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Das baden-württembergische Kultusministerium hat zu Beginn der letzten Woche einer deutschen Staatsbürgerin afghanischer Herkunft die Übernahme in den Schuldienst verweigert, da sie nicht bereit ist, das Kopftuch während des Unterrichts abzulegen. Die Schulbehörde versteht das Kopftuch "als Symbol zivilisatorischer und kultureller Abgrenzung" und als Zeichen religiöser Intoleranz der betroffenen muslimischen Lehrerin und hält sie daher für den Schuldienst für ungeeignet. Damit wird eine bislang auf Baden-Württemberg beschränkte Diskussion zu einem bundesweit beachteten Politikum. Darf eine Lehrerin muslimischen Glaubens, die an öffentlichen Schulen unterrichtet, ein Kopftuch tragen oder ist das Kopftuch als Symbol für einen religiösen Fundamentalismus zu werten, der gegen die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verstößt?
Mit dieser brisanten Frage hat sich auch ein gerade abgeschlossenes Forschungsprojekt an der Technischen Universität Braunschweig beschäftigt, das von Seiten des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur im Rahmen des Projektverbundes "Friedensforschung in Niedersachsen" gefördert wurde. Das Forschungsprojekt "Die Ethnisierung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen und daraus resultierende Konflikte" unter der Leitung von Prof. Dr. Ulrich Menzel widmete sich der Frage, ob das weltpolitische Konfliktgeschehen zunehmend als "Ethnisierung" der internationalen Wirtschaftsbeziehungen vor dem Hintergrund der ökonomischen Regionalisierung begriffen werden kann, so wie es die These vom "clash of civilizations" des amerikanischen Politikwissenschaftlers Samuel P. Huntington nahelegt. Ein Teilprojekt untersuchte den deutschen und französischen Migrationsdiskurs anhand einer inhaltsanalytischen Auswertung deutscher und französischer Tageszeitungen und Wochenzeitschriften.
In diesem Zusammenhang setzte sich die Forschungsgruppe auch mit der sogenannten "affaire du foulard" auseinander, der "Kopftuch-Affäre", die vor einigen Jahren in Frankreich zu einer nationalen Debatte über die Integration der muslimischen Einwanderer und die Identität Frankreichs wurde. Im September 1989 hatten sich drei muslimische Mädchen maghrebinischer Herkunft geweigert, ihre Kopftücher in der Schule abzulegen. Dieses Verhalten wurde als ein Verstoß gegen das Prinzip des laizistischen Staates gedeutet, das jede religiöse Bekundung in einer öffentlichen Schule verbietet. Die drei Mädchen wurden daraufhin vom Rektor der Schule vom Unterricht ausgeschlossen. Die Analyse der Rezeption dieser Vorfälle hat gezeigt, daß dem Kopftuch eine große Bedeutung beigemessen wird. Es gilt als ein Symbol für einen fundamentalistischen Islam, der das Recht auf individuelle Freiheit negierte und sich von der "westlichen Kultur" abgrenze. Mit dem Tragen des Kopftuchs ließen muslimische Frauen und Mädchen ihre mangelnde Bereitschaft zur Integration in die westlichen Gesellschaft erkennen - so der Tenor der untersuchten französischen Presse.
Der Verlauf der französischen Debatte deutet auf das Konfliktpotential hin, das in der Auseinandersetzung um diese Frage liegt. Die Konstruktion eines zwingenden Zusammenhangs zwischen dem Kopftuch einer Muslimin und ihrer Nähe zu fundamentalistischen Strömungen im Islam hat eine fatale Signalwirkung. Die politische Botschaft lautet: Islam und französische beziehungsweise deutsche Kultur seien nicht miteinander vereinbar und lägen nahezu zwangsläufig miteinander in Konflikt. Das Beispiel Frankreichs zeigt uns, daß diese Sichtweise und die aus ihr erwachsenen Entscheidungen zu einer weiteren Ausgrenzung der muslimischen Einwanderer aus den westlichen Einwanderungsgesellschaften führen können.
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes sind in der Reihe "Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialwissenschaften (ISW)" erschienen und können über das Institut für Sozialwissenschaften der Technischen Universität Braunschweig, Wendenring 1, 38106 Braunschweig, zum Selbstkostenpreis bezogen werden. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang der Endbericht (Gambe, Annabelle / Hummel, Hartwig / Menzel, Ulrich / Wehrhöfer, Birgit: "Kampf der Kulturen" in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen? Forschungsberichte des ISW, Nr. 24, Braunschweig 1998, 95 S.) und die Untersuchungen zum französischen und deutschen Migrationsdiskurs (Wehrhöfer, Birgit: Der französische Migrationsdiskurs als Beitrag zur ethnischen Grenzziehung Europas, Forschungsberichte des ISW, Nr. 17, Braunschweig 1997, 87 S., sowie Wehrhöfer, Birgit: Das Ende der Gemütlichkeit. Ethnisierung im deutschen Migrationsdiskurs nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes, Forschungsberichte des ISW Nr. 23, Braunschweig 1997, 121 S.).
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts stehen als "Resource persons" für weitere Fragen zur Verfügung.
Tel.: 0531/391-2305,-2310, Fax: -8211,
E-Mail: ulrich.menzel@tu-bs.de.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Philosophie / Ethik, Politik, Recht, Religion
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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