idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Gemeinsame Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG)
Beim Pseudotumor cerebri verbessert die sechsmonatige Behandlung mit Acetazolamid in einer mittleren Dosis von 2,5 Gramm im Vergleich mit Placebo das Gesichtsfeld sowie das Ausmaß der Stauungspapille und führt zu einer höheren Gewichtsabnahme. Das zeigen die Ergebnisse einer Studie, die jetzt im JAMA erschienen ist.
„Es ist die erste und damit auch die wichtigste Studie zum Einsatz von Acetazolamid bei Patienten mit Pseudotumor cerebri“, kommentiert Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und Leiter der Klinik für Neurologie am Uniklinikum Essen. „Acetazolamid wird schon lange zur Behandlung der idiopathischen intrakraniellen Hypertension eingesetzt und auch in allen Lehrbüchern aufgeführt. Es ist aber gut, dass dafür jetzt auch ein wissenschaftlicher Beleg erbracht wurde“, betont Prof. Dr. med. Andreas Straube von der Neurologischen Klinik der Universität München, Klinikum Großhadern, und Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG).
Der Pseudotumor cerebri (auch: idiopathische intrakranielle Hypertension), von dem vor allem übergewichtige Frauen im gebärfähigen Alter betroffen sind, geht mit Visusminderung, Gesichtsfeldeinschränkungen, Stauungspapillen, Tinnitus und Kopfschmerzen einher. Beweisendes diagnostisches Kriterium ist ein erhöhter Liquordruck bei der Liquorpunktion. Die Carboanhydrasehemmer Topiramat und Acetazolamid werden bei idiopathischer intrakranieller Hypertension zwar seit Langem eingesetzt – jedoch fehlte bislang eine gute wissenschaftliche Evidenz. Die liefert jetzt eine Arbeitsgruppe in den USA um Dr. Michael Wall von der University of Iowa nach. Finanziert durch das National Eye Institute (NEI) der Vereinigten Staaten führte das NORDIC Idiopathic Intracranial Hypertension Study Group Writing Committee zwischen März 2010 und November 2012 eine multizentrische, Placebo-kontrollierte und doppeltverblindete Studie durch.
Eingeschlossen wurden 165 Patienten mit einer mittleren perimetrischen Abweichung der Lichtunterschiedsempfindlichkeit von -2 bis -7 dB, das mittlere Alter lag bei 29 Jahren. Alle Patienten nahmen an einem Gewichtsreduktionsprogramm mit dem Fokus auf natriumarmer Ernährung teil. 86 Patienten begannen eine Acetazolamid-Therapie mit 2-mal 500 mg. Die geplante Höchstdosis war 4 Gramm pro Tag, die mittlere Dosis lag bei 2,5 Gramm. Die anderen Patienten (n=79) erhielten das Placebo-Präparat. Die Behandlungsdauer erstreckte sich über 6 Monate. Primärer Endpunkt war eine Änderung des Gesichtsfeldes nach 6 Monaten. Sekundäre Endpunkte waren das Ausmaß der Stauungspapille, die Lebensqualität bei eingeschränkter Sehfunktion (VFQ-25), die Intensität der Kopfschmerzen und das Körpergewicht.
In der Medikamentengruppe kam es zu einer signifikanten Verbesserung des Gesichtsfeldes mit 1,43 dB nach 6 Monaten. Es zeigten sich auch statistisch signifikante Besserungen beim Ausmaß der Stauungspapille und beim VFQ-25. Die Patienten der Verum-Gruppe nahmen im Durchschnitt 7,5 kg ab, die in der Placebo-Gruppe 3,45 kg. Die Reduktion der Kopfschmerzintensität war statistisch nicht signifikant. „Ob zwischen den Gruppen oder zur Baseline – da bleibt diese Arbeit unklar“, kritisiert Straube.
„Bei den meisten Patienten waren das Ausmaß der Stauungspapille und die Einschränkung der Gesichtsfeldfunktion relativ gering, sodass dramatische Therapieeffekte nicht zu erwarten waren“, so Diener. „Auch bei Patienten, bei denen der Liquordruck wiederholt gemessen wurde, fand sich eine ausgeprägtere Reduktion des Drucks in der Verum-Gruppe“, erklärt Straube. „Beruhigend ist, dass auch fast alle sekundären Endpunkte durch Acetazolamid positiv beeinflusst wurden und sich von Placebo unterschieden“, kommentiert Hans-Christoph Diener.
Interessant sei, dass es bei den Patienten unter Acetazolamid und Gewichtsreduktionsprogramm zu einem höheren Gewichtsverlust kam als unter Placebo und Gewichtsreduktion – was zum Therapieeffekt beigetragen haben dürfte. Bezüglich der Nebenwirkungen gab es keine Überraschungen, da Acetazolamid bekanntlich zu Übelkeit, Durchfall, Geschmacksstörungen, Müdigkeit und Kribbelparästhesien führen kann. „Einschränkend muss gesagt werden, dass 20 Prozent der Patienten aufgrund von Übelkeit die Studie vorzeitig abbrachen“, so Straube. „Wünschenswert wäre jetzt eine weitere randomisierte Placebo-kontrollierte Studie zum Einsatz von Topiramat“, schließt Diener.
Fachlicher Kontakt bei Rückfragen
Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener
Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)
Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen
Hufelandstr. 55, 45122 Essen
Tel.: +49 (0)201 7232460, Fax: +49 (0)201 7235901
E-Mail: hans.diener@uk-essen.de
Prof. Dr. med. Andreas Straube
Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG)
Klinikum Großhadern, Neurologische Klinik der Universität München
Marchioninistr. 15, 83177 München
Tel.: +49 (0)89 7095 3900
E-Mail: andreas.straube@med.uni-muenchen.de
Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)
Tel.: +49 (0)89 461486-22, Fax: 089 461486-25
E-Mail: presse@dgn.org
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
sieht sich als neurologische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren mehr als 7500 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist seit 2008 die Bundeshauptstadt Berlin.
http://www.dgn.org
1. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Martin Grond
2. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Wolfgang H. Oertel
3. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Ralf Gold
Geschäftsführer: Dr. rer. nat. Thomas Thiekötter
Geschäftsstelle
Reinhardtstr. 27 C, 10117 Berlin, Tel.: +49 (0) 30 531437930, E-Mail: info@dgn.org
http://www.dgn.org - Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)
http://www.dmkg - Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG)
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24756514 - Studie in JAMA 2014; DOI:10.1001/jama.2014.3312
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).