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Wissenschaft
Mit dem vierten Band der "Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg" endet nun die Erschließung der Handschriften in der Vatikanischen Bibliothek in Rom nach mehr als 30jähriger Arbeit
379 Jahre nachdem die berühmte Heidelberger "Bibliotheca Palatina", die Vorläuferin der jetzigen Universitätsbibliothek, im Jahr 1622 im Zuge des 30jährigen Krieges in den Vatikan gebracht wurde, ist nun die wissenschaftliche Beschreibung und Erschließung der lateinischen Palatina-Handschriften abgeschlossen. Die "Bibliotheca Palatina" erlangte durch ihren reichhaltigen Bestand an Handschriften und frühen Drucken Weltruhm und galt bis zum 16. Jahrhundert als "größter Schatz des gelehrten Deutschlands".
Mit dem vierten Band der "Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg" wird nun die wissenschaftliche Erschließung der lateinischen Palatina-Handschriften in der Vatikanischen Bibliothek in Rom nach mehr als 30jähriger Arbeit abgeschlossen. Die neu aufgenommenen 203 literarischen und philologischen Schriften des Humanismus sowie der Reformation sind für die Geschichte der Pfalz wie für die Geistesgeschichte Süddeutschlands von herausragender Bedeutung. Wie bei den vorausgegangenen Katalogen zu den medizinischen Handschriften (1981) und den so genannten Quadriviumshandschriften (1992) von Ludwig Schuba sowie den historischen und philosophischen Handschriften (1999) von Dorothea Walz wurde auch die Erstellung des neuen Kataloges von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
Die im Katalog zunächst beschriebenen Handschriften des so genannten "Triviums" - also Texte, die den Wissensgebieten von (lateinischer) Grammatik, Dialektik und Rhetorik angehören - umfassen unterschiedlichste Werke von mittelalterlichen Schulgrammatiken und Wörterbüchern über Lehrtexte zur Rhetorik und zur Kunst, Briefe und andere Schriften zu verfassen, bis hin zu literarischen Texten antiker und moderner Autoren, die als empfehlenswerte Vorbilder beim Erwerb lateinischer Sprachkompetenz galten. Hier finden sich etwa Werke von Petrarca und von Erasmus von Rotterdam.
Wörterbücher vom Liber glossarum des 9. Jahrhunderts aus dem Kloster Lorsch bis zu den umfangreichen Werken des Spätmittelalters stellen wichtige Dokumente für die Sprach- wie auch die allgemeine Geistesgeschichte dar. Eine ganze Reihe von Briefsammlungen dienten vor allem als Vorlagensammlungen für eigene Schreiben. Ein Briefmusterbuch aus dem Umkreis der Kanzlei Friedrichs des Siegreichen (Pal. lat. 1798) überliefert beispielsweise neue Briefe von und über Peter Luder, den Pionier des Heidelberger Frühhumanismus. In einem weiteren nun erstmals beschriebenen Band fanden sich drei bisher unbekannte Schreiben Philipp Melanchthons.
Der zweite größere Komplex unter den beschriebenen Codices sind die Reformationshandschriften. Der besondere Weg der Kurpfalz spiegelt sich in der Fülle des zeittypischen Schrifttums. Von der sehr frühen Aufnahme der neuen Gedanken Luthers über eine erst spät vom Kurfürsten durchgeführte lutherische Reformation bis zum späteren 16. Jahrhundert, als die Pfalz geradezu die Speerspitze des Calvinismus bildete - all diese Umbrüche spiegeln sich in den hier beschriebenen Handschriften. Gerade die Kontroversen und vielfältigen Dispute der verschiedenen sich schließlich herausdifferenzierenden Bekenntnisse finden hier ihren Niederschlag.
Am Ende der Signaturenreihe folgen etliche Bände, die sich in die Ordnung, die man der Bibliothek im 17. Jahrhundert in Rom gab, nicht so recht einfügen wollten. Gerade hier findet sich Interessantes und Wichtiges, wie etwa die karolingischen Bibliothekskataloge der Klöster Fulda und Lorsch. Eine Sammlung von Musikstücken bietet eines der ganz seltenen Zeugnisse für die hochstehende Musikkultur am kurfürstlichen Hof der Renaissance. Die Beschreibung der Heidelberger Gartenanlage Kurfürst Ludwigs VI. von der Pfalz ist ein weiterer Baustein zur Heidelberger Kulturgeschichte, der bisher unbekannt geblieben war. An illustrierten Werken findet man beispielsweise zwei alchemistische Bildfolgen und das spätmittelalterliche Handbuch zur Kriegsrüstung des Konrad Kyeser in mehreren Exemplaren (s. die Abb. eines Alchemisten am Schmelzofen, um 1430, Pal. lat. 1888).
Über die genannten Beispiele hinaus bietet der hier nun erstmals umfassend beschriebene Handschriftenbestand eine Fülle von Einzelzeugnissen zur Geschichte und Kultur im deutschen Südwesten, insbesondere für die Zeit des späteren Mittelalters und den Beginn der Neuzeit bis zur Wegführung der "Palatina" im Jahr 1622.
Die humanistischen, Triviums- und Reformationshandschriften der Codices Palatini latini in der Vatikanischen Bibliothek (Cod. Pal. lat. 1461-1914), beschrieben von Wolfgang Metzger mit Beiträgen von Veit Probst, Wiesbaden 2002 (Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg, Bd. 4)
Rückfragen bitte an:
Dr. Nicole Kloth
Universitätsbibliothek Heidelberg
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
Tel. 06221 542570
Kloth@ub.uni-heidelberg.de
allgemeine Rückfragen von Journalisten auch an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Kunst / Design, Musik / Theater, Sprache / Literatur
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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