idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
15.06.2016 10:39

RNA-Thermometer: Durchfallerreger misst Körpertemperatur des Menschen

Dr. Julia Weiler Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Mithilfe moderner Hochdurchsatz-Sequenzier-Methoden haben Forscher alle RNA-Strukturen eines Durchfallerregers auf einmal entschlüsselt. Dabei entdeckten sie eine ganze Reihe von temperaturempfindlichen Strukturen, sogenannte RNA-Thermometer. Bisher war die Suche nach ihnen ein langwieriges Unterfangen gewesen. Das untersuchte Bakterium Yersinia pseudotuberculosis erkennt seinen Wirt an der Körpertemperatur. Es waren deutlich mehr seiner Gene temperatursensitiv, als die Forscher erwartet hatten. Das Team der Ruhr-Universität Bochum, des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig und der Universität Leipzig berichtet in „Proceedings of the National Academy of Sciences USA“.

    Mithilfe moderner Hochdurchsatz-Sequenzier-Methoden haben Forscher alle RNA-Strukturen eines Durchfallerregers auf einmal entschlüsselt. Dabei entdeckten sie eine ganze Reihe von temperaturempfindlichen Strukturen, sogenannte RNA-Thermometer. „Bisher haben wir einzelne RNA-Thermometer immer nur nach langwieriger Suche gefunden und mühsam eines nach dem anderen untersucht“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Franz Narberhaus von der Ruhr-Universität Bochum.

    Die Ergebnisse berichten die Bochumer gemeinsam mit Kollegen des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig und der Universität Leipzig in der Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences USA“, kurz PNAS.

    Gefaltete RNA als Thermometer

    Seit einigen Jahren ist bekannt, dass bestimmte Darmbakterien, wie die hier untersuchte Yersinia pseudotuberculosis – ein naher Verwandter des Pest-Erregers –, ihren warmblütigen Wirt an der Körpertemperatur erkennen. Hierzu verwenden die Bakterien gefaltete RNA-Strukturen, die ab einer bestimmten Temperatur aufschmelzen und dabei vorher unzugängliche Gensequenzen freilegen. Diese können dann in Proteine übersetzt werden, welche den Krankheitsverlauf steuern.

    Neue Methode etabliert

    Um solche Zell-Thermometer aufzuspüren, setzte das Team eine Kombination aus biochemischer RNA-Strukturkartierung und Hochdurchsatz-Sequenzierung ein. Damit entschlüsselten die Wissenschaftler die über 1.750 in der Bakterienzelle enthaltenen RNA-Strukturen gleichzeitig. Sie führten das Experiment bei drei verschiedenen Temperaturen durch und erhielten jeweils einen Schnappschuss der RNA-Vielfalt.

    „So konnten wir die dynamischen Veränderungen der RNA-Strukturen bei einem Temperaturanstieg zum Beispiel von 25 auf 37 Grad Celsius beobachten“, erläutert Francesco Righetti, der für dieses Projekt verantwortliche Doktorand am Bochumer Lehrstuhl für Mikroorganismen.

    „Die von uns eingesetzte Technik ist aufwendig“, so der Braunschweiger Forscher Dr. Aaron Nuss. „Sie hat aber riesiges Potenzial für alle, die an der biologischen Funktion von RNA-Strukturen interessiert sind.“ Dabei spiele es keine Rolle, ob man mit Bakterien, Pflanzen, Tieren oder menschlichen Zellen arbeite. Die Methode sei universell einsetzbar.

    Viele temperaturabhängige Gene

    „Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine überraschend große Anzahl von Genen des Durchfallerregers Yersinia pseudotuberculosis direkt auf die Körpertemperatur des Wirtes reagiert“, sagt Franz Narberhaus. Die Forscher wählten 20 Gene für Folgeexperimente aus; davon waren 16 tatsächlich temperaturabhängig reguliert. Sie gehören verschiedenen funktionellen Gruppen an. Einige sind zum Beispiel an der Antwort des Bakteriums auf oxidativen Stress beteiligt.

    „Es ist sinnvoll, solche Prozesse direkt nach dem Befall des Wirtes anzustoßen, um sich gegen die Abwehrmechanismen im menschlichen Magen-Darmtrakt zu rüsten“, erklärt Prof. Dr. Petra Dersch, Infektionsbiologin aus Braunschweig.

    Ob die neu identifizierten RNA-Strukturen bei der Infektion eine entscheidende Rolle spielen, sollen derzeit laufende Untersuchungen zeigen. Darüber hinaus wollen die Wissenschaftler klären, ob es Wirkstoffe gibt, die das Aufschmelzen von RNA-Thermometern verhindern können. Diese könnten den Infektionsprozess hemmen.

    Originalveröffentlichung

    Francesco Righetti, Aaron M. Nuss, Christian Twittenhoff, Sascha Beele, Kristina Urban, Sebastian Will, Stephan H. Bernhart, Peter F. Stadler, Petra Dersch, Franz Narberhaus, Temperature-responsive in vitro RNA structurome of Yersinia pseudotuberculosis, in: PNAS, 2016, DOI: 10.1073/pnas.1523004113

    Pressekontakt

    Prof. Dr. Franz Narberhaus, Lehrstuhl Biologie der Mikroorganismen, Fakultät für Biologie und Biotechnologie, Ruhr-Universität Bochum, Tel.: 0234 32 23100, E-Mail: franz.narberhaus@rub.de


    Bilder

    Doktorand Francesco Righetti sucht nach den Thermometern von Bakterien.
    Doktorand Francesco Righetti sucht nach den Thermometern von Bakterien.
    Quelle: © RUB, Kramer


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).