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Wissenschaft
(Krefeld) Seit einigen Jahren zählt auch in Deutschland die Korrektur von Fehlstellungen des Kiefers zur operativen Routine. Dabei spielt die Ästhetik des gesamten Gesichtes eine Rolle: "Der Patient will nicht nur gut kauen, er will auch gut aussehen", sagt Professor Gerhard Paulus, niedergelassener Gesichtschirurg aus München auf der 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in Krefeld.
Menschen, deren Ober- und Unterkieferknochen unterschiedlich stark gewachsen sind, haben nicht nur Probleme beim Kauen und Sprechen. Auch der psychische Leidensdruck eines "Überbisses" ist enorm. Aufgrund neuer Operationstechniken ist die Korrektur des Profils inzwischen zu einem Routine-Eingriff geworden. "Entsprechend steigen die Fallzahlen", weiss der Münchener Gesichtschirurg Professor Gerhard Paulus.
Bis vor wenigen Jahren griffen die Chirurgen vor allem zum Skalpell, weil die Funktion des Kauens, Sprechens oder Schluckens eingeschränkt war. Diese Funktionalität ist nun nicht mehr der einzige Maßstab. Paulus: "Die Ästhetik des Gesichtes wird für die Patientinnen und Patienten immer wichtiger."
Der Eingriff hinterlässt keine Spuren.
Ist der Oberkiefer stärker gewachsen als der Unterkiefer, sprechen die Experten von einer "Prognathie des Oberkiefers". Der Oberkiefer steht deutlich vor, die oberen Zähne beißen über die unteren. Liegt der Fall umgekehrt, handelt es sich um eine "Prognathie des Unterkiefers". Menschen, die von solchen Fehlstellungen betroffen sind, gehen meistens zunächst zum Kieferorthopäden, weil sie Probleme beim Kauen haben. Doch massive Fehlstellungen des Kiefers sind mit einer Zahnspange nicht zu beheben. Der Orthopäde überweist darum zum MKG-Chirurgen, nachdem er die Zahnreihe begradigt hat.
Die Gesichtschirurgen operieren fast ausschließlich von der Mundhöhle aus. Der Eingriff hinterlässt daher keinerlei sichtbaren Narben. Die Ärzte legen den Kieferknochen frei, durchtrennen ihn und verlagern ihn nach vorne oder nach hinten. Wenn es die Gesichtsanatomie erfordert, bearbeiten sie auch beide Kiefer, um ein harmonisches Profil zu schaffen.
Damit er in der neuen Position einwächst, wird der Knochen durch Platten festgeschraubt. Dank dieser neuen Technik - im Fachjargon "Osthesynthese" genannt - können Patienten schon unmittelbar nach dem Eingriff den Mund wieder öffnen, sprechen und kauen.
Komplikationen sind selten.
Gleichwohl sind auch bei Routine-Operationen Komplikationen nicht auszuschließen. Dazu gehören vor allem Sensibilitätsstörungen nach dem Eingriff. Forschergruppen aus Krefeld und Hamburg prüften eineinhalb Jahre nach einer operativen Umstellung des Oberkiefers, bei 40 Patienten, ob diese an solchen Sensibilitätsstörungen litten. Sie fragten nach subjektiven Empfindungsstörungen und verglichen die Antworten mit den Ergebnissen neurologischer Tests an der Oberlippe, den Wangen und der Gaumenschleimhaut. Ergebnis: An der Gesichtshaut maßen die Forscher nur bei einem Patienten eine Sensibilitätsstörung. Bei jedem vierten Patienten wurden Sensibilitätsstörungen im Mund gemessen, aber nur jeder Zehnte bemerkte sie. Betroffen waren Fähigkeiten wie etwa die Unterscheidung spitz-stumpf, nicht aber die Berührungsempfindung. "Im Bereich der Gesichtshaut fanden wir nach 18 Monaten nahezu keine Sensibilitätsstörungen", resümiert Dr. Christoph Lenzen von der Klinik für MKG-Chirurgie in Krefeld die Ergebnisse, "wobei die normale Sensibilität der Gaumenschleimhaut später erreicht wird."
Eine Ärztegruppe von der Universitätsklinik Würzburg hat über 500 Patienten nach Umstellungs-Operationen am Unterkiefer nachuntersucht, bei denen der Eingriff mindestens vier Jahre zurück lag. Über Sensibilitätsstörungen berichteten 25 Prozent der Patienten, insbesondere dann, wenn das knöcherne Bett des Unterkiefernervs (dem unteren Ast des Trigeminus-Nervs) bei dem Eingriff geöffnet wurde. "In der Tat", bestätigt auch Professor Paulus, "ist das Risiko einer irreversiblen Sensibilitätsstörung bei Eingriffen am Unterkiefer höher als am Oberkiefer."
Zweiter Eingriff wird überflüssig.
Bislang verwendeten die Chirurgen Platten und Schrauben aus Titan, die sie meist wieder herausnahmen, wenn der Knochen verheilt war. Inzwischen sind Ostheosynthese-Systeme aus synthetischen Materialien verfügbar, die vom Körper selbst abgebaut werden. Dies erspart den Patienten einen weiteren Eingriff.
Zwei Fliegen mit einer Klappe.
Die modernen Operationsmethoden gestatten es den MKG-Chirurgen darüber hinaus, Kieferfehlstellungen und Schönheitsfehler der Nase bei einem einzigen Eingriff zu korrigieren. Sie verlagern zunächst den oder die Kieferknochen und bringen dann die Nase in die gewünschte Form. Der große Vorteil dieses Vorgehens: es erspart nicht nur dem Patienten eine zweite Operation, sondern der Chirurg kann beide Korrekturen aufeinander abstimmen.
Reimport einer alten Technik.
Eine Operationstechnik, die ein ungarischer Chirurg Ende der zwanziger Jahre entwickelte, hält im Bereich der Gesichtschirurgie nun wieder Einzug im "alten Europa" - als Reimport aus den USA. Bei der so genannten "offenen Nasentechnik" schneidet der Operateur den Nasensteg quer auf und klappt ihn hoch. Er hat so einen perfekten Überblick über den Knorpel und kann seinen Eingriff besser kontrollieren als bei der bisher üblichen Operationsmethode, bei der die Ärzte von der Innenseite der Nase aus operieren.
Rückfragen an:
Prof. Dr. Dr. Gerhard Walter Paulus
Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichts-Chirurgie/ Plastische Operationen
Arabellastraße 15, 81925 München
Tel.: 089-916 001, Fax: 089-919 312, E-mail: prof.paulus.muenchen@t-online.de
Pressestelle: Barbara Ritzert, ProScientia GmbH, Andechser Weg 17, 82343 Pöcking, Tel.: 08157-9397-0, Fax: 08157-9397-97, E-mail: Ritzert@proscientia.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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