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Düsseldorf – Nicht bei jeder Mandelentzündung muss sofort operiert werden. Auch eine Antibiotikabehandlung ist häufig nicht notwendig. Mehrere Fachgesellschaften von Kinder- und HNO-Ärzten haben sich jüngst auf neue Therapie-Empfehlungen verständigt, die für Klarheit beim gezielten Antibiotikaeinsatz und Operationsempfehlungen sorgt. Die neue Leitlinie wird auf der 87. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO KHC) der breiteren Öffentlichkeit vorgestellt.
Jedes Kind erkrankt im Verlauf der ersten Lebensjahre mehrfach an Entzündungen von Rachen und Mandeln. Für den Körper ist es eine normale Abwehrreaktion, denn die Mandeln gehören zum menschlichen Immunsystem. Ein Krankheitswert liegt erst vor, wenn sich Schluckschmerzen und Allgemeinsymptome wie Fieber entwickeln. Die Mandelentzündung ist dann Anlass für einen Besuch beim Kinderarzt, der zusammen mit den Eltern entscheidet, ob ein Antibiotikum oder sogar ein Krankenhausaufenthalt notwendig ist. „Die Tonsillitis ist eine der häufigsten Anlässe für den Arztbesuch und Mandeloperationen gehören zu den 20 häufigsten Anlässen für Krankenhausbehandlungen in Deutschland“, erläutert Professor Dr. med. Jochen Windfuhr, Chefarzt am Krankenhaus Maria Hilf, Mönchengladbach. Er hat als Vertreter der DGHNO KHC die Leitlinie „Therapie entzündlicher Erkrankungen der Gaumenmandeln“ maßgeblich mitentwickelt. Beteiligt waren dabei der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte, die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie.
Ein erklärtes Ziel der Leitlinie ist es, die Diagnose und Behandlung der Tonsillitis zu vereinheitlichen. Zuletzt hatte die Bertelsmann Stiftung auf eine regional ungleiche Verteilung der Häufigkeit von Mandeloperationen aber auch Antibiotika-Verordnungen in einem anderen Bericht hingewiesen und dadurch eine breite Diskussion ausgelöst. „Die akute Tonsillitis wird zu 70 bis 95 Prozent der Fälle durch Viren ausgelöst“, berichtet Prof. Windfuhr: „Antibiotika sind dann wirkungslos, sie können nur bei Entzündungen durch Bakterien helfen“. Wann dies der Fall ist, kann der Arzt allein durch einen Blick in den Rachen nicht entscheiden, Die Leitlinie stellt zwei altersabhängige Punktesysteme vor. Diese bewerten neben der Schwellung der Mandeln auch Fieber, Husten und Lymphknotenschwellung mit Punkten. „Erst ab einem bestimmten Punktewert wird ein Antibiotikum empfohlen“, sagt Professor Windfuhr: „Zusätzliche Untersuchungen wie Rachenabstriche sind nur noch für seltene Einzelfälle vorgesehen.“
Nicht jede schwere Mandelentzündung macht eine Operation erforderlich. Die Entscheidungsgrundlage ist die Zahl von Halsschmerz-Episoden in den letzten 12 Monaten. Bei weniger als drei Episoden raten die Leitlinien von einer Operation ab. Bei drei bis fünf Episoden „kann“ die Tonsillektomie durchgeführt werden, bei sechs oder mehr Episoden ist sie „eine therapeutische Option“. „Bei mehrfach wiederkehrenden Mandelentzündungen hat sich die Mandelentfernung bewährt“, sagt Professor Windfuhr. Sie sei aber keine Notoperation. „Nur in besonders schweren Fällen sollte die Operation zügig erfolgen“, sagt der Experte. „Bei moderaten und milden Formen raten wir dazu, zunächst ein halbes Jahr abzuwarten. Nur wenn sich in dieser Wartezeit weitere Entzündungen trotz wiederholter Antibiotikumtherapie ereignen, ist die Mandelentfernung der bessere Weg“.
Bei besonders großen Mandeln müssen bei der Operation nicht die ganzen Mandeln entfernt werden. Eine Teilentfernung, Tonsillotomie genannt, ist eine neue Option, die in den Leitlinien erstmals empfohlen wird. „Sie hat sich in schwedischen Studien bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bewährt“, sagt Professor Windfuhr: „Die Tonsillotomie ist für die Patienten sehr viel weniger belastend. Anfängliche Bedenken, dass in den Mandelresten Entzündungskomplikationen programmiert sind, haben sich nicht bestätigt“.
Experten diskutieren auf der 87. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO KHC) in Düsseldorf in einer Sondersitzung die Bedeutung der Leitlinie bei chronischer Mandelentzündung. Die Leitlinie ist auch ein Thema der Pressekonferenz anlässlich der Tagung am 3. Mai.
Kontakt für Journalisten:
Pressestelle der Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde,
Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNO KHC)
Stephanie Priester
Postfach 30 11 20
70451 Stuttgart
Tel: 0711 8931-605
Fax: 0711 8931-167
E-Mail: priester@medizinkommunikation.org
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