idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Der Mensch setzt viel zu oft Antibiotika ein, und darum werden krankheitserregende Bakterien immer widerstandsfähiger gegen diese Medikamente. Es gibt aber noch eine andere Ursache für die Resistenzbildung, wie Würzburger Infektionsforscher jetzt aufgedeckt haben.
Viele Infektionen, die früher den sicheren Tod bedeuteten, lassen sich heutzutage mit der Einnahme weniger Tabletten in der Regel schnell beseitigen. Das ist den Antibiotika zu verdanken. Umso beunruhigter sind Ärzte wie Patienten darüber, dass viele krankheitserregende Bakterien zunehmend resistent gegen Antibiotika werden.
Besonders problematisch ist das, wenn sich in Krankenhäusern Bakterien breit machen, die gleich gegen mehrere Antibiotika widerstandsfähig geworden sind: Diese Erreger können das Leben älterer und geschwächter Patienten bedrohen. Bisweilen findet man solche Bakterien in so genannten Biofilmen auf medizinischen Geräten oder Implantaten: Sie siedeln dort in größeren Kolonien in einer gemeinsamen Schutzhülle, die sie noch unempfindlicher gegen Medikamente macht.
Wie kommt es, dass Bakterien zunehmend resistent werden? „Weil sie zu oft mit Antibiotika in Kontakt kommen und Abwehrmechanismen entwickeln“, so die wissenschaftlich akzeptierte Erklärung. Resistenzen werden unter anderem darum begünstigt, weil Ärzte zu häufig und oft auch unbegründet Antibiotika verschreiben und weil die Mittel in der Massentierhaltung oft schon prophylaktisch unters Futter gemischt werden.
Konkurrenz zwischen Bakterien führt zu Resistenzen
Würzburger Forscher haben jetzt einen weiteren Weg entdeckt, auf dem Bakterien resistent werden können – und überraschenderweise spielen vom Menschen eingesetzte Antibiotika dabei überhaupt keine Rolle. „Resistenzen entstehen schon dann, wenn Bakterien in großer Zahl und auf engem Raum in Konkurrenz miteinander leben“, sagt Dr. Daniel Lopez vom Zentrum für Infektionsforschung der Universität Würzburg.
Die Wissenschaftler entdeckten das bei Experimenten mit Staphylococcus-aureus-Bakterien, die nicht gegen Antibiotika resistent sind. Sie hielten die Bakterien unter Bedingungen, wie sie in einem Biofilm herrschen, also viele Einzelindividuen auf engem Raum und mit einem begrenzten Angebot an Nährstoffen.
Im Biofilm kommt es zu einer kleinen Evolution
In dieser Umgebung treten die Staphylokokken in einen Konkurrenzkampf und durchlaufen sozusagen eine Evolution im Kleinen: Einzelne Bakterien, die aufgrund spontaner Mutationen plötzlich Antibiotika produzieren können, sind dabei im Vorteil. Sie halten die Konkurrenz auf Distanz und vermehren sich erfolgreicher. Dass Bakterien selbst Antibiotika herstellen, ist normal: Auch in der „freien Wildbahn“ nutzen sie diese Mittel, um sich gegen andere Bakterien durchzusetzen, und viele marktübliche Antibiotika leiten sich von bakteriellen Antibiotika ab.
Im Biofilm der Würzburger Forscher nahmen die Ausgangsbakterien diese Attacke nicht einfach so hin: Sie entwickelten wiederum Abwehrmaßnahmen gegen die Antibiotika, wurden also resistent. Schon nach fünf Tagen fanden sich im Biofilm deutlich unterscheidbar drei Bakteriengruppen: die „harmlosen“ Erstbakterien, die Antibiotika-Produzenten und die gegen Antibiotika resistente Gruppe. Das berichten die Würzburger Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts „Cell“.
Biofilme als Brutherde für Resistenzen
„Biofilme können also Brutherde für Resistenzen sein, ohne dass sie mit Antibiotika von außen in Kontakt kommen“, sagt Dr. Gudrun Koch, die maßgeblich an der Arbeit beteiligt war. Darum solle man auf die Vermeidung und Bekämpfung von Biofilmen in Krankenhäusern noch mehr Sorgfalt verwenden als bisher.
Als nächstes wollen die Würzburger Forscher weitere Details über die Vorgänge in Biofilmen herausfinden. Dabei interessiert sie vor allem, ob und wie sich die unheilvollen Prozesse der Resistenzbildung verhindern lassen.
“Evolution of Resistance to a Last-Resort Antibiotic in Staphylococcus aureus via Bacterial Competition”, Gudrun Koch, Ana Yepes, Konrad U. Förstner, Charlotte Wermser, Stephanie T. Stengel, Jennifer Modamio, Knut Ohlsen, Kevin R. Foster, and Daniel Lopez, Cell, Vol. 158, Issue 5, p1060–1071, 28. August 2014, DOI: 10.1016/j.cell.2014.06.046
Die Staphylokokken-Forschung von Daniel Lopez wird unter anderem mit einem Starting Grant des Europäischen Forschungsrates ERC gefördert. Lopez erhielt diese Auszeichnung 2013. Sie wird an exzellente Forscher vergeben und ist mit 1,5 Millionen Euro dotiert.
Kontakt
Dr. Daniel Lopez, Leiter der Nachwuchsgruppe „Bacterial Cell Differentiation“, Zentrum für Infektionsforschung, Universität Würzburg, T (0931) 31-83831, daniel.lopez@uni-wuerzburg.de
Hinweis für Journalisten / Redaktionen: Dr. Lopez spricht Spanisch und Englisch. Wer Erklärungen auf Deutsch benötigt, kann sich am Zentrum für Infektionsforschung an Gudrun Koch wenden, gudrun.koch@uni-wuerzburg.de, T (0931) 31-83831.
Zur Homepage von Daniel Lopez: http://www.imib-wuerzburg.de/research/lopez/group-leader
Aus einer Kolonie von Staphylococcus-aureus-Bakterien (Mitte, orange) entstehen Gruppen, die ein Ant ...
(Foto: Daniel Lopez)
None
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).