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18.12.2002 16:27

Rektoren im Netz der Nationalsozialisten

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    "Die Universität Würzburg in den Krisen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts": So heißt ein Buch, das die hochschuleigene "Kommission für die Herausgabe einer Universitätsgeschichte" kurz vor dem Abschluss des Jubiläumsjahres anlässlich der Erstgründung der Universität Würzburg vor 600 Jahren präsentiert hat.

    Als Beitrag der Kommission zur 600-Jahr-Feier wende sich die Publikation bewusst einer Zeit zu, die in der Historiographie der Universität bisher nahezu gänzlich vernachlässigt und im Bewusstsein der Zeitgenossen wie der Nachlebenden häufig verdrängt worden sei, so der Historiker und Herausgeber Prof. Dr. Peter Baumgart bei der Vorstellung des Buches am 18. Dezember im Toscanasaal der Residenz. Ungeachtet dessen bleibe diese Periode der Würzburger Universitätsgeschichte - vom Ende des Ersten Weltkriegs 1918 bis zum Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes mit dem Wiederbeginn 1945 - ein integrierender Bestandteil der jüngeren und jüngsten Geschichte der ältesten Hochschule in Franken.

    "Es ging uns nicht darum, Gericht zu sitzen über die Menschen, die sich unter gesellschaftlichen Umständen, die wir nur teilweise nachvollziehen können, in die politischen Machenschaften der Herrschenden verstricken ließen." Das sagte Universitätspräsident Prof. Dr. Theodor Berchem bei der Präsentation. Vielmehr liege die Bedeutung des Buches darin, dass es sachlich und im Kontext der zeitgeschichtlichen Entwicklungen für die Nachwelt festhält, was geschehen ist und wie es dazu kommen konnte.

    Das Buch besteht aus insgesamt neun teils biographisch, teils übergreifend institutionengeschichtlich orientierten Abhandlungen. Der einleitende Essay des Herausgebers zeichnet die Umrisse der Universitätsentwicklung im Gesamtzeitraum nach. Dabei akzentuiert er den Weimarer Neubeginn 1918/19, den nationalsozialistischen Gleichschaltungsversuch 1933/34 samt den Folgen sowie den schwierigen Neuanfang nach dem Krieg 1945 in der zerstörten Stadt.

    Die folgende Abhandlung untersucht die Reihe der Würzburger Rektoren, die sich im Hinblick auf das Ziel einer nationalsozialistischen Durchdringung als insgesamt wenig effektive "Führer" der Hochschule erwiesen: Der Autor berücksichtigt die Amtsführung des letzten gewählten Rektors, des Fundamentaltheologen Georg Wunderle (1933), sodann des alsbald zu einer Gefängnisstrafe verurteilten Hygienikers Herwart Fischer (1933/34), weiterhin des vorzeitig resignierenden Zahnmediziners Johannes Reinmöller (1935/37), schließlich des am Ort aufgestiegenen Chirurgen und Kriegsrektors Ernst Seifert (1937/45) im unübersichtlichen Netz der mitregierenden NS-Polykratie.

    Klaus Wittstadt beschreibt die Theologische Fakultät zwischen Anpassung und Ablehnung unter den Bedingungen der NS-Herrschaft in der Abfolge ihrer Professoren. Wolfgang Weiß, der bei der Präsentation einleitende Worte sprach, klärt auf der Grundlage von Fakultätsakten weitgehend die Phase des Neubeginns und Wiederaufbaus der Würzburger Theologie.

    Hans-Joachim Vollrath entwirft ein Panorama der Mathematik und Astronomie sowie der sie prägenden Persönlichkeiten von Georg Rost bis Otto Volk. Den Rechtshistoriker Ernst Meyer (1862-1932) in der Spannung zwischen wissenschaftlichem Werk und politischer Gegnerschaft zur Republik würdigt Dietmar Willoweit, während Jürgen Weitzel Lebensweg und Wirken der Rechtslehrer Hugo Kreß (1874-1958) und Ernst Hoyer (1890-1953) skizziert.

    Die enge Verflechtung von Geschichtswissenschaft und politischer Ideologie beim Mittelalterkundler Max Buchner (1881-1941) in Würzburg und München sowie die Verstrickung des Landeshistorikers Wilhelm Engel (1905-1964) in das NS-System arbeiten Peter Herde und Enno Bünz (Leipzig) heraus. Den problematischen Rassenbiologen Friedrich Keiter (1905-1967) charakterisieren abschließend Ute Felbor, Monika Reininger und Gundolf Keil.

    Peter Baumgart (Hrsg.): "Die Universität Würzburg in den Krisen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts", erschienen als Band 58 der Reihe "Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg", Kommissionsverlag Ferdinand Schöningh, Würzburg 2002, 352 Seiten, 26 Euro.


    Bilder

    Unipräsident Theodor Berchem (rechts) bekommt das neue Buch von dem Historiker Peter Baumgart überreicht. Foto: Emmerich
    Unipräsident Theodor Berchem (rechts) bekommt das neue Buch von dem Historiker Peter Baumgart überre ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie
    regional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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