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-Rückenmuskel ersetzt Blasenmuskel-
Ein Ärzteteam an der Uniklinik für Urologie Tübingen führte zum erstem Mal in Deutschland eine Latissimus dorsi-Plastik erfolgreich durch. Dieses Operationsverfahren wurde angewendet, um einen Patienten, der an Blasenlähmung leidet, zu behandeln. Dabei wird der Rückenmuskel Latissimus dorsi entnommen und an die Stelle des funktionslosen Blasenmuskels gesetzt.
Prof. Arnulf Stenzl, Ärztlicher Direktor der Uniklinik für Urologie Tübingen, führte kürzlich zusammen mit Prof. Milomir Ninkovic (Plastischer Chirurg am Uniklinikum Innsbruck) eine Latissimus dorsi-Plastik erfolgreich durch. Dieses Operationsverfahren wurde zum ersten Mal in Deutschland angewendet, um einen Patienten, der an Blasenlähmung leidet, zu behandeln. Dabei wird der Rückenmuskel Latissimus dorsi entnommen und an die Stelle des funktionslosen Blasenmuskels gesetzt. Der Patient kann so wieder auf natürlichem Wege die Harnblase entleeren.
Die Operation des Tübinger Patienten, ein 20jähriger Student aus Indien, der durch einen Bergunfall seine Blasenfunktion verloren hat, verlief gut.
Die Idee für diese Methode kam den beiden Chirurgen 1993. Gemeinsam haben sie das Verfahren weiterentwickelt und seit 1998 25 Patienten operiert.
Das Operationsverfahren
In der sechs bis acht Stunden dauernden Transplantationsoperation wird der Patient mittels einer Vakuummatratze so gelagert, dass an zwei Orten gleichzeitig operiert werden kann: Und zwar im Achselbereich, um den Rückenmuskel Latissimus dorsi für die Transplantation frei zu präparieren und im Bereich des Unterbauchs, um die Harnblase für die Muskelverpflanzung vorzubereiten.
Im nächsten Schritt wird der Rückenmuskel über den funktionslosen Blasenmuskel gespannt und im Becken an Sehnen und Bändern befestigt. Als Widerlager des Latissimus dorsi wird ein Vicrylnetz eingesetzt und ebenfalls mit dem Muskel verbunden. Die Blutgefäße und der Nerv des Rückenmuskels werden mikrochirurgisch an die Blut- und Nervenversorgung des geraden Bauchmuskels (rectus abdominis) angeschlossen. Der Latissimus dorsi eignet sich deshalb so gut als Transplantat, weil es sich um einen großen, flächenhaften Muskel handelt, der 1.) groß genug ist (etwa 25x20 cm), um die Harnblase zu überspannen, 2.) nur von einer Vene, einer Arterie und einem Nerv versorgt wird und 3.) durch seine Struktur einen langen Kontraktionsweg aufweist. Der Anschluss an anderer Stelle wird daher erleichtert. Darüber hinaus kann die Funktion des Muskels, man braucht ihn unter anderem um Klimmzüge zu machen, von anderen Rückenmuskeln übernommen werden. Der Patient erleidet keine Funktionseinschränkungen.
Nach drei bis sechs Monaten übernimmt das Transplantat die Funktion des Blasenmuskels. In dem der Patient seine Bauchmuskeln anspannt wird durch eine "Serienschaltung" auch der transplantierte Rückenmuskel kontrahiert und presst dadurch die Harnblase aus. Nach kurzem Training kann der Patient seine Harnblase wieder willkürlich entleeren. Ein großer Vorteil dieser Methode ist auch, dass sie nach jahrelang bestehender Lähmung der Harnblase noch möglich ist.
Prof. Stenzl betont, dass der Patient bei einem Misserfolg der Operation keinen langfristigen Schaden zu befürchten hat. Weil die Harnblase erhalten bleibt, hat er "nur" sein früheres Problem: Er muss wie zuvor fünf bis sechsmal am Tag mit einem Blasenkatheter seinen Urin gewinnen. "Wie stark dadurch die Lebensqualität speziell von jungen Menschen eingeschränkt wird, kann sich jeder leicht vorstellen", so Prof. Stenzl.
Für wen ist das Verfahren geeignet?
Von den bislang 25 operierten Patienten im Alter von neun bis 68 Jahren, haben 90 Prozent ihre Blasenfunktion wieder erlangt. Gute Erfolge zeigten sich vor allem bei jüngeren Patientinnen/Patienten mit unfallbedingter Blasenlähmung. Das Verfahren wird hauptsächlich bei so genannten "schlaffen" Lähmungen der Blase angewendet. Diese kann nach Verletzungen der Wirbelsäule oder auch nach Beckenoperationen auftreten. Wichtig ist auch, dass der Schließmuskel regelrecht funktioniert.
Weiter Informationen zur Latissimus dorsi-Plastik finden Sie im Internet unter www.uro-tuebingen.de
Ansprechpartner für nähere Informationen:
Universitätsklinikum Tübingen
Klinik für Urologie
Prof. Arnulf Stenzl, Ärztlicher Direktor
Hoppe-Seyler-Str. 3, 72076 Tübingen
Tel. 0 70 71/29-8 66 13, Fax 0 70 71/29-50 92
E-Mail Urologie@med.uni-tuebingen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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