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25.03.2003 15:01

Erziehung ist nicht (nur) Privatsache

HU- Pressestelle Kommunikation, Marketing und Veranstaltungsmanagement
Humboldt-Universität zu Berlin

    Prof. Dr. Hans Bertram, Lehrstuhl für Mikrosoziologie an der Humboldt-Universität Berlin, fordert im Schwerpunktheft "Familie und Erziehung" (3/2003) der Zeitschrift "UNIVERSITAS. Orientierung in der Wissenswelt" veränderte Strukturen der Kinderbetreuung und Erziehung, die sich an den veränderten Arbeits- und Familienwelten orientieren.

    Die Zusammenführung der statistischen Daten der alten und der neuen Bundesländer zur Entwicklung der Familie machte im Jahr 1991 deutlich, dass es eine immer größer werdende Vielfalt familärer Lebensformen in Deutschland gibt, wobei sowohl Unterschiede zwischen Ost und West, als auch innerhalb der einzelnen Regionen bestehen. In Städten wie Bremen, Hamburg und Berlin liegt der Anteil der Familien an allen Haushalten zwischen 17 und 20 Prozent, in den ländlichen Regionen in Niederbayern, Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen hingegen bei über 60 Prozent. Die gleichen Variationen finden wir zwischen den Familien mit zwei Eltern und einem Elternteil.

    Was machen andere Länder besser?
    Heute ist ein Familienhaushalt mit Kindern auf zwei Einkommen angewiesen. Das ist kein spezifisch deutscher Trend, sondern gilt weltweit für hoch entwickelte Industrieländer von den USA bis Frankreich. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der zunehmenden Erwerbsquote gerade der 35- bis 45-jährigen verheirateten Frauen mit Kindern wider, die seit Mitte der sechziger Jahre kontinuierlich gestiegen ist und sich kaum noch von der der Männer unterscheidet. Ihr Beitrag zum Familieneinkommen liegt zwischen 25 und 45 Prozent, auf die kaum verzichtet werden kann.

    Das hohe Erstgeburtsalter in Deutschland von 28 bis 29 Jahren und der stark gestiegene Anteil kinderloser Frauen, insbesondere bei den höchsten Bildungsabschlüssen, machen deutlich, dass in Deutschland die Ausbildungsdauer, die ersten Schritte in die ökonomische Selbstständigkeit und die Familiengründung zunehmend in Konflikt geraten. Mit zwei südeuropäischen Ländern mit ähnlichen Ausbildungs-
    systemen bildet Deutschland das Schlusslicht in Europa und liegt weit hinter den USA mit einer Geburtenrate von inzwischen wieder 2,1 Kindern pro Frau bei weitgehender Vollerwerbstätigkeit. Auch die Collegeabsolventinnen liegen mit 1,9 Kindern weit vor Deutschland mit 1,3 bis 1,4 Kindern. Das amerikanische Bildungssystem ist ähnlich wie in England und Frankreich gestuft und ermöglicht nach jedem Abschnitt den Ausstieg und Berufsbeginn und damit die ökonomische Selbstständigkeit, aber auch einen späteren Wiedereinstieg in das Bildungssystem. Entsprechend niedriger ist das Erstgeburtsalter.

    Kinder brauchen Kinder
    Ohne Unternehmen und ohne Gewerkschaften, die beide gemeinsam den Schlüssel für die Veränderung beruflicher Zeiten in den Händen halten, wird es keine angemessene neue Konzeption von Zeit für Kinder geben. Ohne die Einbeziehung der Eltern und ihrer Vorstellungen besteht die Gefahr, dass die bestehenden privaten Betreuungsarrangements lediglich durch staatliche oder kommunale Einrichtungen ersetzt werden. Ohne die Länder und deren Bereitschaft, die Vormittagsschulen in Tagesschulen zu verändern, wird ein Kernproblem der Verflüssigung von Zeit auf Dauer nicht gelöst. Ohne die Kommunen, sowohl die großen Städte wie die ländlichen Gemeinden, wird es keine den örtlichen Gegebenheiten angemessene Infrastruktur geben. Ohne neue Formen einer gestuften Ausbildung durch die Universitäten und Fachhochschulen werden die aktuellen Probleme von Familiengründung und ökonomischer Selbstständigkeit fortbestehen.

    Prof. Bertram schlägt vor, sich bei der Organisation der neuen Zeitstrukturen an den Universalien der kindlichen Entwicklung von Urie Bronfenbrenner zu orientieren.

    1. Kinder brauchen zumindest eine Person, die sie um ihrer selbst willen liebt. Denn die Achtung vor anderen Menschen setzt Selbstachtung voraus, die sich nur auf der Basis einer solchen personalen Liebe entwickelt.
    2. Kinder brauchen eine klare soziale, räumliche und zeitliche Verlässlichkeit. Zerbrechen die überschaubaren sozialen, räumlichen und zeitlichen Strukturen für sie, resultieren erhebliche Entwicklungsprobleme.
    Kinder brauchen ein gewisses Grundmaß an Ordnung und Regeln. Ohne Ordnung und Regeln können sie nur schwer die vor ihnen liegenden Entwicklungsaufgaben bewältigen.
    Kinder brauchen aber auch die Einbettung in die Beziehungen zu anderen Menschen. Denn sie müssen lernen, mit anderen zu interagieren und mit ihnen zu leben. Einfach gesagt: Kinder brauchen Kinder.

    Neben dem Beitrag von Prof. Dr. Hans Bertram umfasst das Schwerpunktheft "Familie und Erziehung" der UNIVERSITAS (3/2003) unter anderem folgende Beiträge:

    Familienministerin Renate Schmidt: Was Kinder wirklich kosten
    Susanne Gaschke: Die Spätschäden von achtundsechzig. Antiautoritäre Nachhut und neue Kapitalisten demontieren die Erziehung
    Gerald Hüther: Wohin, wofür, weshalb? Über die Bedeutung innerer Leitbilder für die Hirnentwicklung
    Uta Meier : Neue Strukturen braucht das Land
    Harald Martenstein: Aller Anfang ist schwer

    Ein kostenloses Probeabonnement (Heft 3 und Heft 4, "Schwerpunkt Krieg und Frieden") kann beim Hirzel Verlag angefordert werden.
    Universitas@hirzel.de
    Redaktion UNIVERSITAS. Birkenwaldstraße 44, 70191 Stuttgart


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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