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06.03.2003 19:15

Leben in Afrika zwischen Dino und Homo: Fossilienfundstelle Mahenge ist so reich wie die Grube Messe

Dr. Edmund von Pechmann Hochschulkommunikation
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

PM 32/2003

Ein Ort namens Mahenge in Tanganyika hat einst traurige kaiserlich deutsche Ostafrika-Berühmtheit erlangt. Jetzt erlangt Mahenge in Tanzania durch den Zoologen und Paläontologen Privatdozent Dr. Thomas Kaiser eine Berühmtheit, die vielleicht diejenige der Fossilienfundstätte Messel bei Darmstadt überholen könnte. Von Juni bis August 2002 hat Thomas Kaiser im von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG geförderten Sub-Sahara-Palaeogene-Project (SSPP) bei einer Ausgrabungsexpedition in Mahenge unzählige fossile Überreste von längst ausgestorbenen Tieren und Pflanzen geborgen und mit modernster Computer- und GPS-Technik vor Ort dokumentiert.

Die Fundausbeute der SSPP-Expedition 2002 war riesig: 1869 fossile Tier- und Pflanzenreste kamen wieder an's Licht. Darunter sind 993 Fische, 698 pflanzliche Fossilien (Blätter, Früchte, Blüten und Samen) und 178 Objekte, die zu anderen Tiergruppen gehören (unter anderem Insekten, Spinnentiere, Schnecken, Frösche und Säugetiere). Die Fundschichten von Mahenge sind so überaus reich an Fossilien, daß selbst Bruchstücke von der Größe einer Kreditkarte noch vollständige Wirbeltierskelette enthalten können.Die geborgenen Fossilien füllen 22 Kisten und haben ein Gesamtgewicht von über 800 kg. So viele Fossilien sind im Eozän des südlichen Afrika noch nie zuvor entdeckt worden. 680 kg davon flogen mit Genehmigung zahlreicher tansanischer Regierungsstellen nach Greifswald, Berlin, Frankfurt und Göttingen. Dort, an den mit SSPP kooperierenden Forschungsinstituten und wissenschaftlichen Museen analysieren Wissenschaftler die spektakulären Leihgaben. Die Auswertearbeiten lassen viele Überraschungen erwarten.

Das SSPP führen die Universitäten Greifswald (Deutschland) und Dar-es-Salaam (Tansania) unter Beteiligung von Forschern aus der Paläontologie, Paläobotanik, Paläoökologie, Zoologie, Botanik, Geologie, Vulkanologie und Sedimentologie aus Berlin, Frankfurt/M., Göttingen, Houston (Texas, USA), Ann Arbour (Michigan, USA), New York (USA) und Washington (USA).

Die von Thomas Kaiser und seiner Gruppe ausgegrabenen 1869 fossilen Tiere und Pflanzen lebten im mittleren Eozän vor 48 Millionen Jahren - die Dinosaurier waren da seit mehr als 10 Millionen Jahren ausgestorben, die ersten Menschen kamen erst 40 Millionen Jahre später auf die Erde. Im Eozän entfalteten sich die Säugetiere, jener "Tiergruppe", zu der auch der Mensch gehört, allerdings gewaltig. Seit langem vermuten Forscher, daß sich vor mehr als 50 Millionen Jahren in Afrika viele Säugetiergruppen entwickelten. Die Lebensbedingungen in Afrika südlich der Sahara in dieser wichtigen Zeit waren unbekannt - bis zur Entdeckung von Mahenge konnte Afrika zur Beantwortung dieser Fragen nicht viel beitragen, denn es war nicht eine einzige Fundstelle bekannt, die Licht diese Zeit zwischen Dinos und frühen Menschen bringen konnte. Durch SSPP wird sich das ändern. Allerdings überraschend: zwischen Mahenge (bei der Entstehung ca. 20 Grad südlich des Äquators gelegen) und Messel (etwa 20 Grad nördlich) gibt es keine Ähnlichkeit.

