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Wissenschaft
Wissenschaftshistoriker der Universität Jena starten Forschungsprojekt zur Digitalisierung von Schulwandkarten
Wer sich an den Geographieunterricht zurückerinnert, dem erscheinen vor dem geistigen Auge große Landkarten. Deutschland, Europa, die ganze Welt: Sie alle zierten das Klassenzimmer und hatten dabei die Aufgabe, zur topographischen Wissenserweiterung beizutragen. Nicht selten überholten sich die darauf abgebildeten Darstellungen noch im Laufe der Schulzeit, denn allein in Mitteleuropa verschoben sich Ländergrenzen im 20. Jahrhundert durch die zwei Weltkriege und die deutsche Teilung drastisch – vom Rest der Welt gar nicht zu reden.
Ausdruck eines Weltbildes
Dies führt unweigerlich zu einer enormen Anzahl von Schulwandkarten, die heute zwar längst veraltet, aber historisch von großem Wert sind. „Seit etwa 1850 erlebten Schulwandkarten einen regelrechten Hype“, erklärt Dr. Andreas Christoph von der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU). „Nicht nur unter geographischen Gesichtspunkten kamen sie zum Einsatz, sondern auch um ökonomische oder gesellschaftliche Zusammenhänge zu illustrieren. Sie drückten das jeweilige Weltbild ihrer Zeit aus und prägten es mit“, führt der Wissenschaftshistoriker vom Ernst-Haeckel-Haus der Uni Jena aus.
Weil dies einen unglaublichen Fundus an Erkenntnissen bereitstellt, der momentan eingerollt in den Archiven verstaubt, haben Dr. Andreas Christoph und der Wissenschaftshistoriker Norman Henniges in Kooperation mit dem Deutschen Buch- und Schriftmuseum (DBSM) der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) das Projekt CANVAS konzipiert, um die Schulwandkarte in Zeiten von Google Maps aus ihrem Schattendasein zu befreien. Das Bundesforschungsministerium (BMBF) fördert das Projekt mit 80.000 Euro, womit u. a. für neun Monate eine Wissenschaftlerstelle an der FSU finanziert werden kann.
Das BMBF unterstützt derzeit ausgesuchte Projekte, die unter dem Stichwort „eHeritage“ firmieren und sich der Digitalisierung von Kulturgut verschreiben. Genau das planen Christoph und Henniges gemeinsam mit Dr. Stephanie Jacobs, der Leiterin des DBSM in Leipzig, indem sie nun rund 4.000 Schulwandkarten der DNB digitalisieren und erforschen wollen. Für das DBSM gehört das Projekt in eine Reihe von wissenschaftlichen Kooperationsprojekten, in denen das Museum ausgewählte Sammlungen in Forschungsfragestellungen einspeist: „Erst die systematische wissenschaftliche Bearbeitung historischer Bestände verleiht den Sammlungen von Gedächtniseinrichtungen Sichtbarkeit und gesellschaftliche Relevanz“, so Jacobs.
Standards für Digitalisierung schaffen
Die beiden Jenaer Wissenschaftshistoriker widmen sich zunächst vor allem der exemplarischen Digitalisierung und der Erstellung eines Konzepts. Eine Prozesskette soll definiert werden, die später idealerweise in die Förderung von Phase zwei – die flächendeckende Digitalisierung – mündet. „Neben der Klärung etlicher Fragen, z. B. zu Autoren- und Verlagsrechten, gilt es für uns und unsere zahlreichen Projektpartner, Standards für die weitere wissenschaftliche Arbeit mit Schulwandkarten festzulegen“, berichtet Norman Henniges. Rein aus technischer Sicht ist beispielsweise das Einscannen der zum Teil bis zu drei mal drei Meter großen Karten nicht möglich. „Deswegen werden sie mit Profikameras abfotografiert – mit einer Auflösung von 100 Megapixeln. Dadurch gehen auch kleinste Details nicht verloren“, erzählt der Jenaer Kartenexperte.
Vorrangig geht es in den kommenden Monaten um Schulwandkarten aus der Zeit zwischen 1913 und 1950, denn seit 1913 sammelt die DNB alle deutschen und deutschsprachigen Publikationen in Wort, Bild und Ton. Die Wandkarten werden in Leipzig fotografiert und zukünftig für das DNB-eigene Portal verfügbar gemacht. „Das Ziel ist natürlich die Nutzbarmachung für alle Wissenschaftler, langfristig über Open Access auch für alle Interessierten“, sagt Projektleiter Dr. Christoph. Gelingt dieses Vorhaben, so fristen Schulwandkarten ihr Dasein nicht länger im Schatten und kehren zurück ins Licht – auf die Monitore und Displays des 21. Jahrhunderts.
Kontakt:
Dr. Andreas Christoph
Institut für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik der Universität Jena –
Ernst-Haeckel-Haus
Berggasse 7, 07745 Jena
Tel.: 03641 / 949514
E-Mail: andreas.christoph[at]uni-jena.de
Im Rahmen des Forschungsprojekts CANVAS zur Digitalisierung von Schulwandkarten sichtet Norman Henni ...
Foto: Andreas Christoph/FSU
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Geowissenschaften, Geschichte / Archäologie
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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