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13.07.2016 10:19

Zur Zwischenevaluierung von Horizon 2020

Caroline Wichmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina

    Gemeinsame Stellungnahme der Allianz der Wissenschaftsorganisationen zur Zwischenevaluierung des gegenwärtigen EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation „Horizon 2020“

    Ausgangslage

    Die EU-Kommission bereitet derzeit die Zwischenevaluierung von Horizon 2020 vor. Die Allianz möchte sich frühzeitig in diesen Prozess einbringen.

    Horizon 2020 wurde 2014 lanciert, um folgende politische Ziele zu erreichen: die wissenschaftliche Exzellenz zu stärken, die großen gesellschaftlichen Herausforderungen Europas zu meis-tern sowie das wirtschaftliche Wachstum zu fördern.

    Die Ergebnisse der FP7 Ex-Post-Evaluierung zeigen, dass offenbar weniger die Erreichung inhaltlicher Ziele im Vordergrund stand als die quantitative Bemessung von Publikationen, Patenten und „Return on Investment“. Die Horizon 2020-Zwischenevaluierung sollte hingegen auf die Frage fokussieren, ob und wie das Programm zur Umsetzung der oben genannten Ziele beiträgt.

    Europäischer Forschungsraum (EFR)

    Erstes Ziel von Horizon 2020 ist die Stärkung der wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen durch die Schaffung eines EFR und die Umsetzung der entsprechenden strategischen Prioritäten. Deren Fortschritt wird seit fünf Jahren in einem für alle Akteure aufwendigen Prozess regelmäßig bewertet. Erst im Mai vergangenen Jahres haben die Mitgliedstaaten (MS) ihre gemeinsame EFR-Roadmap verabschiedet. Seitdem ist zu beobachten, dass der EFR und seine Prioritäten im forschungspolitischen Diskurs der EU-Kommission kaum mehr Erwähnung finden und im Kontext der Horizon 2020-Zwischenevaluierung bereits neue Strategien in Betracht gezogen werden. Die Roadmap der MS sowie der letzte EFR-Fortschrittsbericht (2014) zeigen deutlich, dass die Gestaltung des EFR ein offener und nicht abschließbarer Prozess ist und sowohl MS als auch die EU-Kommission weiterhin gefordert sind, die gesteckten Ziele zu verfolgen.

    Große Gesellschaftliche Herausforderungen

    Zweites Ziel ist die Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen Europas und der Welt. Diese wurden aus den politischen und sozioökonomischen Notwendigkeiten zur Unterstützung von EU-Politikbereichen wie Energie, Umwelt, Verkehr, etc. heraus definiert und haben zwei Jahre nach Beginn des Rahmenprogramms nichts von ihrer Dringlichkeit verloren. Die Umsetzung der Energie-Union ist ein Beispiel für die Wichtigkeit der EU-Strategiebasierten Verbundforschung, wie auch das Ziel, 35% der Horizon 2020-Mittel für Klimarelevante Forschung vorzusehen. Die gemeinsame Forschung an großen Herausforderungen, die auf nationaler Ebene nicht gelöst werden können, ist von hohem europäischem Mehrwert und muss das volle Potential der Forschungs- und Innovationsprozesse ausschöpfen.

    Darüber hinaus machen neue Herausforderungen für Europa, wie beispielsweise Migration und Flucht, deutlich, welchen Beitrag die Sozial- und Geisteswissenschaften (SGW) zur Problemlösung leisten können. Bisher werden die SGW in Horizon 2020 jedoch marginalisiert. Sie sollten einerseits integrativer und gleichwertiger Bestandteil aller gesellschaftlichen Herausforderungen sein („Embedding“). Zum anderen sind der Erhalt der EU und die Reflektion eines gemein-samen europäischen gesellschaftlichen und kulturellen Raumes eine für sich stehende Herausforderung, für die eine eigenständige, international anschlussfähige sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung in Europa unabdingbar ist.

    Wirtschaftswachstum

    Horizon 2020 ist ein Kernelement zur Umsetzung der Europa 2020 Strategie, die unter anderem die Leitinitiative Innovationsunion beinhaltet. Innovationsvorhaben in Horizon 2020 sollen Wirtschaftswachstum und Beschäftigung generieren sowie die Wettbewerbsfähigkeit der Union stärken. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise wurde das EU-Forschungsrahmenprogramm zunehmend als ein Programm formuliert, das Impulse für Wirtschaftswachstum liefern soll. Nachhaltige Innovationstreiber entstehen langfristig in optimalem Wechselspiel von erkenntnis- und anwendungsorientierter Forschung. Dafür ist eine Berücksichtigung des gesamten Forschungs- und Innovationsprozesses einschließlich einer über kurzfristige Wachstumsimpulse hinaus gehenden Betrachtung des Impact-Begriffs unabdingbar. Kooperationen zwischen Uni-versitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen sind wichtige Treiber für die Innovationsschübe in einer wissensbasierten Wirtschaft. Deshalb sollten die Schwerpunkte des Rahmenprogramms nicht zu separierend auf einzelne Teilnehmergruppen ausgerichtet werden. Dieser Grundsatz sollte auch für die Ausgestaltung des angekündigten European Innovation Council gelten.

