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24-Stunden-Betreuung durch migrantische Pflegekräfte und Pflegemigration in Billiglohnländer kennzeichnen Entwicklung in Langzeitpflege
Die Betreuung von alten und pflegebedürftigen Menschen ist in Deutschland ohne Unterstützung aus dem Ausland kaum noch zu leisten: Schätzungen zufolge arbeiten derzeit 100.000 bis 200.000 Pflegearbeiterinnen vor allem aus Osteuropa in deutschen Haushalten, um die Pflegenden bei der Versorgung ihrer Angehörigen zu unterstützen und zu entlasten. „Tatsächlich dürfte die Zahl aber wesentlich höher liegen, weil ein Großteil der osteuropäischen Pflegearbeiterinnen illegal tätig ist und nicht erfasst wird“, sagt Prof. Dr. Cornelia Schweppe von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zur aktuellen Lage. „Die Beschäftigung migrantischer Pflegekräfte in Privathaushalten ist ein Massenphänomen.“ Demgegenüber scheint die Verlagerung der Betreuung in ausländische und hier insbesondere osteuropäische und asiatische Pflegeeinrichtungen noch in den Kinderschuhen zu stecken.
„Wir sehen in der Forschung, dass sich Alter nicht mehr nur national fassen lässt“, erklärt Cornelia Schweppe, Professorin für Sozialpädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft der JGU, zu der zunehmenden Globalisierung der Altenpflege. Während in Ländern wie den Niederlanden Pflege viel mehr als staatliche Aufgabe verstanden wird, liegt die Altenpflege in Deutschland stärker in den Händen der Familie. Das ist nicht nur Wunsch der Betroffenen und Familienangehörigen, sondern auch Maßgabe der Altenpolitik. „Um aber die Betreuung im Privathaushalt überhaupt möglich zu machen, wird zunehmend auf Ressourcen anderer Länder zugegriffen“, so Schweppe. Im Falle von Deutschland heißt das, es kommen vor allem Pflegearbeiterinnen aus Osteuropa ins Land, die 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche die Betreuung übernehmen.
Ein anderes Phänomen findet unter dem Schlagwort „Oma-Export“ das Interesse der Öffentlichkeit: Medien berichteten rege über die Pflegemigration in benachbarte osteuropäische Länder und nach Asien. Dort entfaltet sich ein Markt mit Alteneinrichtungen, der sich speziell an deutschsprachige Menschen richtet. Den Untersuchungen der Mainzer Arbeitsgruppe zufolge stößt diese Form der Altenversorgung tatsächlich hierzulande noch auf eine begrenzte Nachfrage. „Von einem Boom kann in Deutschland bisher keine Rede sein“, so Schweppe mit einem Hinweis darauf, dass die zukünftige Entwicklung schwer abzusehen ist. Beispielsweise verzeichnet Japan, das Land mit der höchsten Altenrate weltweit, Wanderbewegungen von betreuungs- und pflegebedürftigen Menschen nach Malaysia, auf die Philippinen oder nach Thailand.
Während „Pflege“ also in Deutschland noch immer vorwiegend „Pflege in der Familie“ heißt, beobachten die Wissenschaftler zunehmend Migrationsprozesse von Älteren, die in Asien nicht nur klassische Pflegeversorgungsleistungen in Anspruch nehmen, sondern eng mit dem Prostitutionsmilieu verbunden sind. „Wir betrachten in unseren Forschungen die Migrationsprozesse von älteren Menschen und es ist auffallend, wie viele ältere Männer aus Deutschland und der Schweiz nach Thailand ziehen.“ Der Weg ins Prostitutionsmilieu ist dabei keineswegs auf die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen begrenzt. „Angesichts der mangelnden Möglichkeiten im Alter eine Partnerin in Deutschland zu finden, ist das Prostitutionsmilieu für viele mit der Hoffnung auf eine längerfristige Beziehung zu einer Frau verbunden – zuweilen einhergehend mit der Hoffnung, sich von jungen thailändischen Frauen versorgen zu lassen“, so Cornelia Schweppe. Solche „Altersbedarfe“, so die wissenschaftliche Bezeichnung, finden sich ebenfalls bei älteren Frauen, die zu diesem Zweck nach Kenia reisen.
Mit transnationaler Altenpflege in all ihren Facetten befasst sich am Donnerstag, 6. Oktober und Freitag, 7. Oktober 2016 ein internationales Symposium an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Das „3rd International Symposium on Transnational Aging“ bringt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern in Mainz zusammen, um über die grenzüberschreitende Langzeitpflege für alte Menschen zu diskutieren. Dabei werden die sozialen Auswirkungen der zunehmenden Transnationalisierung auch im Zusammenhang mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien betrachtet. Ein weiterer Aspekt befasst sich mit der Frage, wie die Forschung bei Menschen mit Demenz die tatsächlichen Bedürfnisse ermitteln kann.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Cornelia Schweppe
AG Sozialpädagogik
Institut für Erziehungswissenschaft
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-20727
Fax +49 6131 39-26165
E-Mail: c.schweppe@uni-mainz.de
http://www.sozialpaedagogik.fb02.uni-mainz.de/140.php
Weitere Links:
http://www.sozialpaedagogik.fb02.uni-mainz.de/index.php
http://www.sozialpaedagogik.fb02.uni-mainz.de/Dateien/Flyer%20Symposium%20Oct%20... (Programm der Tagung)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Medizin, Politik
überregional
Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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