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Wissenschaft
Bochumer Forscher trauern um die Crew der Columbia. An Bord war auch das biologische Experimentiersystem C.E.B.A.S. (Closed Equilibrated Biological Aquatic System) auf seinem letzten Flug ins All, um die Funktionsfähigkeit des künstlichen Ökosystems abermals zu bestätigen. "Die Wissenschaft und persönliche Erfolgserwartungen schrumpfen zur Nichtigkeit gegenüber dem Verlust von sieben Menschenleben und dem Leid der Familien und Angehörigen", sagt RUB-Biologe Prof. Volker Blüm.
Bochum, 05.02.2003
Nr. 29
"Warten aufs Shuttle ..."
Bochumer Forscher trauern um "Columbia-Crew"
Letzter Weltraumflug des C.E.B.A.S.-MINI-MODULS
"Warten aufs Shuttle - mit besten Prognosen für das mitgeführte Biologische Experimentiersystem C.E.B.A.S." Diese Nachricht des Piloten der STS-107 Mission der Raumfähre Columbia erreichte den Bochumer Biologen Prof. Dr. Volker Blüm noch am 1. Februar, um 8.30 KSC-Ortszeit (Kennedy Space Center, Florida), über eine Email einer seiner Mitarbeiterinnen vor Ort. Blüm und sein Forscherteam hatten das geschlossene künstliche aquatische Ökosystem C.E.B.A.S über fast zwei Jahrzehnte hinweg entwickelt, das nun von seiner dritten Weltraummission zurück erwartet wurde. Doch wenig später erhielt Blüm einen Anruf mit der Schreckensnachricht von der verunglückten Raumfähre. "Die Wissenschaft und persönliche Erfolgserwartungen schrumpfen zur Nichtigkeit gegenüber dem Verlust von sieben Menschenleben und dem Leid der Familien und Angehörigen. Meine und meiner Mitarbeiter Trauer und Respekt gilt allen diesen mutigen Menschen, die ihr Leben verloren, um der Wissenschaft und damit der Menschheit zu dienen", so der Bochumer Biologe.
Letzter Flug als "i-Punkt" des Programms
Der dritte Flug des C.E.B.A.S.-Mini-Moduls im Rahmen der STS-107-Mission sollte der abschließende "i-Punkt" des Programms sein, der noch offene Fragen klären und die Funktionsfähigkeit des künstlichen Ökosystems abermals bestätigen sollte. Weitere Spaceshuttle-Fluggelegenheiten standen nicht mehr in Aussicht. Für eine Nutzung in der Internationalen Raumstation eignete sich die Hardware nicht, auch wäre die "Standzeit" von maximal vier Wochen zu gering. Die Forscher wollten mit diesem Flug am Beispiel des Schwertträgers (lebendgebärender Fisch) die Embryonalentwicklung, die sexuelle Reifung, männliches Sexualverhalten und die Skelettentwicklung und Knochenstruktur untersuchen. Ein Projekt der Universität Stuttgart-Hoheheim befasste sich mit der Entwicklung des Innenohrs von Larven der Fischart Oreochromis mossambicus (Buntbarsch) und ein weiteres Projekt mit dem Immunsystem des Schwertträgers. Durch die mehr als zweijährige Startverschiebung der STS-107-Mission hatten alle beteiligten Wissenschaftler genug Zeit, diese Mission mehr als gründlich vorzubereiten und die Vergleichsbasis durch Bodenlaborexperimente erheblich zu erweitern. "Die Tests mit der Labor- und Flughardware machten uns sicher, auch diesmal erfolgreich zu sein", sagt Blüm.
Wertvolle Erkenntnisse in über einem Dutzend Projekten
Das von der Bremer Firma OHB auf der Basis der Bochumer Entwicklungsarbeit konstruierte C.E.B.A.S.-Mini-Modul stellt die Flughardware dar: Gesamtvolumen von ca. 8,3 Liter mit allen unten genannten Komponenten. Es ist in einem sog. Middeck-Locker untergebracht und weitgehend automatisiert. Der einzige Astronautenservice besteht im Wechseln von Videokassetten. Dieses Gerät flog mit der STS-89- und STS-90-Mission bereits zwei Mal erfolgreich in den Weltraum und bewies eindrucksvoll, dass die C.E.B.A.S.-Biotechnologie als realistische Basis zur Entwicklung aquatischer Lebenserhaltungssysteme für lunare oder planetare Basen tauglich ist. Mehr als ein Dutzend wissenschaftlicher Einzelprojekte aus den Bereichen Biomineralisation, Endokrinologie, Fortpflanzungsphysiologie, Immunologie, Mikrobiologie, Neurobiologie, Pflanzenphysiologie brachten eine Fülle von wertvollen Ergebnissen. "Ich denke, dass schon damit das C.E.B.A.S.-Projekt zu dem erfolgreichsten interdisziplinären Weltraum-Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften in Deutschland wurde", so Blüm.
