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29.08.2014 10:17

Bund fördert interfakultäres Verbundprojekt MENON zur Systemmedizin an der Universität Greifswald

Jan Meßerschmidt Presse- und Informationsstelle
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

    Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert ab August 2014 das Greifswalder Forschungsprojekt „MENON – Medizintheoretische, normative und ökonomische Evaluation der Systemmedizin“. Dafür werden in den kommenden drei Jahren mehr als eine halbe Millionen Euro bereitgestellt. In MENON arbeiten Wissenschaftler der Universitätsmedizin, der Theologischen Fakultät sowie der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät zusammen. Verbundkoordinator des Vorhabens ist Dr. Martin Langanke, M.A., vom Lehrstuhl für Systematische Theologie der Theologischen Fakultät.

    Die Systemmedizin stellt einen neuen, IT-getriebenen Ansatz in der biomedizinischen Forschung dar. Dabei können zwei Richtungen systemmedizinscher Forschung unterschieden werden: Zur Systemmedizin im engeren Sinn gehören grundlagenorientierte Untersuchungen zur bioinformatischen und systembiologischen Modellierung von Entstehungsprozessen komplexer Erkrankungen. Zur Systemmedizin im weiteren Sinn zählen auch Ansätze, die die medizininformatische Integration großer Datenmengen in die Patientenversorgung zum Ziel haben. Gerade die zweite Spielart der Systemmedizin schließt dabei an Entwicklungen auf dem Feld der Individualisierten Medizin an, deren Etablierung am Standort Greifswald seit 2009 im Rahmen des Konsortiums „GANI_MED – Greifswald Approach to Individualized Medicine“ vorbereitet wird.

    Mit Blick auf beide Richtungen der Systemmedizin ergeben sich bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt theoretische, ethische und ökonomische Fragestellungen, deren Beantwortung fachübergreifende empirische und begriffliche Analysen zu Zielsetzungen, Basiskonzepten und Methoden der Systemmedizin zur Voraussetzung hat.

    Zunächst ist mit Herausforderungen zu rechnen, wenn im Zuge der Integration der Systemmedizin in die Versorgung so große Mengen von Patientendaten erzeugt werden, dass ein einzelner Arzt bei der Wahl der für seinen Patienten richtigen Diagnostik oder Therapie auf Algorithmen sowie rechnergestützte Support- und Auswertungssysteme angewiesen ist. Ein solcher Trend hin zu einer immer größeren Abhängigkeit der ärztlichen Entscheidungsfindung von Software-Tools und IT-Systemen würde sich noch verstärken, wenn im Rahmen der Systemmedizin statistische Informationen, zum Beispiel über Erkrankungsrisiken oder Therapiechancen für die Patientenversorgung weiter an Bedeutung gewinnen. Aus theoretischer und ethischer Perspektive ziehen beide Entwicklungen unter anderem Fragen im Hinblick auf die Rolle des Arztes und seiner Verantwortung nach sich: Wie könnte das Verhältnis zwischen einer gegebenenfalls automatisch generierten und wahrscheinlichkeitsbasierten Therapiewahlempfehlung und der erfahrungsgestützten Einschätzung des einzelnen Arztes so geregelt werden, dass zugleich auch bestimmten Erwartungen an das Arzt-Patienten-Verhältnis Rechnung getragen wird? Welche Chancen böte eine solche Entwicklung und wie ließe sie sich ethisch verantwortbar gestalten?

    Einen weiteren Problemkomplex im Zusammenhang mit der Nutzung großer Datenmengen im Rahmen einer medizinischen Behandlung stellen Zusatz- und Nebenbefunde dar. Darunter versteht man Befunde, nach denen nicht gezielt im Rahmen der Behandlung gesucht wurde, sondern die „zufällig“ mit erhoben wurden. Der Anteil solcher Zusatz- und Nebenbefunde könnte, wie aktuelle Entwicklungen in Genetik und Bildgebung bereits heute erkennen lassen, mit der Etablierung der Systemmedizin quantitativ und qualitativ dramatisch zunehmen. Daraus wiederum ergibt sich ethischer und ökonomischer Gestaltungsbedarf im Hinblick auf die Befunderhebung selbst sowie die Bewertung, Einordnung und Übermittlung von Zusatzbefunden an Patienten. In ethischer Perspektive müssen Fragen nach verantwortbaren Priorisierungskriterien und patientengerechten Kommunikationsprozessen sowie Fragen der Patientenaufklärung dringend beantwortet werden. Die Gesundheitsökonomik muss hingegen Herausforderungen in den Blick nehmen, die die Höhe der zu erwartenden Kosten, Erlöse und Nutzeneffekte der Systemmedizin, sowie die Abrechnungsfähigkeit der an Zusatzfunde anknüpfenden Behandlungen betreffen.

    Das Projekt MENON geht diesen beiden Fragekomplexen in drei Teilprojekten nach, die sich auf die drei beteiligten Fakultäten verteilen. Während Dr. Tobias Fischer von der Universitätsmedizin Greifswald die theoretischen Grundlagen und normativen Implikationen IT-gestützter Entscheidungsfindung in der Medizin erforscht, widmet sich Frau Dr. Pia Erdmann vom Lehrstuhl für Systematische Theologie dem Problem des ethisch verantwortbaren Umgangs mit Zusatz und Nebenbefunden im Rahmen der Systemmedizin. Ein Team um Prof. Dr. Steffen Fleßa, Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Gesundheitsmanagement, schließlich bearbeitet ökonomische Aspekte der Systemmedizin im Hinblick auf mögliche Kosten und Erlöse der an Zusatz- und Nebenbefunde anschließenden Behandlungen.

    Weitere Informationen
    Lehrstuhl für Systematische Theologie zum Forschungsbereich Ethik:
    http://www.theologie.uni-greifswald.de/sys/ethik.html

    Ansprechpartner an der Universität Greifswald
    Dr. Martin Langanke, M.A.
    Theologische Fakultät
    Lehrstuhl für Systematische Theologie
    Am Rubenowplatz 2/3, 17489 Greifswald
    Telefon 03834 86-2504
    Telefax 03834 86-2520
    langanke@uni-greifswald.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Medizin, Recht, Religion
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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