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17.07.1998 00:00

Würzburger Ökologen gehen in die Luft

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Welche Spinnen und Insekten leben in den Baumkronen? Erstaunlicherweise ist darüber so gut wie nichts bekannt. Um dieses Manko zu beseitigen, beschreiten Ökologen der Universität Würzburg einen völlig neuen Weg: Sie nähern sich der Tierwelt in den Blättern mit Hilfe eines Zeppelins.

    Das Experiment soll am Sonntag, 19. Juli, nahe bei dem unterfränkischen Dorf Fabrikschleichach (Landkreis Haßberge) in Angriff genommen werden. Dort befindet sich auch die Ökologische Außenstation der Universität Würzburg. Falls das Wetter paßt, wollen die Forscher an vier Tagen in die Luft gehen - jeweils morgens und abends. Das 40 Meter lange Heißluft-Luftschiff wird mitsamt Pilot von den Adler-Bekleidungswerken zur Verfügung gestellt.

    Der Würzburger Ökologe Dr. Andreas Floren (36) erläutert den Hintergrund der geplanten Luftfahrten. Die größte Schwierigkeit bei der Untersuchung von Tiergemeinschaften in Baumkronen sei es, bis in den Bereich der Blätter vorzudringen. Die herkömmlichen Methoden - spezielle Klettertechniken, lange Leitern oder der Bau von Türmen - sind sehr aufwendig und haben zudem weitere Nachteile: Der Wissenschaftler kann nur einen sehr geringen Ausschnitt der Krone untersuchen und sorgt zudem oft für eine massive Störung der Tiere, so daß sich immer ein verfälschtes Bild der Tiergemeinschaften ergibt.

    Alle gängigen Sammelmethoden haben laut Dr. Floren mehr oder weniger große Nachteile. Das sei auch der Grund dafür, daß kaum etwas über die Spinnen- und Insektengemeinschaften in Bäumen bekannt ist - und zwar nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.

    In diesem Zusammenhang sei der Einsatz eines Luftschiffs als Premiere anzusehen. Seine Vorteile: Die Forscher können alle Stellen im Blätterdach der Baumkrone erreichen, und die Tiere werden minimal gestört. "Zuerst einmal wollen wir die Möglichkeiten und Grenzen erproben", sagt Dr. Floren. Es sei geplant, Fallen auf den Baumkronendächern anzubringen und Proben zu entnehmen, also beispielsweise Äste abzuschneiden, einzutüten und dann im Labor auszuwerten.

    Mit Hilfe des Zeppelins soll zudem das sogenannte Luftplankton aus verschiedenen Höhenschichten gefangen werden. Darunter verstehen die Wissenschaftler alle Organismen, die sich vornehmlich durch den Wind verbreiten lassen. Vergleichbare Untersuchungen gebe es bislang nicht, weshalb die Forscher mit spannenden Ergebnissen rechnen.

    Andreas Floren gehört dem Lehrstuhl für Zoologie III (Tierökologie und Tropenbiologie) der Universität Würzburg an, dessen Wissenschaftler sich seit längerem unter anderem mit den Insekten- und Spinnengemeinschaften in Baumkronen beschäftigen. Sie interessieren sich für grundlegende Fragen zur Artenvielfalt und für die Mechanismen, welche diese Tiergemeinschaften strukturieren.

    Die entsprechenden Arbeiten finden zum einen in den Tropen statt, und zwar im malaysischen Teil der Insel Borneo, zum anderen in Mitteleuropa, bislang in Bayern und Thüringen. Die Wissenschaftler beziehen sowohl vom Menschen ungestörte, primäre Urwälder als auch verschieden alte Sekundär- und Wirtschaftswälder ein.

    Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen den Tropen und den gemäßigten Breiten betrifft die Anzahl von Spinnen- und Insektenarten, die in den Tropen sehr viel höher ist. Dort haben die Würzburger Ökologen zum Beispiel aus nur 19 Bäumen etwa 2.000 Käferarten gesammelt - das entspricht bereits einem Viertel der Arten, die für ganz Mitteleuropa bekannt sind.

    Die Existenz so vieler Arten, von denen die allermeisten zudem selten sind, macht es laut Dr. Floren schwer verständlich, wie sie zusammenleben können, ohne sich gegenseitig auszuschließen. Nach dem bisher gültigen Modell der "ökologischen Nische" kann jede Art einen ganz bestimmten Bereich ihrer Umwelt besser als alle anderen Arten nutzen und sich so gegen alle potentiellen Konkurrenten behaupten.

    In den Tropen scheine dies aber nicht zuzutreffen. Dort könne man auch nicht, selbst wenn die Artenzusammensetzung in einem bestimmten Bereich schon bekannt ist, die Zusammensetzung in ähnlichen Lebensräumen vorhersagen. Deshalb prüfen die Ökologen neue theoretische Modelle, denen zufolge die Artenzusammensetzung einer Gemeinschaft viel stärker vom Zufall geprägt ist als es den Nischenmodellen nach möglich wäre. Das scheine auch für die Ökosysteme der gemäßigten Breiten von Bedeutung zu sein, wie vergleichende Untersuchungen in Wäldern in Deutschland vermuten lassen.

    Weitere Informationen:
    Dr. Andreas Floren, Telefon (0931) 888-4376, Fax (0931) 888-4352, E-Mail:
    floren@biozentrum.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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