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17.11.2013 19:00

Wie Botox an Nervenzellen bindet

Dagmar Baroke Abteilung Kommunikation
Paul Scherrer Institut (PSI)

    Botulinum-Neurotoxin A – Botox – ist ein hochgefährliches Gift, das Lähmungen verursacht. In der Kosmetik wird die Wirkung gezielt zur zeitweiligen Beseitigung von Falten und in der Medizin etwa als Mittel gegen Migräne oder zur Korrektur von Strabismus (Schielen) eingesetzt. Ein Forscherteam des Paul Scherrer Instituts, der Universität Utrecht und der Pharmafirma UCB hat nun die Struktur eines Protein-Komplexes bestimmt, die genau zeigt, wie das Toxinmolekül an den Proteinrezeptor der Nervenzelle bindet, deren Aktivität blockiert wird. Die Ergebnisse können nützlich sein für die Entwicklung verbesserter Botox-Medikamente, bei denen die Gefahr einer Überdosierung geringer ist als bisher.

    Der Verzehr von verdorbenem Konservenfleisch kann bei Menschen zu Botulismus führen, einer Vergiftung, die lebensgefährliche Lähmungen verursacht. Schuld daran ist unter anderem das Gift Botulinum-Neurotoxin A, das vom Bakterium Clostridium botulinum erzeugt wird, das sich nur in der sauerstofffreien Atmosphäre in der Dose gut vermehren kann. Das Gift greift die Nervenzellen an und verhindert die Weiterleitung von Nervensignalen an die Muskeln. In den letzten Jahrzehnten wurden zunehmend praktische Anwendungen des Toxins entwickelt. Besonders bekannt ist die Verwendung in der Kosmetik, wo die Substanz unter dem Namen Botox verwendet wird. Unter die Haut gespritzt, führt das Toxin zu einer Entspannung der Muskeln und bringt so zeitweilig Falten zum Verschwinden. Das Mittel kommt aber auch häufig in der Medizin zum Einsatz, wo es etwa gegen Migräne angewandt wird. Bei Menschen, die unter Strabismus leiden, kann man mit Botulinum-Neurotoxin A gezielt einen Augenmuskel etwas schwächen und somit ein normales Sehen ermöglichen.

    Synchrotronstrahlen enthüllen die Struktur des Protein-Komplexes

    Ein grundlegender Schritt, der für die Entfaltung der Wirkung des Botulinum-Toxins notwendig ist, ist die Bindung von einem Molekül des Gifts an ein Molekül des Proteinrezeptors Synaptic Vesicle Protein 2 der Nervenzelle. Die Verbindung zwischen Rezeptor und Botulinum-Neurotoxin A-Molekül führt zu einer Kaskade von Schritten, durch welche die Nervenzelle gehindert wird, Botenstoffe auszuschütten, die normalerweise den Muskel zur Bewegung anregen. Einem internationalen Team unter der Leitung von Richard Kammerer am Labor für Biomolekulare Forschung des Paul Scherrer Instituts ist es nun gelungen, die genaue Struktur und somit die molekularen Wechselwirkungen zwischen Botox und dem Rezeptor zu bestimmen. Dazu haben die Wissenschaftler die beiden Moleküle, die an der Bindung beteiligt sind, im gebundenen Zustand untersucht, wobei sie vor allem verstehen wollten, wie genau die beiden Moleküle zusammenhalten. “Unsere Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt, um die Wirkungsweise von Botulinum-Neurotoxin A besser verstehen zu können. Ich bin mir daher sicher, dass unsere Struktur grosse Resonanz im Feld erzeugen wird“, erklärt Kammerer. Zur Strukturbestimmung verwendeten die Forscher das Verfahren der Proteinkristallografie. Bei diesem Verfahren werden grosse Mengen Moleküle hergestellt und in einer regelmässigen Struktur – einem Kristall – angeordnet. Dieser Kristall wird dann mit Röntgenstrahlen aus der Synchrotron Lichtquelle Schweiz durchleuchtet. Die Grundlage dieser Technik besteht darin, dass Röntgenstrahlen durch die Moleküle im Kristall abgelenkt werden. Aus diesem sogenannten Beugungsmuster können die Forscher dann den atomaren Aufbau des untersuchten Moleküls bestimmen.

    Neue Medikamente möglich

    Die Ergebnisse tragen nicht nur zu unserem besseren Verständnis der Wirkung von Botox bei, sondern können möglicherweise auch von grossem praktischem Nutzen sein. „Botulinum-Neurotoxin A hat als Medikament ein sehr schmales therapeutisches Fenster“, erklärt Roger Benoit, Forscher am PSI und Erstautor des Artikels. „Das heisst, schon bei geringer Überdosierung kann es eine schädliche Wirkung haben. Mit unseren Ergebnissen sollte es möglich sein, Medikamente mit schwächerer Wirkung zu entwickeln, bei denen die Gefahr einer Überdosierung geringer wäre.“

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    Über das PSI

    Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Mensch und Gesundheit, sowie Energie und Umwelt. Mit 1500 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 300 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.

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    Kontakt:
    Dr. Richard A. Kammerer, Labor für Biomolekulare Forschung, Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz
    Tel.: +41 (0)56 310 4765; E-Mail: richard.kammerer@psi.ch

    Originalveröffentlichung:
    Structural basis for recognition of synaptic vesicle protein 2C by botulinum neurotoxin A
    Roger M. Benoit, Daniel Frey, Manuel Hilbert, Josta T. Kevenaar, Mara M. Wieser, Christian U. Stirnimann, David McMillan, Tom Ceska, Florence Lebon, Rolf Jaussi, Michel O. Steinmetz, Gebhard F.X. Schertler, Casper C. Hoogenraad, Guido Capitani and Richard A. Kammerer
    Nature, Online Vorabveröffentlichung 17. November 2013
    Doi: 10.1038/nature12732 http://dx.doi.org/10.1038/nature12732


    Weitere Informationen:

    http://psi.ch/iYP3 - Webdarstellung der Mitteilung mit weiteren Bildern
    - kurzer Film, der die Strukturen zeigt.


    Bilder

    Die dargestellte Struktur zeigt, wie Botox and den Proteinrezeptor Synaptic Vesicle Protein 2 der Nervenzelle bindet. Zu sehen ist die Kristalltruktur des Komplexes bestehend aus der luminalen Domäne
    Die dargestellte Struktur zeigt, wie Botox and den Proteinrezeptor Synaptic Vesicle Protein 2 der Ne ...
    Bild: Roger Benoit/PSI
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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