Kompakt: Die Ziele des Projektes
Die wissenschaftlichen Ziele der C.E.B.A.S-Forschung gehen in zwei Richtungen. "Dieses Gerät als Modell für ein aquatisches bioregeneratives Lebenserhaltungssystem (BLSS) zu nutzen, in dem nur Organismen leben, sie seit Jahrmillionen an 'Beinahe-Schwerelosigkeit' angepasst sind, war für uns das wichtigste Anliegen", sagt Volker Blüm. Landnutzpflanzen zeigen unter Schwerelosigkeit Wachstumsstörungen und bilden nur selten Früchte. Außerdem bietet ein solches System die Möglichkeit, tierisches Protein unter reduzierter Schwerkraft in Aquakultur zu erzeugen. Das zweite Ziel war, mit C.E.B.A.S. eine Fülle von Fragestellungen über den Einfluss von Mikrogravitation auf aquatische Organismen zu erforschen.
C.E.B.A.S. - Ein System erhält sich selbst
An Bord der STS-107 Mission war das C.E.B.A.S. Mini-Modul, dessen umfangreiches wissenschaftliches Rahmenprogramm Prof. Dr. Blüm (Vergleichende Endokrinologie, Fakultät für Biologie) entwickelte, bis 1999 koordinierte und auch über seinen Ruhestand hinaus weiterführt. C.E.B.A.S. (Closed Equilibrated Biological Aquatic System) ist ein künstliches geschlossenes aquatisches Ökosystem, das aus einem Bioreaktor für wurzellose Wasserpflanzen, einem Aquarium für Wassertiere, einem Ammonium-oxidierenden Bakterienfilter und einer Mess-Regeleinheit besteht. Der "biologische Motor" des Gesamtsystems sind die Pflanzen, die im Prozess der Photosynthese Lichtenergie in chemische Energie (Kohlenhydrate) umwandeln und dabei Sauerstoff produzieren - was die Atmung der lebendgebärenden Fische (Xiphophophorus helleri, Schwertträger) und Wasserschnecken (Biomphalaria glabrata) im Aquarium ermöglicht. Das ausgeatmete Kohlendioxid benötigen die Pflanzen als Kohlenstoffquelle für die Photosynthese. Ammoniumhaltige Ausscheidungen der Tiere werden von den Bakterien in Nitrat-Ionen umgewandelt, die von den Pflanzen wiederum als Stickstoffquelle genutzt werden. So entsteht ein Stoffkreislauf, der das Gesamtsystem mit Hilfe der Mess-Regeleinheit stabilisiert. Sie hält die Temperatur bei 27°C und misst die Sauerstoffkonzentration im Wasser. Unterschreitet die Temperatur einen voreingestellten Minimalwert, wird ein Beleuchtungssystem im Pflanzenbioreaktor eingeschaltet, und die Pflanzen produzieren Sauerstoff. Wird eine ebenfalls vorgegebene Maximalkonzentration an Sauerstoff erreicht, dann schaltet sich das Licht automatisch aus. Den einzigen "Eingriff" in das sich sonst selbstregelnde System bildet der geschlossene Nahrungskreislauf: Die Tiere werden aus einem Futterautomaten versorgt.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Volker Blüm, E-Mail: volker@bluemnet.de
Dr. Frank Paris, Tierphysiologie, Fakultät für Biologie der RUB, Tel. 0234/32-24321, E-Mail: frank.paris@rub.de
RUBIN 1/97: "Forschung mit geschlossenen ökologischen Systemen", s. http://www.rub.de/rubin/rbin1_97/rubin2.htm
http://www.rub.de/rubin/rbin1_97/rubin2.htm
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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