idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
10.08.2015 11:22

Das unterschätzte Erdreich

Bianca Wiedemann Stabsstelle Kommunikation/Pressestelle
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Geowissenschaftler der Universität Jena leiten neue DFG-Forschergruppe zur Analyse der Mikrobausteine des Bodens

    Für die meisten Menschen ist „Boden“ wohl gleichbedeutend mit einem großen Haufen Erde. Höchstens ambitionierte Gärtner und Landwirte unterscheiden verschiedene Bodentypen, wie kompostierte Erde und Blumenerde. Als seine wesentlichste Funktion wird dem Boden meist nur die Rolle als Produktionsstandort für Nahrungsmittel zugesprochen. Dabei reichen seine Aufgaben viel weiter: Das Erdreich ist einer der artenreichsten Lebensräume und maßgeblich für die gute Qualität des Grundwassers verantwortlich, da es Schadstoffe nicht nur filtert, sondern auch abbauen bzw. umwandeln kann. Sogar die Qualität der Luft ist abhängig von seiner Zusammensetzung.

    Geowissenschaftler wie Prof. Dr. Kai Uwe Totsche von der Friedrich-Schiller-Universität Jena untersuchen diese Beschaffenheit anhand der Bausteine eines Bodens, den sogenannten Aggregaten. Der Boden besteht aus einem komplexen System von Makroaggregaten, deren stabilste Komponenten die Mikroaggregate sind – Strukturen unter 250 Mikrometern. Das entspricht in etwa der Größe einer menschlichen Eizelle oder dem Durchmesser eines Haares. Diesen Kleinstbausteinen widmet sich nun eine neue Forschergruppe um Prof. Totsche im Rahmen des gerade gestarteten Projektes „Microaggregates: Formation and Turnover of the Structural Building Blocks of Soils (MAD Soil)“.

    Mikroaggregate setzen sich aus mineralischen, organischen und biotischen Bestandteilen zusammen und bilden einen idealen Lebensraum nicht nur für Mikroorganismen. Kai Uwe Totsche und sein Team interessiert v. a., welche Funktionen diese Mikroaggregate genau haben und welchen Einfluss sie auf die zentralen Funktionen des Bodens – wie Transport und Speicherung von Wasser, Kohlenstoff und Nährstoffen – ausüben. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler widmen sich zudem der Fragestellung, wie sich die Eigenschaften und die Struktur dieser Kleinstbausteine zeitlich als auch räumlich entwickelt.

    Die Untersuchungen sind zunächst auf drei Jahre angelegt und werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 14 Millionen Euro gefördert. Neben der Universität Jena sind die Universitäten Kassel, Bonn, Erlangen-Nürnberg, Hannover, die TU München und das Forschungszentrum Jülich beteiligt.

    „Da es bisher kaum gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zur Bildung, den Funktionen und der Entwicklung dieser Mikroaggregate gibt, werden wir zunächst Grundlagenforschung betreiben“, sagt Prof. Totsche und betont „das aber mit modernsten bildgebenden und analytischen Verfahren mit Fokus auf der Submikrometerskala“. Geplant sind Freiland- und Laboruntersuchungen mit Böden unter landwirtschaftlicher Nutzung. Mit dem Ziel, das Inventar, die Struktur und die Eigenschaften der Mikroaggregate zu ermitteln, setzen die Wissenschaftler auf eine bisher einmalige Kombination von tomografischen und spektromikroskopischen Experimenten. Um außerdem nachvollziehen zu können, wie sich die Mikroaggregate zeitlich und räumlich entwickeln, werden den Böden verschiedene stabile Isotope zugeführt, die sich ggf. in die Mikroaggregate einfügen. Bei den Isotopen handelt es sich um auf der Erde natürlich vorkommende Arten von Atomen, etwa Kohlenstoff und Eisen.

    Ein weiterer methodischer Mehrwert liegt in der Verarbeitung der gesammelten Erkenntnisse. Hierfür hat Prof. Totsche einen neuen Ansatz entwickelt, mit dem die umfangreichen und vielfältigen experimentellen Ergebnisse des Projekts mit Hilfe von Mathematik in theoretische Formeln und Theorien umgewandelt werden. „Es ist essenziell, dass die gewonnenen Informationen zu experimentell überprüfbaren theoretischen Konzepten aufbereitet werden“, macht der Jenaer Geowissenschaftler deutlich.

    Mit den erwarteten Ergebnissen können künftig auch genauere Strategien für den Umgang mit dem Globalen Klimawandel ausgearbeitet werden. Denn Böden sind der größte terrestrische Speicher („Senke“) für Kohlenstoff und gleichzeitig eine der wichtigsten natürlichen Quellen für klimarelevante Gase in der Atmosphäre. Als Umschlagort von Treibhausgasen sind die Mikroaggregate somit auch für den Klimawandel von Bedeutung. „Deshalb muss ein Umdenken in der Landnutzung eingeleitet werden, denn die meisten der aktuellen Nutzungsformen führen zu erhöhten CO2-Emissionen und einer Verringerung des organischen Kohlenstoffgehalts im Boden“, betont Kai Uwe Totsche.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Kai Uwe Totsche
    Institut für Geowissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Burgweg 11, 07749 Jena
    Tel.: 03641 / 948651
    E-Mail: Kai.Totsche[at]uni-jena.de


    Bilder

    Die verborgene Ästhetik unter unseren Füßen: Ein Pseudogley (Bodentyp) mit Marmorierung (unten) und Konkretionen (Mitte).
    Die verborgene Ästhetik unter unseren Füßen: Ein Pseudogley (Bodentyp) mit Marmorierung (unten) und ...
    Foto: Kai Uwe Totsche/FSU
    None

    Der Geowissenschaftler Prof. Dr. Kai Uwe Totsche von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
    Der Geowissenschaftler Prof. Dr. Kai Uwe Totsche von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
    Foto: Jan-Peter Kasper/FSU
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).