    Förderprogramme und -instrumente

    Verbundforschung war ursprünglich das Hauptinstrument der europäischen Forschungsförderung. Sie ermöglicht die Vernetzung exzellenter Köpfe aus dem öffentlichen und privaten Sektor und fördert die Integration neuer Akteure aus forschungsschwächeren Regionen sowie aus dem außereuropäischen Ausland in europäische Netzwerke. Der europäische Mehrwert von Verbundforschung hat sich über alle EU-Rahmenprogramme immer wieder bestätigt, deshalb muss sie als deren integratives Element unbedingt auch in Zukunft das Hauptinstrument der EU-Forschungsförderung bleiben und finanziell ausgebaut werden.

    Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat sich seit dem 7. Rahmenprogramm weltweit als Marke der europäischen Exzellenzförderung etabliert. Um zu gewährleisten, dass dieses Förderprogramm über die gesamte Laufzeit von Horizon 2020 und darüber hinaus erfolgreich fortgeführt werden kann, muss das ERC-Budget mindestens erhalten werden.

    Zugang zu Forschungsinfrastrukturen über europäische Grenzen hinweg zu unterstützen, ist ein wichtiger Erfolg der EU-Rahmenprogramme, leidet aber an unterkritischer Förderung.

    Innovationspartnerschaften und Programminitiativen: Der Paradigmenwechsel, der sich im Laufe der letzten zehn Jahre in der EU-Forschungsförderpolitik vollzogen hat, führte unter anderem zur Schaffung vieler neuer Förderinstrumente und -konzepte (JTI, PPP, JPI, EIT, EIP etc.). Diese sollten die Fragmentierung des EFR reduzieren und Synergien mit den nationalen Fördersystemen erzeugen. Sie funktionieren größtenteils jedoch nach jeweils eigenen Förderregeln, was die Beteiligung erschwert. Ziel muss es sein, die Beteiligungsregeln von Horizon 2020 auf (möglichst) alle Förderinstrumente innerhalb des Programms mit Ausnahme des ERC anzuwenden. Dies sollte insbesondere für Joint Technology Initiatives (JTIs) gelten. Die industriedominierten Innovationspartnerschaften bieten Forschungsakteuren nur wenig bis keine Möglichkeit der inhaltlichen Mitgestaltung. Viele der Instrumente überschneiden sich zudem
    thematisch, was die ursprünglich angestrebte Effizienzsteigerung in Frage stellt. Sie sollten darum unbedingt einer kritischen Prüfung unterzogen werden.

    In Horizon 2020 findet Projektförderung zunehmend über Finanzinstrumente statt. Die Kreditfinanzierung von Forschungsvorhaben ist jedoch nur am absoluten Ende des Innovationspro-zesses sinnvoll. Sie ist darüber hinaus für öffentliche Forschungsorganisationen in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten rechtlich nicht zulässig. Ein Rahmenprogramm für Forschung und Innovation sollte deshalb auch weiterhin primär auf dem Zuwendungsprinzip basieren. Der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) stellt aus denselben Gründen für viele öffentliche Forschungseinrichtungen keine Alternative dar und sollte daher zukünftig keines-falls weiter durch Transfer aus Horizon 2020-Mitteln finanziert werden.

    Internationale Kooperation ist ein wichtiges Element zur Stärkung des Wettbewerbs und letztlich des EFR. Anders als noch in FP7 gibt es in Horizon 2020 keine spezifischen Förderlinien für die internationale Kooperation. Dies hat bereits zu einem Rückgang der Beteiligung internationaler Partner am Rahmenprogramm geführt. Wir begrüßen daher die neue Initiative „Open to the World“, die jedoch nicht nur für Wissenschaftsdiplomatie stehen darf, sondern aktiv internationale Kooperationen in Forschung und Innovation mit gezieltem strategischem Fokus unterstützen sollte. Die 5G-Initative zur Zusammenarbeit mit Japan könnte als Vorbild für solche strategischen Schwerpunkte und deren Umsetzung gelten.

    Fazit

    Um die politischen und strategischen Ziele von Horizon 2020 erreichen zu können, muss verhindert werden, dass die Kluft zwischen Forschung und Innovation sich weiter vergrößert. Die-ser Prozess kann nur durch angemessene Förderung des gesamten Wissenschafts- und Innovationsprozesses gestoppt werden. Verbundprojekte, die zielgerichtet sämtliche Etappen die-ses Prozesses abdecken, können hierbei eine herausragende Rolle spielen.

    Das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation ist aber nicht nur ein wichtiges strategi-sches und politisches Instrument – es ist vor allem auch gelebte europäische Kooperation und Verständigung in einer Zeit, in der die Europäische Union durch wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Krisen herausgefordert ist. Nicht zuletzt deshalb muss das Rahmenprogramm auch weiterhin dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit der europäischen Wissenschaftssysteme sicherzustellen.


    Weitere Informationen:

    http://www.leopoldina.org/de/ueber-uns/kooperationen/allianz-der-wissenschaftsor...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    fachunabhängig
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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