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Wissenschaft
Die bakteriellen Bewohner des Menschen, das Mikrobiom, gehört zu den „heißen Themen“ der Forschung. Welche Auswirkungen Antibiotika auf die Darmflora haben und was man dagegen tun kann, beschreiben Experten auf dem Internationalen Kongress für Integrative Medizin und Gesundheit in Stuttgart.
Wir sind umgeben von einer Aura von Mikroben und wir werden von Abermilliarden dieser Winzlinge bewohnt. Die meisten sind gutartig, einige wichtig, und einige können schaden und krank machen. „Mikroorganismen sind ein essentieller Bestandteil unseres Körpers“, sagt Prof. Dr. Willem de Vos, Professor für Mikrobiologie an der Universität Wageningen und Professor für Human Microbiomics an der Universität von Helsinki. Und dieser essentielle Bestandteil – der bei jedem Menschen quasi personalisiert ist – wird seit einigen Jahren intensiv erforscht. Das belegen Tausende von wissenschaftlichen Studien, die in den letzten Jahren erschienen sind und oft für Überraschungen gesorgt haben. Vor allem die mikrobiellen Bewohner des menschlichen Darms stehen im Mittelpunkt.
Eine Fülle von Studien geben inzwischen Hinweise auf ihre unerwartet große Bedeutung für Gesundheit und Krankheit. Das Mikrobiom wird beeinflusst von der Ernährung und von Arzneimitteln, etwa Antibiotika. Und es beeinflusst seinerseits die körpereigene Immunabwehr, steht in enger Wechselwirkung mit dem Gehirn und wird mit vielen Erkrankungen in Zusammen-hang gebracht, etwa mit Übergewicht, Diabetes, Krebs und entzündlichen Darmerkrankungen.
Auf dem Kongress in Stuttgart berichtet Professor de Vos von einer Studie, die Anfang des Jahres für Aufsehen sorgte*: Diese belegt, dass eine Antibiotikatherapie im Kleinkind-Alter die Entwicklung der Darmflora stört. Willem de Vos und sein Team analysierten das Mikrobiom an Hand von Stuhlproben von insgesamt 142 finnischen Kindern im Alter von zwei bis sieben Jahren. Da in Finnland Antibiotika verordnungspflichtig sind, konnten die Forscher auch erfassen, ob und mit welchen Antibiotika die Kinder behandelt worden waren. Resultat: Vor allem sogenannte Makrolide veränderten auch langfristig die Zusammensetzung und den Stoffwechsel des Mikrobioms. Manche Bakterienarten wurden häufiger, andere seltener, vor allem konnten die Forscher auch Bakterien nachweisen, die gegen Makrolide resistent waren. Auch eine Beziehung zwischen Makrolideinsatz und Asthma sowie Übergewicht wurde sichtbar: Die Darmflora von Kindern mit Übergewicht und Asthma ist anders zusammengesetzt als jene gesunder Kinder. Das Team stellte ebenso fest, dass Penicilline einen weniger markanten Einfluss auf die Darmflora hatten als Makrolide.
Jetzt veröffentlichte das Team von Prof. de Vos eine randomisierte, doppelbilde und placebokontrollierte Studie**, die zeigt, dass eine Behandlung mit dem probiotischen Milchsäurebakterium Lactobacillus rhamnosus einige Veränderungen des Mikrobioms nach einer Penicillintherapie verhindern kann. An der Studie hatten 231 finnische Kinder im Alter von zwei bis sieben Jahren teilgenommen. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, ob die Behandlung die unerwünschten gastrointestinalen Nebenwirkungen einer Makrolidbehandlung lindern kann. Bei 88 Kindern untersuchten die Forscher zusätzlich noch die Zusammensetzung der Darmflora.
Die Behandlung mit den Milchsäurebakterien konnte die Nebenwirkungen der Makrolidtherapie auf Magen und Darm reduzieren. Die Behandlung konnte jedoch nicht die makrolidbedingten Veränderungen der Darmflora beeinflussen. Hatten die Kinder eine Penicillinbehandlung erhalten, konnten die Milchsäurebakterien zumindest einige Veränderungen der Darmflora verhindern. „Ebenso haben wir Hinweise, dass die Milchsäurebakterien in der Lage sind, bestimmte bakterielle Infektionen bis zu drei Jahre nach der Studie zu verhindern“, berichtet Prof. de Vos. Dies schlossen die Forscher aus dem reduzierten Antibiotika-Einsatz bei den Kindern.
Allerdings warnt Professor de Vos auch davor, generell aus Korrelationen auf Kausalitäten zu schließen. Es werden Dutzende von Erkrankungen inzwischen mit der Darmflora in Verbindung gebracht, was nicht immer zutreffen ist. De Vos: „Wenn es um Krankheit und Gesundheit geht, kommt eine Vielzahl von Einflüssen zusammen, die einen Prozess beeinflussen. Hier gilt es, vorsichtig zu sein.“
* Nat. Communications, 26. Januar 2016 (open)
**PLOS ONE, DOI:10.1371/journal.pone.0154012
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