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In gotischen Kirchen wird es von Jahr zu Jahr dunkler, denn Luftschadstoffe verbinden sich mit Glasanteilen der Fenster zu einer Schmutzschicht. Im Dom von Erfurt werden die zerbrechlichen Kunstwerke mit einer Reinigungspaste gezielt und kostengünstig gereinigt.
Schummeriges Halbdunkel, flackernde Kerzen und Weihrauchduft - in der Weihnachtszeit schätzen Besucher alter Kirchen diese Atmosphäre besonders. Nur wenige dürften bemerkt haben, dass es im Inneren gotischer Kirchen von Jahr zu Jahr dunkler wird. Der Grund: Ruß und Abgase legen sich wie ein Film auf die jahrhundertealten Fensterscheiben und vereinigen sich mit Bestandteilen des Glases, Mikroorganismen, Feuchtigkeit und Luft zu einer dicken körnigen Korrosions- und Schmutzschicht. Auch der Mariendom in Erfurt leidet darunter. Kuratoren und Denkmalschützer suchen schon seit Jahren nach optimalen Reinigungsverfahren für die verschmutzten und im Lauf der Jahrhunderte stark gedunkelten gotischen Fenster. Das Problem: Die Reinigungsverfahren dürfen die Gläser keinesfalls verkratzen oder originale Farbschichten beschädigen.
Erste Sanierungsversuche erfolgten noch zu DDR-Zeiten. Nach der Wende nahmen sich Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC der Problematik an. "Da man an historischen Fenstern selbst nichts ausprobieren kann, haben wir die Schäden zunächst an Modellgläsern im Klimaschrank in Zeitraffer simuliert", erzählt Dr. Sandra Gerlach, die sich in der Außenstelle in Bronnbach bei Wertheim mit Kulturgüterschutz beschäftigt. Rund sieben Jahre dauerte es, bis die Forscher die optimale Reinigungsmethode für die gotischen Fenster gefunden hatten: eine Paste, die äußerlich wie Zahncreme aussieht. Ammoniumcarbonat löst die Kruste aus Gips, die sich mit Schwefeldioxid aus Abgasen gebildet hat. Die Kuratoren waren von der Wirkung begeistert.
Bereits seit drei Jahren wird in Erfurt mühsam restauriert. Mitarbeiter der Dombauhütte bauten dazu ein gesamtes Fenster aus. Sie bestreichen Kompressen mit der Paste und legen sie auf die Scheiben. "Je nachdem, wie lange man einwirken lässt, kann die Schmutzkruste teilweise oder vollständig bis in die Tiefe aufgelöst werden. Nachgespült wird mit viel Wasser", erläutert Gerlach. Da hier nur eine sanfte chemische Reinigung erfolgt, werden die Scheiben mechanisch nicht beschädigt. Im Fall des Erfurter Doms sollten die gereinigten Fenster nicht zu hell ausfallen, um die Lichtwirkung gleichmäßig zu halten. Etwas Schmutz muss schon deshalb erhalten bleiben, da die Gelschicht das Glas schützt. Vorteile des neuen Verfahrens: Das Reinigen mit der Paste ist wesentlich kostengünstiger als Laserverfahren und personell weniger aufwendig. Dennoch dauert es rund ein Jahr, bis ein ganzes Fenster in seiner ursprünglichen Farbenpracht erstrahlt.
Ansprechpartnerinnen:
Dr. Sandra Gerlach
Telefon 09 31 / 41 00-7 10 und -7 01, Fax -7 99, gerlach@isc.fraunhofer.de
Dr. Hannelore Römich
Telefon 09 31 / 41 00-7 03, roemich@isc.fraunhofer.de
http://www.isc.fraunhofer.de
http://www.fraunhofer.de/mediendienst
Ein Fenster des Erfurter Doms vor...
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...und nach der Restaurierung. ©Fraunhofer ISC
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Kunst / Design, Musik / Theater, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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