idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
12.09.2016 15:57

Proteinähnliche Strukturen aus der Ursuppe

Hochschulkommunikation Hochschulkommunikation
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

    ETH-Wissenschaftler zeigten in einem Experiment, dass proteinähnliche zweidimensionale Strukturen – Amyoloide – verblüffend leicht aus einfachen Bausteinen entstehen können. Diese Entdeckung bestärkt die Forscher in ihrer Annahme, dass Urformen des Lebens aus solchen Amyloiden entstanden sein könnten.

    Es muss vor 4 oder 4,5 Milliarden Jahren geschehen sein. Bloss unbelebte Materie gab es damals auf der Erde. Doch irgendwann zu dieser Zeit bildeten sich aus kleineren chemischen Verbindungen grössere organisierte Strukturen, die sich selbst vervielfältigen konnten. Die ersten Vorstufen des Lebens waren geboren. Was das für Moleküle waren und woraus diese bestanden, ist nicht bekannt, es ist das wohl grösste Rätsel der Evolutionsgeschichte.

    ETH-Professor Roland Riek und sein Oberassistent Jason Greenwald haben allerdings eine Vermutung: Gut möglich, dass es sich bei diesen ersten lebensähnlichen Strukturen um proteinähnliche Aggregate – um Amyloide – handelte. Neue Forschungsresultate aus ihrem Labor geben ihrer Hypothese nun Aufwind.

    In einem Experiment zeigten die Wissenschaftler, dass sich solche Amyloidstrukturen verblüffend einfach spontan bilden können – aus Bausteinen, die es auf der unbelebten Erde wohl gab, und unter Reaktionsbedingungen, die für die frühe Erde ebenfalls plausibel scheinen. Die Forscher benutzten als Ausgangsstoffe vier einfache Aminosäuren: Glycin, Alanin, Asparaginsäure und Valin. Ausserdem verwendeten sie als reaktionsbegünstigende Verbindung (Katalysator) Carbonylsulfid, ein vulkanisches Gas, von dem man ebenfalls annehmen kann, dass es vor Jahrmilliarden auf der Erde vorhanden war.

    Lange Blattstrukturen

    Im Laborexperiment verbanden sich die Aminosäure-Moleküle mit Hilfe von Carbonylsulfid spontan zu kurzen, 5 bis 14 Bausteine umfassende Ketten (Peptiden). Diese Ketten wiederum lagerten sich seitwärts nebeneinander an, in Amyloid-Strukturen, welche die Fachleute β-Faltblätter nennen. Im Experiment lagen diese Blattstrukturen in Faserform vor und bestanden oft aus Tausenden von aneinander liegenden Peptidketten, wie die Wissenschaftler unter anderem mit Elektronenmikroskopie zeigen konnten.

    Damit sich die Aminosäure-Moleküle zu ausreichend langen Peptidketten verbanden, mussten die Wissenschaftler im Experiment einen Trick anwenden. «Wenn man die Aminosäuren und das Carbonylsulfid einfach im Reagenzglas mischt, entstehen nur sehr kurze Peptidketten, die nicht zu einer Blattstruktur zusammenfinden», erklärt Greenwald. Die Wissenschaftler tröpfelten daher während Stunden Carbonylsulfid-aktivierte Aminosäure-Moleküle ins Reagenzglas. «Es ist vorstellbar, dass ein ähnlich langsamer – oder ein gar Jahre dauernder – Prozess mit einem ständigen Zufluss neuer chemischer Verbindungen auch in der frühen Erdgeschichte stattgefunden hat», sagt Greenwald.

    Katalytische Wirkung

    Amyloide wurden unter Wissenschaftlern schon in den vergangenen Jahren als Kandidaten für die ersten lebensähnlichen Strukturen gehandelt. Denn es ist bekannt, dass bereits einfach aufgebaute Amyloide bestimmte chemische Funktionen wahrnehmen können. So haben Riek und seine Mitarbeiter letztes Jahr Amyloidstrukturen entdeckt, welche chemische Verbindungen der Gruppe der Ester spalten können.

    Die ETH-Wissenschaftler geben allerdings zu bedenken, dass in der von ihnen postulierten «Amyloid-Hypothese» noch ein wesentliches Puzzlestück der Argumentationskette fehlt: Können sich Amyloide auch selbst vervielfältigen, so wie das RNA-Moleküle können? Dies sei denkbar, sagen Riek und Greenwald. Der experimentelle Nachweis steht allerdings noch aus. Sie und ihre Kollegen arbeiten daran.

    Amyloide wahrscheinlicher als ausschliesslich RNA

    Doch bereits jetzt bezeichnen die Forscher ihre Hypothese als sehr viel wahrscheinlicher als die seit mehreren Jahrzehnten von Wissenschaftlern geäusserte Vermutung, Vorstufen des Lebens hätten ausschliesslich aus RNA-Molekülen bestanden. Das Hauptargument der ETH-Wissenschaftler: RNA-Moleküle mit einer biologischen Funktion sind verhältnismässig gross und komplex. «Sie sind so gross, dass es unwahrscheinlich ist, dass sie spontan entstehen konnten. Bei Amyloiden sind chemische Funktionen bereits bei sehr viel einfacheren Strukturen gezeigt worden», so Greenwald. Ausserdem seien die Bausteine der RNA komplexer als jene der Amyloide und Proteine. Letztere seien ausserdem bei harschen Umweltbedingungen stabiler. «Dies alles macht es plausibel, dass die ersten funktionellen Moleküle Amyloide waren», sagt Riek.

    Literaturhinweise

    Greenwald J, Friedmann MP, Riek R: Amyloid Aggregates Arise form Amio Acid Condensations under Prebiotic Conditions, Angewandte Chemie 2016, 55: 1-6, doi: 10.1002/anie.201605321 [http://dx.doi.org/10.1002/anie.201605321]

    Friedmann MP, Torbeev V, Zelenay V, Sobol A, Greenwald J, Riek R: Towards Prebiotic Catalytic Amyloids Using High Throughput Screening, PLOS One 2015, 10: e0143948, doi: 10.1371/journal.pone.0143948 [http://dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0143948]


    Weitere Informationen:

    https://www.ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2016/09/proteinaeh...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Chemie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).