idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
08.10.2014 12:38

Kannibalismus ohne Erfolg

Hans-Christoph Keller Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Humboldt-Universität zu Berlin

    Das Aussetzen von Junghechten in Gewässern mit Artgenossen steigert die Population nicht. Stattdessen drohen unerwünschte Risiken und Nebenwirkungen wie finanzielle Einbußen, Einschleppen von Krankheitserregern oder der Verlust genetischer Vielfalt. In Gewässern mit stark beeinträchtigter Vermehrung kann Jungfischbesatz hingegen sehr erfolgreich sein. Erfolg und Misserfolg hängen eng vom Grad der natürlichen Konkurrenz um Futter und Unterstände ab, ergab eine Studie am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences veröffentlicht.

    „Der bestandssteigernde Einfluss von Fischbesatz ist bis heute nur unzureichend erforscht“, erklärt Fischereiwissenschaftler Daniel Hühn. „Dennoch ist das Einbringen von künstlicher Brut unter Gewässerverantwortlichen übliche Praxis, um zurückgehende Populationen zu stabilisieren oder zu steigern.“ Dass die Fischer aber einer Fehlannahme aufsitzen, zeigt nun erstmalig eine umfangreiche Teichstudie im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierten Projekts „Besatzfisch“. Unter Leitung von Robert Arlinghaus vom Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin ist es Daniel Hühn und seinem Team gelungen, am Beispiel des Hechts Folgendes aufzuzeigen: Praxisübliche Hechtbrutbesatzmaßnahmen führen nur vorübergehend zu einer Steigerung des Junghechtbestandes. Denn auch als junger Raubfisch macht der Hecht vor seinen eigenen Artgenossen keinen halt.

    Bereits ab einer Köperlänge von etwa drei bis fünf Zentimetern beginnen die Minihechte, ihre kleineren Artgenossen zu jagen. Werden einem Gewässer mit schon vorhandenem Hechtnachwuchs künstlich aufgezogene Brütlinge hinzugefügt, steigt die Hechtdichte. Versteckmöglichkeiten werden somit rarer; gleichzeitig steigt die Wahrscheinlichkeit, von Artgenossen gefressen zu werden. Wegen des rasch einsetzenden Kannibalismus kann die Anzahl der Junghechte durch Besatz demnach nur kurzfristig erhöht werden. „Bereits drei Monate nach dem Besatz geht der künstlich erhöhte Hechtjungfischbestand wieder auf ein natürliches Niveau zurück“, erklärt Studienleiter Arlinghaus und ergänzt: „ähnliche Ergebnisse sind bei vielen anderen Raubfischen wie dem Zander und der Bachforelle auch zu erwarten – selbst wenn bei diesen Arten der Kannibalismus später einsetzt als beim Hecht.“ Unabhängig vom Kannibalismus kann darüber hinaus die Konkurrenz um Nahrung und Versteckplätze zur Selbstregulation der Population auf das Ausgangsniveau beitragen.

    Einsatz von Junghechten – ein risikoreiches Geschäft
    Naturschützer sehen beim Jungfischbesatz verschiedene Risiken: Möglicherweise etablieren sich über den künstlichen Besatz in natürlichen Beständen gebietsfremde Gene. Bei Kreuzungen zwischen Satz- und Wildfisch kann dies zum Verlust genetischer Vielfalt führen. Darüber hinaus läuft jeder Bewirtschafter Gefahr, sein Gewässer mit Krankheiten zu kontaminieren. Und auch die Kostenfrage stellt sich, wenn der Erwerb von Satzfischen nicht zwangsläufig zu höheren Fängen führt.

    Kann Hechtbesatz trotzdem sinnvoll sein?
    Dennoch untersuchte das Forscherteam auch, unter welchen Umständen ein Hechtbesatz sinnvoll sein kann und stellten fest, dass Brutbesatz In Gewässern mit stark eingeschränkter oder gar ausbleibender natürlicher Vermehrung der Hechte durchaus erfolgreich sein kann. Besatz kann sich also lohnen, auch mit Kannibalen, nur darf es keine ausgeprägte Konkurrenz mit Wildfischen geben. Insofern sind künftige Hechtbesatzmaßnahmen mit Hechtbrut auf ganz bestimmte Gewässer ohne Bestände natürlicher Hechte zu beschränken. Solche Gewässer sind dann zu erwarten, wenn Laich- und Jungfischlebensräume aufgrund von Gewässerausbau und Nährstoffeintrag verloren gegangen sind. „In allen anderen Fällen kann künftig guten Gewissens auf den natürlichen Hechtbestand vertraut werden“, resümiert Hühn.

    Die Untersuchungen fanden in Kooperation mit dem Bezirksfischereiverband für Ostfriesland und der Fischerei Endjer in Emden statt.

    Publikation
    Hühn, D., Lübke, K. Skov, C., Arlinghaus, R. (2014): Natural recruitment, density-dependent juvenile survival, and the potential for additive effects of stock enhancement: an experimental evaluation of stocking northern pike (Esox lucius) fry. Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences, 71: 1508-1519.

    Kontakt
    Daniel Hühn
    Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
    Abteilung Biologie und Ökologie der Fische
    Müggelseedamm 310
    12587 Berlin
    huehn@igb-berlin.de
    Tel: 030 64181 - 621


    Weitere Informationen:

    http://www.besatz-fisch.de


    Bilder

    Forscher besetzt Hechtbrut
    Forscher besetzt Hechtbrut
    Quelle: © Daniel Hühn

    Die kleinen Brütlinge verstecken sich im Schilf vor kannibalistische Artgenossen.
    Die kleinen Brütlinge verstecken sich im Schilf vor kannibalistische Artgenossen.
    Quelle: © Daniel Hühn


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Biologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    regional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).