Vor 48 Millionen Jahren stieg im Untergrund des Gebietes um das heutige Städtchen Singida glutflüssiges basisches Magma (Kimberlit) aus dem Erdmantel nach oben. Knapp unter der Erdoberfläche traf die Glut auf reichlich Grundwasser. Das Grundwasser verdampfte - nach einer gewaltigen Wasserdampfexplosion entstand in einem tiefen Krater, in dem sich ein runder blauer See von 400m Durchmesser im Urwald des eozänen Singida-Hochlandes bildete. Von ihm lebten zahlreiche Tiere; ihre Leichen von Tieren und die Reste von Pflanzen, die im See starben oder hineingelangt waren, wurden unversehrt in die langsam wachsenden Schichten der Kalke und Tone am Seegrund eingebettet.

Alle bislang in Mahenge identifizierten Tier und Pflanzenarten sind einzig von dort belegt. Fische sind in Mahenge häufig zu finden. Unter den Barschartigen sind die Buntbarsche/Cichliden (bekannt als beliebte Aquarienfische) von Mahenge die ältesten Fische dieser Tiergruppe, die man auf der Erde kennt. Vielleicht gab es - die Funde aus Mahenge deuten darauf hin - im Eozän entgegen den bisherigen Erwartungen bereits Artenkonzentrationen.

Im mittleren Eozän glich das Weltklima dem eines Treibhauses. Heute erfährt die Erde erneut die sich anbahnenden Auswirkungen eines sich stetig erwärmenden Erdklimas. "Wenn wir", so Thomas Kaiser, "verstehen wollen, welchen Einfluß solch extreme klimatische Bedingungen in Zukunft auf die Lebensgrundlage von Tieren und Pflanzen und letztlich auch auf die des Menschen haben werden, dann liefert uns die erdgeschichtliche Vergangenheit ein Klimaexperiment mit bekanntem Ausgang, aus dem wir viel für die Zukunft lernen können. Von unschätzbarem Wert ist hierbei die versunkene Tier- und Pflanzenwelt von Mahenge, denn sie erlaubt einen direkten Vergleich mit jener der mitteleozänen Seen der Nordhalbkugel wie Messel und Eckfeld in der Eifel.

Das Gebiet um Mahenge ist ein riesiges unwegsames Urwaldgebiet. Die einzige Straße die hierhin führt gleicht eher einem Feldweg, und ist nur in der Trokkenzeit befahrbar. SSPP hat im Zentrum des Kraters von Mahenge ein Forschungscamp aus Zelten und einfachen Hütten aufgebaut. Um die Fundschichten freizulegen, wurden mehr als 600 Tonnen Gestein von Hand abgebaut. Die SSPP Grabung ist daher sicherlich eine der größten paläontologischen Grabungen gewesen, die jemals in Tansania durchgeführt wurden. Bei SSPP waren bis zu 40 einheimische Mitarbeiter beschäftigt.

SSPP erfährt außer von der DFG Unterstützung durch die Sponsoringpartner Heraeus Kulzer in Dormagen, Carl Zeiss in Wetzlar und ZSP Geodätische Systeme in Jena.

Ein erster großer Bericht über Mahenge erscheint morgen im Journal der Universität Greifswald. Viele wissenschaftliche Publikationen folgen weltweit.

Kontakt: PD Dr. rer. nat. habil. Thomas M. Kaiser (Projektleiter), Universität Greifswald, Zoologisches Institut und Museum, Johann Sebastian Bach Str. 11-12, D-17489 Greifswald. Tel: 03834-86-4265/-4250 (privat: 03834-899890, mobil: 0174-2457659), Fax: 03834-86-4285, E-Mail: kaiser@uni-greifswald.de


Bilder

Thomas Kaiser mit einem hervorragend erhaltenen eozänen Fisch von/in Mahenge
Thomas Kaiser mit einem hervorragend erhaltenen eozänen Fisch von/in Mahenge

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Ergänzung vom 11.03.2003

Selbstverstaendlich haben Kenner der Materie laengst gemerkt, dass in der Ueberschrift ein l fehlte: Messel heisst die beruehmte Grube.
Inzwischen ist Thomas Kaiser in Deutschland von einer weiteren Exkursion nach Afrika zurueck. Er freut sich ab dem 18. Maerz auf neugierige Fragen.
Dann wird er auch die neuesten Neuigkeiten in die Projekthomepage www.ssp-project.de einstellen.


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Geowissenschaften, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


 

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