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22.07.1998 00:00

Ziegen als Landschaftspfleger

Gerhard Schmuecker Hochschulkommunikation
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen

    - Praxisseminar an der Fachhochschule Nürtingen -

    NÜRTINGEN. (eda) Unter welchen Bedingungen ist der Einsatz von Ziegen in der Landschaftspflege sinnvoll? Wie kann die Offenhaltung typischer Kulturlandschaften durch die Pflegeleistung der Ziegen dauerhaft gesichert werden? So lauteten zusammengefaßt die Kernfragen, die am 16.7.1998 von Ziegenhaltern und Vertretern der Landschaftspflege im Landschaftspflegehof Jungborn der Fachhochschule Nürtingen diskutiert wurden. Die Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg hatte in Zusammenarbeit mit den Bezirksstellen für Landschaftspflege Stuttgart und Tübingen, der Fachhochschule Nürtingen und dem Naturschutzzentrum Schopflocher Alb zum Thema "Ziegen in der Landschaftspflege" geladen.

    Wolfgang Lissak vom Naturschutzzentrum Schopflocher Alb betonte in seiner Einführungsrede die wachsende Bedeutung der Ziegen zur Erhaltung vor allem steiler und trockener Magerrasenstandorte in Baden-Württemberg. Landschaften wie die Wacholderheiden der Schwäbischen Alb oder die nährstoffarmen Rasenflächen des Schwarzwaldes verdanken ihre Existenz der Beweidung. Schafe, denen bisher die hauptsächliche Rolle für den Erhalt dieser Biotope zukam, stoßen dort an ihre Grenzen, wo die Verbuschung, das heißt das Aufkommen von Gehölzen, auf den Flächen schon stark fortgeschritten ist. Mit Ziegen, die auch Büsche und Sträucher verbeißen, kann die Verbuschung oft ohne den Einsatz mechanischer Hilfsmittel gebremst werden.

    Über die Bedeutung der Ziegenhaltung in Baden-Württemberg informierte Prof. Dr. Hermann Trautwein, Vorsitzender der Ziegenzuchtverbände Baden-Württemberg und Deutschland. Die Ziege habe sich heute vom einstmals negativen Image als "Kuh des kleinen Mannes" und "Kost armer Leute" gelöst. Es gibt wieder ca. 28.000 Ziegen in Baden-Württemberg - mit steigender Tendenz. Vor allem der Absatz an heimischem Ziegenkäse habe hierzu beigetragen, der Verkauf von Ziegenfleisch sei aber weiterhin ein Problem. Die "Biowelle", Begrenzungen in der Kuhmilchproduktion und der vermehrte Einsatz von Ziegen in der Landschaftspflege lassen jedoch auf eine wachsende Bedeutung der Ziegenhaltung hoffen.

    Die Vorteile und Grenzen des Einsatzes von Ziegen in der Landschaftspflege wurden von Prof. Dr. Stanislaus von Korn beleuchtet. Ziegen seien als typische "Mischfresser" wie keine andere Tierart geeignet, auf Flächen zu weiden, die zur Verbuschung neigen. Im Landschaftspflegehof Jungborn der Fachhochschule Nürtingen werden auf verschiedenen Versuchsflächen Fleischziegen gehalten. Im Rahmen des Forschungsprojektes "Einsatz von Ziegen in der Landschaftspflege" werden Richtlinien zum optimalen Pflegeeinsatz von Ziegen erarbeitet. Frank Lamprecht, Absolvent des Studi-enganges Agrarwirtschaft, analysiert dazu Ziegenprojekte in ganz Südwestdeutschland - die Ergebnisse sollen Ziegenhaltern, Gemeinden, Naturschutzbehörden und -verbänden zur Verfügung stehen. Ziegen seien optimal auf Flächen mit einem Gehölzaufwuchs zwischen 30 und 60 % zu halten. Witterungsschutz, kurze Beweidungszeiten mit hohen Viehdichten und eine mobile, ausreichend sichere Umzäunung gelten als Voraussetzung, die Leistungsfähigkeit der Tiere dauerhaft zu erhalten und gute Ergebnisse in der Landschaftspflege zu erzielen.

