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Wissenschaft
Frankfurt, den 16.02.2016. Wissenschaftler der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und der Goethe-Universität Frankfurt haben eingewanderte tropische Fische in einem nordrheinwestfälischen Bach untersucht. Sie zeigen in ihrer kürzlich im Fachjournal „Parasitology Research“ erschienenen Studie, dass sich in dem künstlich erschaffenen Warmwasserlebensraum eine tropische Fauna etabliert hat. Auch nicht-heimische Parasiten, die eine potentielle Gefahr für die heimische Fischwelt darstellen, fühlen sich in dem von einem Braunkohlewerk aufgeheizten Gewässer wohl.
Der Gillbach nahe Köln erinnert nicht gerade an das tropische Flair Guatemalas – dennoch hat sich in dem etwa 3 Meter breiten und 30 bis 90 Zentimeter tiefen Fließgewässer eine exotische Fischfauna ausgebildet. „Wir haben im Gillbach neben Guppys und Antennenwelsen die Buntbarschart Amatitlania nigrofasciata gefangen und untersucht. Diese ist ursprünglich in Mittelamerika heimisch“, erklärt Prof. Dr. Sven Klimpel vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und der Goethe Universität Frankfurt und fährt fort: „Die Fische wurden wohl von Aquariumsbesitzern im Gewässer ausgesetzt und haben sich dort vermehrt. Weltweit wurden so 115 Süßwasserfischarten verschleppt – in Deutschland sind es immerhin 5 von 15 nicht-heimischen Arten.“
Das die Fische in dem deutschen Fließgewässer überleben und sich sogar fortpflanzen, liegt an der Besonderheit des Gillbaches: das Gewässer, das über die Erft in den Rhein mündet, ist sogar im Winter durchschnittlich 19 Grad Celsius warm. Grund ist das Braunkohlekraftwerk Niederaußem, dessen etwa 30 Grad Celsius warmes Kühlwasser in den Gillbach eingeleitet wird.
„Limnische Gewässersysteme gehören zu den am stärksten anthropogen beeinflussten und bedrohten Ökosystemen weltweit. Uns hat daher interessiert, wie sich so ein künstlich geschaffener Warmwasserlebensraum auf die Flora und Fauna auswirkt und welche Risiken hiermit verbunden sind“, erläutert Klimpel. Insgesamt 77 Fische hat das Wissenschaftlerteam rund um den Frankfurter Parasitologen an zwei Probennahmestellen – in Quellnähe und in etwa 3 Kilometer Entfernung zum warmen Zufluss – auf Parasiten und ihre Nahrungsökologie untersucht. In ihrer Studie konnten sie so erstmalig den tropischen Zebrabuntbarsch Amatitlania nigrofasciata als häufig befallenen End- und Zwischenwirt für heimische, aber auch nicht-heimische subtropische und tropische Parasitenarten definieren. Besonders häufig fanden die Forschenden den ursprünglich aus Asien stammenden Fadenwurm Camallanus cotti in den untersuchten Fischen. Dieser Parasit ist aus der Aquaristik bekannt und kann bei befallenen Fischen zum Tod führen. „Beunruhigender Weise zeigen unsere Stichproben, dass auch heimische Fische wie Döbel oder Gründling bereits von dem tropischen Parasiten befallen werden. Ob der Wurm auch beispielsweise die kühleren Wassertemperaturen des Rheins übersteht, können wir zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht sagen“, ergänzt Klimpel.
In den Mägen der eingeschleppten Buntbarsche fanden sich neben Insekten- und Pflanzenresten auch auffallend viele Schuppen heimischer Fischarten. „Wir führen das auf die aggressive Brutpflege von Amatitlania nigrofasciata zurück“, sagt Klimpel. Die tropischen Fische verteidigen ihren Nachwuchs in dem sie andere Fische durch Rammstöße vertreiben und anschließend deren Schuppen fressen.
„Der Gillbach bildet mit seinem stets warmen Wasser ein Reservoir für nicht heimische Krankheitserreger und damit ein Einfallstor in weitere Fließgewässer. Insgesamt hat unsere Studie gezeigt, dass sich in langjährigen, künstlich erschaffenen Warmwasserhabitaten nicht nur eine tropische Fauna etablieren kann, sondern dass sich dort gleichzeitig auch das Gefüge von Krankheitserregern, wie beispielsweise Parasiten, verändert“, fasst Klimpel zusammen.
Zukünftig könnte der Gillbach auch als Modellsystem für die Veränderung von Faunengemeinschaften im Kontext des globalen Klimawandels dienen – dort kann „live“ beobachtet werden, wie sich höhere Temperaturen und invasive Arten auf die heimische Artenvielfalt auswirkt.
Kontakt
Prof. Dr. Sven Klimpel
Senckenberg Biodiversität und
Klima Forschungszentrum
Goethe-Universität Frankfurt
Tel. 069- 7542 1895
sven.klimpel@senckenberg.de
Judith Jördens
Pressestelle
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Tel. 069- 7542 1434
pressestelle@senckenberg.de
Publikation
Sebastian Emde, Judith Kochmann, Thomas Kuhn, Dorian D. Dörge, Martin Plath, Friedrich W. Miesen & Sven Klimpel (2015): Cooling water of power plant creates “hot spots” for tropical fishes and parasites. Parasitology Research January 2016, Volume 115, Issue 1, pp 85-98
DOI 10.1007/s00436-015-4724-4
Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten und nachhaltig nutzen zu können - dafür arbeitet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr fast 200 Jahren. Diese integrative „Geobiodiversitätsforschung“ sowie die Vermittlung von Forschung und Wissenschaft sind die Aufgaben Senckenbergs. Drei Naturmuseen in Frankfurt, Görlitz und Dresden zeigen die Vielfalt des Lebens und die Entwicklung der Erde über Jahrmillionen. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main wird von der Stadt Frankfurt am Main sowie vielen weiteren Partnern gefördert. Mehr Informationen unter www.senckenberg.de.
2016 ist Leibniz-Jahr. Anlässlich des 370. Geburtstags und des 300. Todestags des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (*1.7.1646 in Leipzig, † 14.11.1716 in Hannover) veranstaltet die Leibniz-Gemeinschaft ein großes Themenjahr. Unter dem Titel „die beste der möglichen Welten“ – einem Leibniz-Zitat – rückt sie die Vielfalt und die Aktualität der Themen in den Blick, denen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der bundesweit 88 Leibniz-Einrichtungen widmen. www.bestewelten.de
Fühlt sich im nordrhein-westfälischen Gillbach wohl: Der Zebrabuntbarsch Amatitlania nigrofasciata.
© Senckenberg
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Tropische parasitäre Fadenwürmer und ein einheimischer Kratzer im Magen eines Fisches.
© Senckenberg
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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