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15.06.2016 10:00

Witten diskutiert Studiengebühren

Jan Vestweber Pressestelle
Universität Witten/Herdecke

    Das sozialverträgliche Finanzierungsmodell „Umgekehrter Generationenvertrag“ wird 21 Jahre alt

    „Als die Studiengebühren eingeführt wurden, war mein Büro von aufgebrachten Studierenden besetzt und die Uni-Leitung unter Polizei-Schutz“, schilderte Prof. Dr. Dieter Timmermann, ehemaliger Rektor der Uni Bielefeld und Gast der Diskussion am 11. Juni, seine Erinnerungen. Das Thema „Studiengebühren“ spaltete nicht nur bei der Einführung 2005 die Gesellschaft. Auch heute noch bilden sich zwei vehemente Lager: Bedingungslose Befürworter und klare Gegner.

    Vergangenen Samstag diskutierte die StudierendenGesellschaft Witten/Herdecke (SG) mit Gästen aus Wirtschaft, Politik und Presse einen Mittelweg: Studiengebühren über ein nachgelagertes Finanzierungsmodell sozialverträglich zu machen. Zu ihrem 21. Geburtstag lud die SG Kritiker und Befürworter der finanziellen Beteiligung von Studierenden in die Universität Witten/Herdecke (UW/H), die selbst seit 1995 Studienbeiträge erhebt. Neben Prof. Timmermann, aktuell Präsident der Deutschen Studentenwerke, diskutierten: Johanna Keller, Mitglied des Aufsichtsrates der GLS Treuhand sowie Vorstandsmitglied im European Forum for Freedom in Education, Dr. Stefan Kaufmann (CDU), langjähriger Verfechter von nachgelagerten Studiengebühren im Bundestag, Ulrich Müller vom Centrum für Hochschulentwicklung und Anna Lehmann, Journalistin der „taz“, die sich in ihrem Buch „Zur Elite bitte hier entlang“ gerade kritisch zum Elite-Denken und der mangelnden, sozialen Gerechtigkeit im Bildungswesen geäußert hat.

    Timmermann eröffnete die von UW/H-Alumnus Armin Steuernagel moderierte Runde am Samstagnachmittag: „Studiengebühren belasten die Studierenden und ihre unterhaltsverpflichteten Eltern. Sie drohen die soziale Selektivität im deutschen Hochschulsystem weiter zu zementieren, sie schrecken insbesondere potenzielle Studierende aus nichtakademischen Elternhäusern ab, und sie sind kein taugliches Mittel, um die bereits Jahrzehnte währende Unterfinanzierung des Hochschulsystems auch nur im Ansatz zu beseitigen.“ Politikwissenschaftler Ulrich Müller widersprach deutlich: „Eine einkommensabhängige Finanzierung belastet nur diejenigen finanziell, die nach dem Examen über entsprechende Mittel verfügen und bietet dabei allen die Sicherheit vor horrenden Krediten, wie beispielsweise in den USA.“ Müller betonte weiter die Vorteile für Studierende und die gewonnene Freiheit für die Hochschulen: „Eine überschaubare Beteiligung der Absolventen an den Kosten des Studiums, von dem sie profitieren, verbessert die Spielräume der Hochschulen – und kommt damit wieder den Studierenden zu Gute.“

    Einwände kamen von Anna Lehmann, Journalistin bei der „taz“. Sie kritisierte, dass nachgelagerte Studiengebühren nur scheinbar keine Barriere für den Hochschulzugang darstellen: „Praktisch erhöhen sie doch die schon bestehenden Hürden für alle diejenigen, die nicht auf finanzielle Sicherheit bauen können und dann auch noch während der Familiengründung Geld zurückzahlen müssen.“ Lehmann forderte daher: „Keine Sonderabgabe für Akademiker, die den Status quo stärkt, sondern ein steuerfinanziertes und chancengerechtes Bildungssystem für alle.“

    Mit der Erfahrung aus sieben Jahren Bundestag verdeutlichte Stefan Kaufmann, MdB (CDU), seinen Blick aus politischer Perspektive: „Gangbar ist nur ein Weg, der nicht an die Studiengebühren-Debatte von vor acht Jahren anknüpft. Akademikerbeiträge mit einer nachgelagerten Finanzierung und einer gedeckelten Rückzahlungssumme aus Beitrag und BAföG sind eine mögliche Lösung für die mangelhafte Ausstattung deutscher Hochschulen.“ Er betonte zudem, dass „die Studierenden mehr Mitbestimmungsrechte im Rahmen der Selbstverwaltung der Hochschulen bekommen sollten“, wenn Studiengebühren eingeführt werden.

    Dass diese Mitbestimmung und Verantwortung funktioniert, zeigt die StudierendenGesellschaft selbst: Sie verwaltet als studentischer Verein die Studienbeiträge an der Universität Witten/Herdecke, finanziert diese über das nachgelagerte Modell des „Umgekehrten Generationenvertrags“ sozialverträglich und überweist damit jährlich rund 9 Mio. Euro von den Studierenden an die Hochschule. Gleichzeitig ist die SG Miteigentümer der Universität und bietet damit ihren Studierenden direkte Mitsprache im höchsten Gremium der UW/H. Eine Freiheit und Mitbestimmung, die aus der sozialverträglichen, finanziellen Beteiligung der Studierenden an ihrer Hochschule erwächst.

    Im Rahmen der Feierlichkeit zum 21. Geburtstag der StudierendenGesellschaft ehrte der Verein auch den UW/H-Gründungspräsidenten, Dr. Konrad Schily, der sich als Kritiker und Wegbegleiter des „Umgekehrten Generationenvertrags“ für eine sozialverträgliche Finanzierung von Studienbeiträgen an einer nichtstaatlichen Universität verdient gemacht hat.

    Die StudierendenGesellschaft Witten/Herdecke e.V. steht seit 21 Jahren für einen freien Zugang zum Studium ohne soziale Selektion; eine freie Gestaltung des Studiums und eine freie Berufswahl. Von Studierenden für Studierende stellt der gemeinnützige, studentisch geführte Verein sicher, dass jeder und jede auch an einer nichtstaatlichen Universität studieren kann – unabhängig vom Portemonnaie der Eltern. Die Studierendenschaft trägt so rund ein Viertel des Haushalts ihrer Hochschule bei und entscheidet bei der Mittelverwendung als Miteigentümerin der Universität Witten/Herdecke.

    Über uns:
    Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1982 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 2.300 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsentwicklung.

    Witten wirkt. In Forschung, Lehre und Gesellschaft.


    Bilder

    v.l.: Prof. Dr. Dieter Timmermann, Anna Lehmann, Armin Steuernagel, Ulrich Müller, Johanna Keller, Dr. Stefan Kaufmann
    v.l.: Prof. Dr. Dieter Timmermann, Anna Lehmann, Armin Steuernagel, Ulrich Müller, Johanna Keller, D ...

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    Johanna Keller, Dr. Stefan Kaufmann
    Johanna Keller, Dr. Stefan Kaufmann

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Pädagogik / Bildung
    überregional
    Studium und Lehre, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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