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23.05.2014 08:52

Notwehr ist nicht immer Notwehr

Ingrid Rieck Presse- und Kommunikationsstelle
Universität Rostock

    Rostocker Jurist setzt sich mit Abwehrprovokation auseinander

    Ist Notwehr ein Verbrechen? „Klares Nein“, sagt Marc Reinhardt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht der Juristischen Fakultät der Universität Rostock. „Es gibt keinen Grund, bei einem Angriff zu fliehen“, betont der 27-Jährige „Wenn ich angegriffen werde, darf ich mich verteidigen“. Es ist einem Angegriffenen grundsätzlich gestattet, sich mit Gewalt zu wehren, selbst wenn ihm eine Flucht möglich wäre. Allerdings ist der Grat zwischen einer Rechtfertigung der Verteidigung und einer Strafbarkeit des Opfers wegen der Überschreitung der Notwehr oftmals sehr schmal. Marc Reinhardt sieht ein weiteres Problem: Die Wahrnehmung des Notwehrrechts in der Bevölkerung entspricht nicht immer der tatsächlichen Gesetzeslage.

    Ein Beispiel: In der Disco kommt unvermittelt ein Mittdreißigjähriger auf einen 20-Jährigen zu und holt zum Faustschlag aus. Blitzschnell erkennt der Jüngere die Situation und wehrt den Angreifer durch einen Judowurf ab. „Der junge Mann hat nichts falsch gemacht. Er hat ein Recht auf Verteidigung“, sagt Marc Reinhardt. „Die Situation könnte allerdings anders zu beurteilen sein, wenn jemand in Erwartung eines Angriffs beispielsweise Messer, Pfefferspray oder eine Pistole bereit hält und diese dann in einer Notwehrlage einsetzt“, stellt der Jurist klar. Über dieses Thema, also die „Abwehrprovokation“, schreibt Marc Reinhardt seine Doktorarbeit. Und genau unter dem Stichwort „Abwehrprovokation“ wird in Deutschland eine „sozialethische Einschränkung“ des Notwehrrechts diskutiert.

    Marc Reinhardt beobachtet in jüngster Zeit die Tendenz in der Lehre, aber auch gelegentlich in der Rechtsprechung, dass das Notwehrrecht des Bürgers zunehmend eingeschränkt wird. Gerichte würden in einigen Fällen Abwehrbefugnisse nicht anerkennen. „Ich will mit meiner Doktorarbeit den Nachweis erbringen, dass es in Fällen der ‚Abwehrprovokation‘ zum einen keinen Bedarf zur Notwehreinschränkung gibt und zum anderen dafür derzeitig eine gesetzliche Grundlage fehlt“. Aus Sicht des Rostocker Wissenschaftlers bedarf es allerdings ebenfalls keiner gesetzlichen Neureglung. „Darüber müssen sich einige Juristen und gleichfalls Gerichte klar werden“, spricht der junge Rechtswissenschaftler Klartext.

    Einige Wissenschaftler befürworten in den Fällen der „Abwehrprovokation“ jedoch eine Einschränkung des Notwehrrechts dahingehend, dass der Angegriffene zunächst die Pflicht habe, zu fliehen und somit auszuweichen. Sei das allerdings nicht gefahrlos möglich, so dürfe der Angegriffene von „Schutzwehr“ Gebrauch machen, also mit einem Schlag parieren oder die Hände zur Abwehr heben. Führe auch das nicht zum Ende des Angriffs, so darf das Opfer „Trutzwehr“ üben, was soviel heißt, das Opfer darf sich erst jetzt mit all ihm zur Verfügung stehenden Mitteln wehren.
    Widerspricht das aber nicht dem Grundgedanken des Notwehrrechts? „Ja“, stellt Marc Reinhardt fest. Seine Argumentation: „Es gibt keine Pflicht zur Flucht, außerdem verlässt der Angreifer als erster den Boden des Rechts“. Wer sich auf einen Angriff vorbereite, mache nichts Unerlaubtes. Die vorbereitete Verteidigung könne nicht zu einer Notwehreinschränkung und damit ggf. zu einer Strafbarkeit des eigentlichen Opfers führen. (Text: Wolfgang Thiel)

    Universität Rostock
    Juristische Fakultät
    Marc Reinhardt
    Tel: 0381 498 8276
    Mail: marc.reinhardt@uni-rostock.de


    Bilder

    Marc Reinhardt
    Marc Reinhardt
    (Foto: privat)
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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