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Wissenschaft
Wissenschaftshistoriker der Universität Jena erinnert an Ernst Haeckels Erstlingswerk
Mit gerade einmal 32 Jahren veröffentlichte Ernst Haeckel sein bedeutendes Erstlingswerk „Generelle Morphologie der Organismen“ – und das vor genau 150 Jahren in Jena. Um dieses Jubiläum zu würdigen, veröffentlicht die Thüringer Zentrale für politische Bildung (Staatskanzlei) jetzt eine neue Broschüre, die die Bedeutung dieser zwei Bände herausstellt und an Haeckels Leistung erinnert. Schließlich hat ihr Inhalt für Biologen bis heute Gewicht. „In seiner ,Generellen Morphologie' greift Haeckel als einer der ersten die Evolutionstheorie Darwins auf und verhilft ihr somit zum Durchbruch“, berichtet der Autor des Heftes Prof. Dr. Uwe Hoßfeld, Biologiedidaktiker und Wissenschaftshistoriker an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Ökologie als Begriff eingeführt
„Haeckel wendet sie auf das Gesamtgebiet der Biologie an und schafft nach ihren Gesichtspunkten ein umfassendes Tier- und Pflanzenreich“, so Hoßfeld. Ganz nebenbei führt er dabei Begrifflichkeiten in die Wissenschaft ein, die noch heute Gültigkeit haben – allen voran die „Ökologie“, deren erste Definition in Haeckels Werk zu finden ist. Des Weiteren prägt er Begriffe wie „Ontogenie“, „Spezies“ und „Stamm“, die neben weiteren Beispielen in der Broschüre erklärt werden. „Sicherlich sind diese Termini in ihrer Bedeutung über die Zeit erweitert und spezifiziert worden, aber es ist Haeckels Verdienst, dass wir sie heute überhaupt gebrauchen können“, erklärt der Jenaer Wissenschaftshistoriker. „Damit legte Haeckel den Grundstein für Disziplinen wie die Evolutionäre Morphologie und die Evolutionäre Embryologie.“ Außerdem seien in seinem Werk wichtige neue Denkansätze für eine biologische Anthropologie und sogar der erste Stammbaum des Menschen enthalten.
Gemeinsam mit Kollegen wie Carl Gegenbaur und Matthias Jacob Schleiden machte Ernst Haeckel so Jena zur Hochburg des Darwinismus in Europa. „Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich Jena mit seiner Universität zum Mekka der Zoologie in Europa entwickelt“, sagt Hoßfeld. „Alles, was in diesem Bereich Rang und Namen hatte, kam hierher.“ Auch die Angehörigen der Universität zeigten großes Interesse an der neuen Lehre. „An Haeckels Vorlesungen über Darwin im Wintersemester 1867/68 nahmen 200 Studenten teil, was etwa einem Drittel der damals Immatrikulierten entsprach“, berichtet Hoßfeld.
82 Semester an der Universität Jena gelehrt
Überhaupt hatte der Naturforscher in Jena eine gute Basis für sein Wirken gefunden. Er war 1861 an die Saale gekommen und verließ die Stadt nur für ausgeprägte Reisen. Insgesamt lehrte er 82 Semester an der Universität Jena, der Großteil seiner über 700 Publikationen entstand hier, und von Thüringen aus korrespondierte er mit der ganzen Welt. Über 42.000 Briefe sind erhalten, die derzeit in einem Forschungsprojekt an der Friedrich-Schiller-Universität nach und nach digital veröffentlicht werden sollen.
„Man kann Haeckel ohne Übertreibung als einen Popstar des 19. Jahrhunderts bezeichnen“, fasst Uwe Hoßfeld zusammen. „Was sicher sowohl seiner Diskursfreudigkeit als auch seiner Eitelkeit zu verdanken ist.“ So sorgte Haeckel dafür, dass seine ohnehin sehr zugänglichen Werke in preisgünstigen Buchausgaben erschienen und somit von einem großen Publikum gelesen werden konnten. Zudem hat er in dem von ihm entwickelten Monismus und durch viele Illustrationen in seinen Büchern, etwa von Seeanemonen und Quallen, Spuren in Philosophie und Kunst hinterlassen.
Dass er heute doch nicht auf einer Stufe mit Darwin steht, liegt sicher zum einen an der Vormachtstellung des britischen Kollegen, mit dem er im Übrigen regen Briefkontakt pflegte. Zum anderen sägte Haeckel selbst an seinem Denkmal, da er sich im zunehmenden Alter mit sehr fragwürdigen Beiträgen immer häufiger zu politischen und gesellschaftlichen Themen, etwa während des Ersten Weltkriegs, zu Wort meldete. Äußerungen Haeckels zur Eugenik und Rassenlehre etwa nutzten nach seinem Tod 1919 u. a. später die Nationalsozialisten für ihre Zwecke. Der Bedeutung seines wissenschaftlichen Wirkens ist allerdings nach wie vor unbenommen – auch nach 150 Jahren.
Zu beziehen ist die Publikation „150 Jahre Haeckel’sche Biologie“ über: www.lzt.thueringen.de.
Kontakt:
Prof. Dr. Uwe Hoßfeld
Arbeitsgruppe Biologiedidaktik der Universität Jena
Am Steiger 3, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 949491
E-Mail: uwe.hossfeld[at]uni-jena.de
http://www.lzt.thueringen.de
http://www.uni-jena.de
Haeckel-Büste, die im Ernst-Haeckel-Haus der Universität Jena steht.
Foto: Jan-Peter Kasper/FSU
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Cover der neuen Publikation.
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Biologie, Geschichte / Archäologie
überregional
Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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