idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
20.05.2014 09:44

Die Frau kommt mehrfach zu kurz, wenn der Mann zu früh kommt

Nathalie Huber Kommunikation
Universität Zürich

    Rund ein Drittel aller Männer leidet unter vorzeitigem Samenerguss. Für die Mehrheit der Frauen ist aber weniger der verkürzte und höhepunktslose Liebesakt frustrierend. Eine Sexualforscherin der Universität Zürich zeigt: Sind Männer zu stark auf die Kontrolle des Samenergusses fokussiert, ignorieren sie die sexuellen Bedürfnisse der Frauen und können nicht auf deren individuellen Wünsche eingehen, was die Partnerschaft erheblich gefährden kann.

    Der vorzeitige Samenerguss ist eine der häufigsten Sexualstörungen bei Männern. Unter dieser leiden aber nicht nur Männer, sie führt auch bei Frauen zu einem erhöhten Leidensdruck und Stress, wie die aktuelle Umfrage zeigt, die Andrea Burri, Klinische Psychologin an der Universität Zürich, durchgeführt hat. Rund 40 Prozent der über 1’500 befragten Frauen aus Mexiko, Italien und Südkorea gaben an, dass die Ejakulationskontrolle sehr wichtig für befriedigenden Geschlechtsverkehr sei. Nicht die kurze Zeitdauer des Liebesaktes wird in erster Linie von der Mehrheit der Frauen als Hauptquelle des sexuellen Frustes angesehen, sondern der Umstand, dass der Mann zu stark auf das Hinauszögern des Samenergusses fokussiert ist. Dadurch ignoriert er die sonstigen sexuellen Bedürfnisse der Frau und kann nicht auf ihre individuellen Wünsche eingehen.

    Frauen, die selten zum Höhepunkt kommen, leiden mehr
    Für die Mehrheit der befragten Frauen besteht erfüllende Sexualität nicht nur aus Geschlechtsverkehr, sondern umfasst auch Küssen, Streicheln sowie andere Formen von sexueller Stimulation, die als ebenso wichtig für eine befriedigende Sexualität erachtet werden. Wenn der Mann hauptsächlich mit seinem Problem, dem vorzeitigen Samenerguss und damit seiner Leistung, beschäftigt ist, gehen diese Bedürfnisse unter. Der Geschlechtsverkehr richtet sich zunehmend nach der Zeit und nicht nach dem «wie mögen wir es und was tut uns gut». «Auf Dauer ist die Frau verzweifelt und frustriert. Ähnlich wie der Mann vermeidet auch sie aus Furcht vor einer Zurückweisung und der daraus resultierenden Verletzung der eigenen Sexualität zunehmend den sexuellen Kontakt», erklärt die Sexualforscherin Andrea Burri. Die Frau büsse damit an Lebensqualität ein und stelle letztlich die Partnerschaft in Frage.

    Dabei leiden vor allem jene Frauen unter der einseitigen Aufmerksamkeit des Mannes, die nicht den Geschlechtsverkehr als zentralen Aspekt der Sexualität empfinden, sondern eher die sexuelle Kreativität in den Vordergrund stellen. «Interessanterweise ist eine lange Koitusdauer vor allem für die Frauen wichtig, die keine Mühe haben zum Höhepunkt zu kommen», so Andrea Burri. Für jene Frauen, die selten oder gar nie zum Orgasmus kommen, sei die Koitusdauer nicht zentral. Viel mehr diene hier der sexuelle Akt dem Aufbau und Erleben von Intimität und Bindung. Der vorzeitige Samenerguss wird von den Frauen zwar ebenfalls als belastend erlebt, die verkürzte Dauer jedoch als weniger problematisch empfunden als die Unaufmerksamkeit des Partners auf die restlichen sexuellen Bedürfnisse.

    Die Umfrage zeigt, dass aufgrund der psychischen Belastung und des angestauten Frusts der Frau eine im Grunde harmonische Beziehung häufig mit einer Trennung endet. Ein Grossteil der Frauen gab an, in früheren Beziehungen mit Partnern, die unter keinem sexuellen Problem litten, bedeutend zufriedener gewesen zu sein. Dies hing hauptsächlich damit zusammen, dass das Problem des vorzeitigen Samenergusses in der aktuellen Beziehung zu stark gewichtet worden sei. Darüber hinaus kam es bei einem Viertel der Umfrageteilnehmerinnen in der Vergangenheit bereits zum Bruch der Partnerschaft aufgrund dieses sexuellen Problems. «Denn die Konsequenzen sind oftmals weitreichender als die blosse sexuelle Unzufriedenheit, da es in Extremfällen eine Bedrohung für den Kinderwunsch bedeutet, wenn der Mann schon vor dem eigentlichen Geschlechtsverkehr ejakuliert», schliesst Andrea Burri.


    Literatur:
    Andrea Burri, François Giuliano, Chris McMahon, and Hartmut Porst. Female partner’s perception of premature ejaculation and its impact on relationship breakups, relationship quality, and sexual satisfaction. The Journal of Sexual Medicine. April 29, 2014. doi: 10.1111/jsm.12551

    Umfrage
    Um maximale kulturelle Unterschiede erfassen zu können, wurden die Umfrageteilnehmerinnen aus den drei Ländern Mexiko, Italien und Südkorea ausgesucht. Die Untersuchung dieser kulturellen Unterschiede ist Gegenstand zukünftiger Forschung. Die Daten wurden vom Marktforschungsinstitut GfK erhoben.


    Vorzeitiger Samenerguss («Ejaculatio Praecox»)

    Definition (gemäss American Psychiatric Association)
    «Dauerhaft oder wiederkehrend auftretende Ejakulation bei minimaler sexueller Stimulation vor oder kurz nach dem Eindringen in die Vagina und bevor die Person es wünscht»

    Häufigkeit
    Die Häufigkeit ist definitions- und stichprobenabhängig. Weltweit leiden etwa 30 Prozent der Männer darunter, wobei es starke regionale und geographische Unterschiede gibt.

    Wer ist davon betroffen?
    Ein vorzeitiger Samenerguss kann bei geschlechtsreifen Männern aller Altersstufen auftreten.

    Ursachen
    Ein vorzeitiger Samenerguss kann verschiedene Ursachen haben, die bislang nicht hinreichend geklärt worden sind. Neben psychischen und medizinischen Ursachen, beispielsweise einschränkende Sexualerziehung, unrealistische Vorstellung von Sexualität, Versagensangst, Erektionsprobleme, körperliche Erkrankungen, gibt es auch neurophysiologische Gründe wie beispielsweise penile Sensitivität.

    Was tun?
    Zur Therapie können je nach Ursache physische, medikamentöse oder psychotherapeutische Therapieansätze infrage kommen. Dabei ist es bei der Psychotherapie von Vorteil, wenn sich die Partnerin am Gespräch beteiligt und sich in die Therapie einbezieht.


    Kontakt:
    Dr. sc. Andrea Burri
    Klinische Psychologie
    Universität Zürich
    Tel. +41 44 635 74 97
    E-Mail: a.burri@psychologie.uzh.ch


    Weitere Informationen:

    http://www.mediadesk.uzh.ch


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Gesellschaft, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).