idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
29.08.2016 14:21

Das Geschäft mit dem Sterben

Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Wenn Sterbende kurz vor ihrem Tod noch Chemotherapie, Bestrahlung und Operationen über sich ergehen lassen müssen, vergrößert das ihr Leid und verhindert einen würdevollen Abschied. Weil die Vergütung im Gesundheitssystem diese Überbehandlung belohnt, sind immer mehr Schwerkranke betroffen. In seinem Buch „Patient ohne Verfügung“, das am 1. September im Piper-Verlag erscheint, gibt Dr. Matthias Thöns, Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Allgemeinmedizin der Ruhr-Universität (Prof. Dr. Herbert Rusche) Anregungen für Veränderungen.

    Jeder dritte Sterbenskranke erhält in den letzten Lebenswochen Chemotherapie, Apparatemedizin oder gar Wiederbelebung, jeder zweite Deutsche stirbt in der Klinik. Matthias Thöns berichtet aus seinem Alltag als ambulant tätiger Palliativmediziner. Er beschreibt selbst erlebte Schicksale und erläutert die Hintergründe laienverständlich.

    Vergütungssystem verschärft das Problem

    So wird das Problem der überflüssigen Apparatemedizin am Lebensende durch das 2004 eingeführte Vergütungssystem im deutschen Gesundheitswesen gespeist: Viele Eingriffe bei schlimmen Diagnosen werden von den Krankenkassen besonders hoch bezahlt, und die Ärzte an diesen Gewinnen durch „Bonusverträge“ beteiligt.
    Obwohl der Politik das Problem bekannt ist, fanden sich im Jahr 2015 solche Klauseln noch in 97 Prozent der Chefarztverträge an deutschen Kliniken. „Längst warnen auch Fachverbände, die Bundesärztekammer, der Deutsche Ethikrat und die Bertelsmann Stiftung vor der Problematik“, unterstreicht Matthias Thöns.

    Immense Kosten und großes Leid

    Neben dem zusätzlichen Leid der Sterbenskranken verursacht die Übertherapie auch immense Kosten: Bis zu 25 Prozent der Gesamtausgaben der Krankenkassen fließen hinein. Fast jeder zweite Euro ambulanter Pflegeleistungen wird für zumeist ungewollte „Apparatemedizin zuhause“ ausgegeben.

    Hausärzte haben es in der Hand

    Hausärzte besäßen eine Schlüsselposition, diese Missstände zu verändern, legt Thöns dar: So werden durch die hausarztzentrierte Versorgung weniger Patienten sinnlos in Kliniken eingewiesen und unnötige Eingriffe vermieden. „Hausärzte sollten sich als neutrale Zweitmeinungsberater engagieren“, sagt Matthias Thöns. „Zweitmeinung vermeidet Studien zufolge bis zu 60 Prozent der unnötigen Eingriffe.“

    Originalpublikation

    Matthias Thöns: Patient ohne Verfügung. Das Geschäft mit dem Lebensende. Piper, München 2016, 320 Seiten, ISBN 978-3-492-05776-0

    Pressekontakt

    Dr. Matthias Thöns
    Abteilung für Allgemeinmedizin
    Medizinische Fakultät
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel. 02302/57093
    E-Mail: thoens@mobileanaesthesie.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Medizin
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).