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Mit einem Zürcher Kollegen entdeckte Ingmar Werneburg vom Museum für Naturkunde Berlin, wie Schlangen ihre Beine verloren haben. Die Ergebnisse wurden in der internationalen Fachzeitschrift Evolution veröffentlicht. In Wirbeltierembryonen bilden sich in bestimmten Reihenfolgen nacheinander die einzelnen Knochen des Körpers aus. Der Vergleich von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den Arten erlaubt Rückschlüsse auf Veränderungen der embryonalen Knochenbildung während der Evolution. Eine Stammbaum-Analyse zeigte, dass im Laufe der Evolution zahlreiche Knochen immer später erschienen, bis sie bei den Schlangen gar nicht mehr ausgebildet wurden. Das erklärt den Verlust der Beine.
Schlangen gehören zu den eindrucksvollsten Reptilien der Welt. Durch ihre ungewöhnliche Körperform und ihr Verhalten sind sie in den Mythologien und der Psyche des Menschen tief verankert. Heutige Schlangen haben keine Beine. Aber sie können sich schlängelnd oder schwimmend problemlos fortbewegen. Auch zahlreiche Schädelelemente sind reduziert, was nicht zuletzt eine große Beweglichkeit innerhalb des Kopfes ermöglicht. Schlangen können den Kiefer weit ausklappen und dehnen, um Objekte mit vielfacher Körpergröße zu verschlingen. Viele Arten haben in den Kiefern riesige Giftzähne, um ihre Beute zu lähmen oder zu töten.
Der Ursprung der Schlangen ist bis heute nicht geklärt. Entweder stammen sie von echsenartigen Landtieren, grabenden Formen oder von Meeresreptilien ab. Anatomische und genetische Untersuchungen liefern zu dieser Frage unterschiedliche Ergebnisse. Besonders beeindruckend ist die Tatsache, dass fossile Schlangen – und sogar noch wenige heutige Arten wie Pythons und Boas – Rudimente von Hüft- oder sogar Hinterbeinknochen aufweisen. Eine ungeklärte Frage war, wie es zum Verlust der Beine bei den Vorfahren der heutigen Schlangen kam. Wenn Fossilbericht und vergleichende Anatomie keinen Aufschluss über solche Probleme liefern können, lohnt sich immer ein Blick in die Embryonalentwicklung der Tiere. Die Forscher haben daher untersucht, wie sich das Muster der Verknöcherungssequenzen innerhalb der Reptilienevolution verändert hat. Dazu wurden Mikro-Computertomographie-Scans und angefärbte Skelettpräparate verschiedener Reptilienembryonen untersucht und die Daten in einem Stammbaumschema analysiert. Egal, welche Hypothese zum Ursprung der Schlangen verwendet wurde (terrestrisch, grabend oder marin), so war stets ein klares Muster bei allen Reptilien zu erkennen.
Im Vergleich zu ihren Vorfahren entwickeln sich bei den heutigen Reptilien sehr viele Knochen zeitlich verspätet. Das gipfelt letztlich in den Schlangen, bei denen zahlreiche Knochen extrem spät im Embryo erscheinen. Diese Knochen haben dann nur wenig Zeit, sich zu entwickeln und sind folglich im ausgewachsenen Tier nur klein – das erklärt die reduzierte Gestalt des gesamten Schlangenschädels. Das erste embryonale Erscheinen einiger Knochen ist im Laufe der Reptilienevolution zeitlich jedoch so stark nach hinten verschoben, dass sie bei den Schlangen am Ende gar nicht erst gebildet werden. Zu diesen Knochen zählen all jene des Schultergürtels und der Vorderbeine und letztlich auch des Beckens und der Hinterbeine. Die evolutionäre Tendenz embryonal spät erscheinender Knochen, die im ausgewachsenen Tier nur rudimentär ausgebildet sind, hängt mit dem Phänomen zusammen, dass viele Echsen im Laufe der Zeit eine grazile Körperform entwickelt haben. Die Schlangen stellen in diesem Aspekt einen Extremfall dar.
Veröffentlicht in: Werneburg I, Sánchez-Villagra. 2015. Skeletal heterochrony is associated with the anatomical specializations of snakes among squamate reptiles. Evolution 69(1): 254–263. doi: 10.1111/evo.12559
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Geowissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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