idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
21.10.2015 13:34

Markt braucht Mundart - Forscher belegen Rolle von Dialekten bei Handelsbeziehungen

Silke Paradowski Kommunikation
Technische Universität Darmstadt

    Darmstadt, 21. Oktober 2015. Der Dialekt gibt den Ausschlag für den Zuschlag: Sprechen Käufer und Verkäufer eine ähnliche Mundart, fördert das die Handelsbeziehungen. Das fanden Forscher bei der Kombination von wirtschaftlichen und linguistischen Datensätzen heraus.
    http://www.tu-darmstadt.de/vorbeischauen/aktuell/einzelansicht_132800.de.jsp

    Sprache bleibt ein wichtiger Erfolgsfaktor für Handelsbeziehungen – trotz Globalisierung und Digitalisierung. Dies bestätigt ein genauer Blick auf den innerdeutschen Handel.
    „Eine gemeinsame Sprache macht es einfacher, miteinander ins Geschäft zu kommen“, erklärt Volker Nitsch, Leiter des Fachgebiets Internationale Wirtschaft der TU Darmstadt. Dass sie auf internationaler Ebene den Handel fördert, wenn Käufer und Verkäufer sich auf Qualität und Quantität eines Produktes, Distributionswege und finanzielle Konditionen einigen müssen, haben Wirtschaftsexperten längst nachgewiesen. So steigt das Handelsvolumen im Schnitt um 44 Prozent, wenn die Akteure über Ländergrenzen hinweg dieselbe Sprache sprechen.
    Nitsch und seine Forschungskollegen nähern sich diesem Phänomen nun von einer neuen Seite. Sie haben am Beispiel des deutschen Wirtschaftsraumes erstmals untersucht, welchen Effekt sprachliche Gemeinsamkeiten auf Handelsbeziehungen innerhalb eines einsprachigen Landes haben, das unter anderem ein einheitliches politisches und Rechtssystem sowie einheitliche kulturelle Wurzeln hat, in dem die Handelspartner also unter weitgehend identischen Rahmenbedingungen agieren. Hierfür kombinierten die Wissenschaftler zwei völlig unterschiedliche Datensätze.
    Zum einen griffen sie auf Untersuchungen zum Handelsvolumen in 101 deutschen Verkehrsbezirken aus den Jahren 1995 bis 2004 zurück, die auf Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes und des Statistischen Bundesamtes basieren und Aufschluss darüber geben, welcher Warenwert von Bezirk zu Bezirk bewegt wurde. Zum anderen zogen sie den historischen Datensatz des Linguisten Georg Wenker hinzu. Er hat Ende des 19. Jahrhunderts, basierend auf Untersuchungen in rund 45.000 Schulen, die regionalen Spezifika der deutschen Sprache erforscht. Diese Rohdaten flossen ein in den Sprachatlas des Deutschen Reiches und in 66 Karten, welche die Verteilung von prototypischen Dialekten zeigen.
    Die gemeinsame Auswertung der beiden Datensätze zeigt, dass auch im interregionalen Handel Sprache eine besondere Rolle spielt und linguistische Verbindungen ihn in besonderem Maße fördern. „Dabei sind nicht etwa die Dialekte den Handelswegen gefolgt, sondern umgekehrt“, betont Nitsch. Deutlich wird das in Verkehrsbezirken wie Augsburg. Sprachlich gehört diese Region zum schwäbischen Dialekt. Entsprechend treiben die Augsburger mehr Handel mit baden-württembergischen Verkehrsbezirken im Westen, zum Beispiel Ulm, als mit den im Osten gelegenen bayrischen Bezirken. „Dies spiegelt die sprachlichen Verbindungen wie auch die gemeinsame kulturelle Identität wider“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler.
    Sprache habe einen vertrauensbildenden Effekt in Verhandlungen, erklärt Nitsch. „Die entscheidende Frage ist dabei, um welches Produkt es geht und wie Menschen ein Geschäft anbahnen.“ So spiele es bei Massenprodukten wie Rohstoffen nur eine untergeordnete Rolle, wer der Verkäufer sei. Bei komplexen Produkten mit vielen Spezifika jedoch hänge der Verkaufserfolg nach wie vor ab von Kommunikation „face to face“. „Große Volumen werde ich nur dort kaufen, wo ich meinen Handelspartner gut kenne und verstehe.“ Dieses Prinzip gelte auch für den Online-Handel. Sprachliche und kulturelle Affinitäten und ihre positiven Auswirkungen auf die Ökonomie sind dem Experten zu Folge also kein historisches Phänomen, sondern bestimmen auch im 21. Jahrhundert noch das Wirtschaftsleben.

    An der Studie zu Dialekten und Handelsbeziehungen sind neben dem Fachgebiet Internationale Wirtschaft der TU Darmstadt das Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas der Philipps-Universität Marburg, das Institut für Wettbewerbsökonomie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und das Institut für Wirtschaftsgeschichte der Humboldt-Universität Berlin beteiligt. Ihr voraus gingen unter anderem eine Studie zur Auswirkung der innerdeutschen Grenze auf Handelsbeziehungen sowie zum Zusammenhang zwischen innerdeutschen Wanderungsbewegungen und Dialekten.

    Kontakt
    Prof. Dr. Volker Nitsch
    Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der TU Darmstadt
    Fachgebiet Internationale Wirtschaft
    Tel.: 06151/16-57261
    E-Mail: nitsch@vwl.tu-darmstadt.de

    MI-Nr. 67/2015, Jutta Witte/sip


    Weitere Informationen:

    http://www.vwl2.wi.tu-darmstadt.de/fachgebiete_9/startseite_5/index.de.jsp Das Fachgebiet Internationale Wirtschaft an der TU Darmstadt
    http://www.tu-darmstadt.de/vorbeischauen/aktuell/einzelansicht_132800.de.jsp Die Meldung im Netz


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter
    Kulturwissenschaften, Sprache / Literatur, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).