nennung der ermordeten Familienglieder als angemessen und hilfreich empfinden würden.
An den Gesprächsrunden und der abschließenden Podiumsdiskussion nehmen Angehörige von „Euthanasie“-Opfern, Vertreter und Vertreterinnen der Landeshauptstadt München, des Stadtrates sowie des Bezirks Oberbayern, Archivare und Archivarinnen, Historiker und Historikerinnen, Juristinnen und Juristen, Vertreter und Vertreterinnen von Gedenkstätten und Bürgerinitiativen sowie Psychiatrieerfahrene, Angehörige und Psychiater teil. Das Ziel der Tagung ist es, die Meinungsbildung innerhalb der Stadtgesellschaft zur Frage der Namensnennung der Münchner „Euthanasie“-Opfer und zur Veröffentlichung des geplanten Gedenkbuches zu fördern und – wenn möglich – eine Stellungnahme der Münchner Bürgerinnen und Bürger zu dieser Frage zu erhalten.
Die Tagung findet am 15.11. von 9.00h bis 16.00 Uhr im Alzheimersaal der Klinik für Psychiatrie der LMU in der Nußbaumstr. 7 statt.
Zum Hintergrund:
Seit 2010 recherchiert die Arbeitsgruppe „Psychiatrie und Fürsorge im Nationalsozialismus“ in Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum München die Namen der Münchner „Euthanasie“-Opfer. Es geht um diejenigen Münchner Frauen, Männer und Kinder, die in den Jahren 1940 bis 1941 in den Gasmordanstalten der so genannten „Aktion T4“ ermordet wurden und die bis 1945 in der Heil-Pflegeanstalt Eglfing-Haar durch systematischen Nahrungsmittelentzug, Vernachlässigung und überdosierte Medikamente zu Tode kamen. Hinzu kommen die Münchner Bürgerinnen und Bürger, die in den Konzentrationslagern als „lebensunwertes Leben“ selektiert und ebenfalls in die „Euthanasie“-Tötungsanstalten deportiert wurden, und diejenigen Menschen, die als Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in München lebten und, wenn sie seelisch oder körperlich krank wurden, ebenfalls in das nationalsozialistische „Euthanasie“-Programm einbezogen worden sind. An diese in der Erinnerungskultur unseres Landes bisher oft vergessenen Opfer des Nationalsozialismus soll das Gedenkbuch erinnern. Es soll einen Beitrag dazu leisten, Menschen, die wegen einer psychischen oder körperlichen Erkrankung, einer geistigen Behinderung oder sozialer Hilfsbedürftigkeit an den Rand der Gesellschaft gedrängt und ermordet worden sind, in die Mitte der Gesellschaft zurück zu holen und ihren Namen im Gedächtnis der Stadtgesellschaft einen Raum zu geben.
Zur Arbeitsgruppe „Psychiatrie und Fürsorge im Nationalsozialismus“ gehören: Prof. Dr. Michael von Cranach (Psychiater und ehemaliger ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren), Prof. Dr. Annette Eberle (Historikerin und Pädagogin, Katholische Stiftungsfachhochschule Benediktbeurn), PD Dr. Gerrit Hohendorf (Psychiater und Medizinhistoriker, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Technischen Universität München), Dr. Sibylle von Tiedemann (Historikerin und Slawistin, sie recherchiert die Namen der Münchner „Euthanasie“-Opfer).
Kontakt:
Prof. Dr. Michael von Cranach
Tel. 089/18970606
m.v.cranach@t-online.de
PD Dr. Gerrit Hohendorf
Institut für Geschichte und Ethik der Medizin
Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
Tel. 089/4140-4041
hohendorf@gesch.med.tum.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Medizin, Philosophie / Ethik, Sprache / Literatur
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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