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14.01.2016 10:11

Studie der Uni Halle: Weltgeschehen beeinflusst Bienenvölker stärker als Pestizide

Tom Leonhardt Pressestelle
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

    Pestizide und Parasiten sind nicht für den regionalen Rückgang von Honigbienenvölkern verantwortlich. Wie Biologen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) herausgefunden haben, spielen politische und sozio-ökonomische Veränderungen, wie Revolutionen oder auch Bürgerkriege, und der globale Honighandel eine wesentlich größere Rolle. Weltweit wächst die Zahl der Bienenvölker und es wird auch mehr Honig produziert. Ihre Erkenntnisse haben die Forscher im Journal "Agriculture, Ecosystems & Environment" veröffentlicht.

    Bienen erfüllen für Mensch und Natur viele wichtige Aufgaben. Dazu gehört vor allem das Bestäuben von Nutzpflanzen. Während in der Landwirtschaft der Bestäubungs-Bedarf in den letzten 50 Jahren um über 300 Prozent angewachsen ist, stieg die Zahl der Bienenvölker weltweit nur um 60 Prozent an. Allerdings ist diese Entwicklung regional extrem unterschiedlich wie Prof. Dr. Robin Moritz und Dr. Silvio Erler vom Institut für Biologie der MLU zeigen. In West-Europa und den USA verzeichnet man seit Jahren einen starken Rückgang. Allein in Europa seien zwischen 1989 und 1995 rund sieben Millionen Bienenvölker verschwunden.

    Für ihre Forschung haben die Wissenschaftler die statistischen Angaben der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zu Honigproduktion und -handel der letzten 50 Jahre aus rund 100 Ländern ausgewertet. Dazu gehören Angaben über die Anzahl der Bienenvölker in einem Land, die Menge an jährlich produziertem Honig sowie Aussagen darüber, wie viel Honig ein Land pro Jahr importiert und exportiert.

    Der extreme Rückgang der Bienenvölker in Europa Anfang der 1990er Jahre fällt zeitlich mit dem Ende der Sowjetunion und auch der politischen Wende in Deutschland zusammen. "Vor 1989 wurde die Imkerei in der DDR staatlich stark subventioniert", so Robin Moritz. Die Imker hätten ihren Honig zu hohen Preisen an den Staat verkaufen können, der den Honig dann deutlich günstiger weiterverkaufte. Nach der Wiedervereinigung verlor die Imkerei durch die fehlenden Subventionen an Attraktivität, zudem nahm die Bevölkerung in den neuen Bundesländern rapide ab. Dadurch ging auch die Anzahl der Bienenvölker um bis zu 50 Prozent zurück. "Das zeigt deutlich, dass politische Entwicklungen einen starken Einfluss auf die Zahl der Bienenvölker haben können", fasst Moritz zusammen.

    In den Medien werde jedoch häufig die These vertreten, dass vor allem der Einsatz von Pestiziden, Parasiten oder Wetterextreme für den Rückgang von Bienenvölkern verantwortlich sind. "Für die Bienenvölker, die von Imkern gehalten werden, trifft das aber nur bedingt zu", so Silvio Erler. Würde ein Bienenvolk zum Beispiel in Folge eines besonders harten Winters sterben, so gleichen die Imker dies in der Regel im Folgejahr aus. Faktoren, wie Pestizide oder Krankheiten, hätten zwar Einfluss auf das Bienensterben, aber keinen größeren Einfluss auf die Zahl der gehaltenen Bienenvölker. Dies gilt jedoch nur für von Imkern gehaltene Honigbienen, sie lassen keine Rückschlüsse auf das Sterben der vielen Wildbienen zu, die keine Imker haben, die sich um die Bienen kümmern.

    Die Statistik der FAO zeigt, dass der globale Honighandel in einem sehr engen Zusammenhang mit der Zahl der Bienenvölker steht: Länder, in denen sich Honig relativ einfach und kostengünstig produzieren lässt, verkaufen diesen auf dem Weltmarkt zu günstigen Preisen. Diese Länder haben auch viele Bienenvölker. "Länder, die viel Honig importieren, erleiden hingegen einen Rückgang an Bienenvölkern", ergänzt Erler. Für einige dieser Länder haben die Wissenschaftler eine kuriose Beobachtung gemacht: Obwohl die Zahl der Bienenvölker zurückgeht, bleibt die Menge des erzeugten Honigs konstant. "Besonders erstaunlich ist, dass die Produktivität eines Bienenvolks oft exakt mit der Menge des importierten Honigs zunimmt. Das wäre nur möglich, wenn die Bienen vorher wüssten, wie viel Honig im nächsten Jahr importiert wird, um sich dann beim Sammeln besonders anzustrengen", so Moritz. Das sei biologisch wenig plausibel und ein Grund zur Annahme, dass in einigen Ländern im großen Maßstab importierter Honig als selbst erzeugter ausgegeben wird.

    Aus der FAO-Statistik lässt sich noch eine weitere Beobachtung ableiten: "In Asien kommt die westliche Honigbiene immer häufiger als die einheimische Honigbiene zum Einsatz." Die westliche Honigbiene werde von asiatischen Imkern bevorzugt, weil sie einfacher in der Haltung ist und ihre Völker mehr Honig produzieren. Aus dieser Entwicklung ergebe sich nicht nur ein Problem für die Imkerei, sondern auch für die Artenvielfalt. Die Varroamilbe, ursprünglich ein eher harmloser Parasit der asiatischen Honigbiene, wurde durch die Importe nach Asien weltweit ein gefährlicher Bienenparasit für die westliche Honigbiene. Da die westliche Honigbiene immer häufiger in weiten Teilen Asiens eingesetzt wird, droht einerseits die Gefahr neuer Krankheiten durch weitere Erreger, zum anderen werden die ursprünglichen Arten der Honigbiene in Asien verdrängt. Derzeit gibt es in Asien noch neun unterschiedliche Bienenarten. Das könnte sich aber innerhalb weniger Jahre ändern.

    Zur Publikation:
    Robin F.A. Moritz, Silvio Erler (2016) Lost colonies found in a data mine: Global honey trade but not pests or pesticides as a major cause of regional honeybee colony declines. Agriculture, Ecosystems & Environment, Volume 216, 15 January 2016, Pages 44-50, ISSN 0167-8809, http://dx.doi.org/10.1016/j.agee.2015.09.027.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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