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Die deutsche Wirtschaft hat sich bisher gut in einem derzeit nicht ganz einfachen weltwirtschaftlichen Umfeld behauptet. Doch die Eskalation der Griechenland-Krise könnte den Aufschwung in diesem und im kommenden Jahr schwer schädigen, möglicherweise sogar vorzeitig abbrechen lassen. Davor warnt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung, das heute seine Konjunkturprognose vorstellt. „Ein Grexit oder eine zähe Agonie durch Unsicherheit könnte das bislang positive Konjunkturbild dramatisch verändern“, sagt Prof. Dr. Gustav A. Horn, der wissenschaftliche Direktor des IMK. „Eine Ansteckung weiterer Länder und die Destabilisierung des gesamten Euroraums sind nämlich keineswegs unwahrscheinlich. Statt einer soliden Aufwärtsentwicklung drohen dann auch in Deutschland heftige Wachstumsverluste.“
Damit steht innerhalb weniger Tage die positive Prognose in Frage, die das IMK heute eigentlich abgeben wollte: Angetrieben durch eine positive Entwicklung am Arbeitsmarkt und durch spürbare reale Lohnsteigerungen ist die Nachfrage im Inland der zentrale Motor des Aufschwungs. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) legt 2015 um 2,0 Prozent und 2016 um 2,2 Prozent im Jahresdurchschnitt zu, so die bisherige Erwartung der Forscher. Die Zahl der Arbeitslosen wird in diesem Jahr jahresdurchschnittlich unter 2,8 Millionen und 2016 unter 2,7 Millionen sinken (alle Zahlen detailliert bei den Kerndaten unten). Im Jahresverlauf 2015 und insbesondere 2016 wird die weltweite Konjunktur und mit ihr auch die internationale Nachfrage nach deutschen Waren und Dienstleistungen wieder spürbar anziehen. Der relativ schwache Euro verschafft den deutschen Exporteuren bis ins kommende Jahr hinein zusätzlichen Rückenwind. Noch etwas schneller als die Exporte wachsen die Einfuhren, so dass per saldo vom Außenhandel kein nennenswerter Wachstumsbeitrag ausgeht. Auch die Investitionstätigkeit gewinnt an Fahrt, weil die Unternehmen verbesserte Absatzaussichten haben. Die Staatseinnahmen entwickeln sich mit der Konjunktur positiv, die Schuldenstandsquote des deutschen Staates sinkt deutlich.
Gegenüber ihrer Vorhersage vom April senken die Düsseldorfer Konjunkturforscher die Wachstumserwartung für 2015 geringfügig um 0,2 Prozentpunkte. Ursache dafür ist der relativ verhaltene Start im ersten Quartal. Mittlerweile hat sich die Wachstumsdynamik aber deutlich verstärkt. Für 2016 bekräftigt das IMK seine Prognose vom April. Damit erwartet das IMK in beiden Jahren ein etwas stärkeres Wachstum als andere Institute – falls es denn noch gelingen sollte, die Eskalation der Krise zu entschärfen und die Zahlungsfähigkeit Griechenlands zu sichern..
„Die deutsche Wirtschaft hat in letzter Zeit vom günstigen Euro, aber mehr noch von den soliden Lohn- und Nachfragesteigerungen im Inland profitiert. Dazu trägt neben den Tarifabschlüssen auch der gesetzliche Mindestlohn bei“, sagt Prof. Dr. Gustav A. Horn, der Wissenschaftliche Direktor des IMK. „Eigentlich war damit auch der Boden für eine gute Investitionskonjunktur bereitet. Die mit dem Scheitern der Griechenland-Verhandlungen erzeugte Unsicherheit droht nunmehr diesen Keim eines nachhaltigen Aufschwungs zu ersticken. Eine Rezession im gesamten Euroraum kann unter diesen Umständen nicht mehr ausgeschlossen werden.“ Dabei hätte auch die Wirtschaft im Euroraum als Ganzes nach der ursprünglichen Prognose des IMK 2015 und 2016 erstmals wieder gute Chancen, spürbar zu wachsen: Das BIP in der Währungsunion außerhalb Deutschlands könnte danach 2015 um 1,4 Prozent und 2016 um 2,1 Prozent wachsen. Maßgeblich dafür ist nach Analyse der Forscher, dass der harte Sparkurs in etlichen Ländern gelockert wurde.
Kerndaten der Prognose für Deutschland (siehe auch Tabelle 4 auf Seite 6 im Report):
- Arbeitsmarkt -
Das Wirtschaftswachstum lässt die Beschäftigung weiter steigen und die Arbeitslosigkeit sinken. Die Zahl der Erwerbstätigen im Inland nimmt 2015 um rund 240.000 Personen oder 0,6 Prozent im Jahresdurchschnitt zu. 2016 steigt sie um weitere 0,6 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen geht im Jahresdurchschnitt 2015 um etwa 120.000 auf rund 2,78 Millionen Menschen zurück. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 6,4 Prozent. 2016 wird die Zahl der Menschen ohne Job um rund 80.000 im Jahresdurchschnitt sinken. Die Quote liegt dann bei 6,2 Prozent.
- Außenhandel -
Die internationale Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen verstärkt sich wieder. Insbesondere aus den USA kommen stärkere Impulse. Davon profitiert der deutsche Export, insbesondere im kommenden Jahr: 2015 wachsen die Ausfuhren um durchschnittlich 5,5 Prozent, 2016 um 7,2 Prozent. Die Importe legen infolge der stärkeren Binnennachfrage 2015 um 6,5 Prozent im Jahresmittel zu, 2016 um 8,2 Prozent. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss sinkt geringfügig, bleibt aber nach wie vor sehr groß.
- Private Investitionen -
Die Unternehmen weiten ihre Investitionen schrittweise wieder aus: 2015 dürften die Ausrüstungsinvestitionen um 4,3 Prozent wachsen, 2016 legen sie um 5,7 Prozent zu.
- Einkommen und Konsum -
Die verfügbaren Einkommen steigen 2015 real um durchschnittlich 2,3 Prozent. 2016 legen die verfügbaren Einkommen bei etwas anziehender Inflation real um 1,7 Prozent zu. Die realen privaten Konsumausgaben wachsen in diesem Jahr ebenfalls um 2,3 Prozent, 2016 um 1,7 Prozent.
- Inflation und öffentliche Finanzen -
Die allgemeine Preisentwicklung in Deutschland ist in diesem Jahr sehr schwach. Im Jahresdurchschnitt liegt die Teuerungsrate laut IMK bei lediglich 0,5 Prozent. Im kommenden Jahr beschleunigt sich die Inflation vor allem wegen wieder steigender Energiepreise auf 1,5 Prozent. Sie bleibt damit aber weiterhin deutlich unter dem EZB-Inflationsziel von knapp unter 2 Prozent.
Von der wirtschaftlichen Entwicklung profitiert auch die öffentliche Hand. Das Staatsbudget wird 2015 einen Überschuss von 19 Milliarden Euro ausweisen, das entspricht 0,6 Prozent des BIP. Für 2016 prognostiziert das IMK einen Überschuss von knapp 22 Milliarden Euro bzw. 0,7 Prozent des BIP. Die Schuldenstandsquote in Relation zum BIP dürfte deutlich sinken: von 74,7 Prozent Ende 2014 auf unter 68 Prozent Ende 2016.
http://www.boeckler.de/cps/rde/xchg/hbs/hs.xsl/52614_60319.htm - Die PM mit Ansprechpartnern
http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_105_2015.pdf - Die IMK-Prognose
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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