    Rainer Ressel von der Bezirksstelle für Naturschutz in Tübingen berichtete über die Ziegenhaltung im "Entwicklungsprojekt Kalkmagerrasen Münsinger Alb". Ziel des Projekts ist der Erhalt der Halbtrockenrasen im Raum Münsingen und im Tal der Großen Lauter. Da viele der Wacholderheiden "inzwischen in desolatem Zustand" seien, könnten sie mit Schafen nicht mehr "ohne riesigen Aufwand" beweidet werden. Auf sehr stark verbuschten Heiden im Lautertal werden daher Ziegen gehalten. Bereits nach einem Jahr Versuchsdauer zeigen sich erste Erfolge.

    Mit "Erfahrungen aus jahrzehntelanger Ziegenbeweidung im Schwarzwald" konnte Johann Zückert vom Amt für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur Lörrach aufwarten. In seinem Vortrag berichtete er von Landschaftspflegeversuchen mit Ziegen im südlichen Schwarzwald, die schon seit den 70er Jahren laufen.

    Auch die Bedeutung der Ziegenbeweidung für den Arten- und Biotopschutz wurde beleuchtet. Dr. Bernd Seitz von der Bezirksstelle für Naturschutz in Freiburg referierte über die Auswirkungen der extensiven Beweidung auf die Zusammensetzung der Pflanzenwelt der beweideten Flächen. Erfreulicherweise war bei Versuchen auch in der Nähe der Unterstände der Ziegen nur ein geringer Rückgang der Artenzahlen bei den Blütenpflanzen zu verzeichnen. Seitz betonte jedoch, daß, zumindest für den Erhalt der typischen Weidfelder im Schwarzwald, die traditionelle Beweidung mit leichten Rinderrassen besser geeignet sei. Die Ziegen seien insbesondere zur Erstpflege und zur Bekämpfung von austreibenden Gehölzen zusätzlich zu den Rindern einzusetzen.

    Prof. Dr. Stanislaus von Korn machte deutlich, daß "die Landschaftspflege mit Ziegen wahrscheinlich nur dann dauerhaft bedeutungsvoll" sein werde, "wenn sie mit geringen Kosten" erfolge. Und: "Geringe Kosten werden wir nur dann erreichen, wenn es eine funktionierende Vermarktung gibt." Auf Verbraucherseite sei eine verstärkte Aufklärung über das Produkt Ziegenlammfleisch nötig. Objektive und ideelle Qualitätskriterien müßten werbewirksam aufbereitet werden. Um Impulse zur Förderung des Absatzes von Ziegenlammfleisch zu setzen, hat die Fachhochschule Nürtingen im Rahmen des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt finanzierten Forschungsprojekts bereits verschiedene Aktionen gestartet: Von Korn konnte eine noch druckfrische Info-Broschüre der Fachhochschule vorstellen für deren Finanzierung bereits Sponsoren in Aussicht sind. Für die Zukunft seien weitere Aktionen zu Marktbelebung wie ein "Präsentationsessen" für Führungspersonen aus Landwirtschaft, Wirtschaft und Naturschutz und die Förderung der Zusammenarbeit mit dem Handel geplant.
    Ein beispielhaftes Projekt der überbetrieblichen Vermarktung konnte schließlich Stefan Gauss vorstellen. Im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Fachhochschule Nürtingen hatte er die Erzeugergemeinschaft "ARGE Steirisches Kitzfleisch" zur Förderung der gemeinsamen Vermarktung von Ziegenprodukten in Österreich untersucht. Gauss und auch von Korn betonten, daß die Kombination aus Direktvermarktung und Versorgung des Handels über Erzeugergemeinschaften auch für den süddeutschen Raum eine Chance zu einer dauerhaft tragfähigen Ziegenhaltung sein könne.
    Beim Mittagessen konnten sich die Seminarteilnehmer von der Qualität des Ziegenlammfleisches - dem zarten, fettarmen Fleisch und dem feinen Aroma - überzeugen.

    Den Abschluß der Veranstaltung bildete eine Exkursion zu den Versuchsflächen der Fachhochschule am südlichen Teckberg bei Owen. Eine Fleischziegenherde der Fachhochschule befreit hier die stark verbuschten Heideflächen von Gehölzen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der von Wacholderheiden geprägten Landschaft der Schwäbischen Alb.

    Nürtingen, 20.7.1998, Elke Dagenbach


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Tier / Land / Forst
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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