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08.08.2014 16:27

Aktuelle Studie stützt „Thrombin Paradoxon“

Dr. Eva Maria Wellnitz Wissenschaftskommunikation der Medizinischen Fakultät
Universitätsmedizin Mannheim

    Potenziell schützender Einfluss des Gerinnungsfaktors vor Tod durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen

    Entgegen den allgemeinen Erwartungen konnten Wissenschaftler verschiedener universitärer Einrichtungen auf der Basis der Ludwigshafen Risk and Cardiovascular Health (LURIC)-Studie erstmals nachweisen, dass nicht ein höheres, sondern ein niedriges endogenes Thrombinpotenzial (ETP) mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse einhergeht. Die Studie mit mehr als 3.300 Patienten, die eine Angiographie der Herzkranzgefäße erhalten hatten und im Schnitt zehn Jahre nachbeobachtet wurden, ergab bei Patienten mit leicht erhöhtem endogenen Thrombinpotenzial die wenigsten kardiovaskulären Todesfälle.

    Die Ergebnisse der Arbeit von PD Dr. Jochen Schneider (Universitätsklinikum des Saarlandes und Luxembourg Centre for Systems Biomedicine, LCSB), Dr. Marcus Kleber und Prof. Dr. Winfried März (Universitätsmedizin Mannheim) sowie Prof. Dr. Berend Isermann (Universität Magdeburg) werden aktuell im International Journal of Cardiology veröffentlicht. Die Arbeit stützt Beobachtungen aus der Literatur, die dem Gerinnungsfaktor Thrombin eine duale Funktion zuordnen („Thrombin Paradoxon“). Demnach wirkt Thrombin zwar blutgerinnungsfördernd, indem es Blutplättchen und verschiedene Gerinnungsfaktoren aktiviert. Es könnte aber auch über seine Bindung an Thrombomodulin, das ein bedeutender Aktivator des zytoprotektiven und antikoagulatorischen Protein C ist und den arteriosklerotischen Prozess verlangsamt, die Zellen schützen.

    Zum Hintergrund: Die Arterienverkalkung, „Arteriosklerose“, ist die häufigste Ursache von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die so genannten Plaques, Ablagerungen aus Blutfetten, Bindegeweben oder Kalk, spielen dabei eine zentrale Rolle. Nicht allein weil sie die Gefäße verengen, sondern vor allem wenn instabile Plaques die Gefäße verletzen und damit die Blutgerinnung in Gang setzen. Denn dabei bildet sich ein Blutpfropf (Thrombus), der das Gefäß verschließen kann. Die Durchblutung wird unterbunden und das Gewebe stirbt ab, es kommt zum Infarkt. Die Aktivierung der Blutgerinnung im Rahmen von arteriosklerotischen Prozessen gilt daher gemeinhin als fatales Geschehen. Beim akuten Koronarsyndrom, dem Verschluss der Herzkranzgefäße, wird daher zügig eine gerinnungshemmende Behandlung eingeleitet, um einem Herzinfarkt entgegenzuwirken.

    Werden Blutgefäße verletzt, verhindert die Blutgerinnung das Verbluten, indem die Verletzung verschlossen wird. Das wichtigste Enzym ist dabei der Blutgerinnungsfaktor Thrombin, eine Serinprotease, die das lösliche und fadenförmige Fibrinogen zu Fibrin spaltet. Dieses polymerisiert zu einer netzförmigen Struktur, die wie Klebstoff wirkt und gemeinsam mit Thrombozyten den Thrombus bildet. Da Thrombin die Gerinnungskaskade triggert, liegt es nahe anzunehmen, dass ein höheres endogenes Thrombinpotenzial die Gefahr eines gefährlichen Thrombus erhöht.

    Überraschenderweise fanden die Wissenschaftler jedoch heraus, dass offenbar ein höheres endogenes Thrombinpotenzial eine schützende Wirkung vor kardiovaskulären Erkrankungen hat. Vor dem Hintergrund der Markteinführung von direkten Thrombininhibitoren sind diese Ergebnisse von besonderer Bedeutung. Thrombininhibitoren, die direkt die Wirkung von Thrombin aufheben, sind in erster Linie für den Einsatz zur Blutverdünnung bei venösen Erkrankungen wie der Thrombose oder zur Blutverdünnung bei Vorhofflimmern zugelassen. Die Substanzen sollen in der Anwendung einfacher zu handhaben sein als die langwirksame Gerinnungshemmung mit Vitamin K Antagonisten wie Phenprocoumon, dessen Effizienz durch regelmäßige Messungen der Gerinnungskapazität überwacht werden muss.

    „Unsere Ergebnisse zeigen in einem großen Patientenkollektiv, dass nicht etwa die niedrigste endogene Thrombinbildungskapazität, sondern leicht höhere Werte mit einem reduzierten kardiovaskulären Risiko einhergehen. Es scheint, dass eine gewisse endogene Thombinbildungskapazität gebraucht wird, um die schützenden Thrombineffekte nicht ganz auszuschalten“, so Jochen Schneider.

    Die Ergebnisse legen nahe, dass die Rolle von Thrombin bei kardiovaskulären Ereignissen komplexer ist als gemeinhin angenommen. „Eine direkte Thrombininhibition sollte daher in weiteren Studien aufmerksam beobachtet werden“, empfiehlt Dr. Marcus Kleber. „Angesichts der fortgesetzten Diskussion über neue direkte Thrombinantagonisten und aufgrund unserer Studiendaten könnte es durchaus sinnvoll sein, an der bislang praktizierten Therapie mit individualisiertem Monitoring festzuhalten, um die Sicherheit und Effektivität einer medikamentösen Blutgerinnungshemmenden Therapie zu gewährleisten.“

    Hintergrundinformationen
    Die LURIC-Studie rekrutierte in den Jahren von 1997 bis 2000 insgesamt 3.316 Patienten, die eine Koronarangiographie erhielten. Die Patienten wurden im Mittel knapp zehn Jahre lang nachbeobachtet. Das endogene Thrombinpotential wurde mittels einer speziellen Koagulationsmessstation gemessen. Die Überlebensanalysen wurden mittels Cox-Regression bestimmt, die Mittelwerte der unterschiedlichen endothelialen Marker und Entzündungsindikatoren wurden mit Varianzanalyse unter Berücksichtigung von bestimmten Kofaktoren ermittelt.

    Publikation
    Intermediate Thrombin Activation is Associated with Reduced Cardiovascular Death.
    Schneider J.G.* Isermann B.H. *, Kleber M. *, Winkelmann B., Boehm B., Grammer T., Prueller F., Nawroth P.P., Maerz W.
    (* authors contributed equally)
    International Journal of Cardiology,
    In Press, Published Online: July 15, 2014
    DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.ijcard.2014.07.026


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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