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Als eine von wenigen weltweit beschäftigt sich eine neue Forschungsgruppe am Wiener Gregor Mendel Institut unter der Leitung von Yasin Dagdas mit Autophagie bei Pflanzen. Dieses Recyclingsystem hat viel mit Fasten zu tun. Die Forschungsergebnisse könnten jährlich Milliarden an Ernteschäden verhindern – Ernteschäden, die mit den Hungersnöten in Irland schon die Geschichte wesentlich geprägt haben.
Autophagie ist ein Teil des Recyclingprozesses der Pflanze. „Teile der Pflanzenzellen werden alt. Bei der Autophagie werden die alten, teilweise gefährlichen Teile quasi in die Post gesteckt und ins Recyclingzentrum der Zelle geschickt. Dadurch bleibt die Zelle voll funktionsfähig“, erklärt Yasin Dagdas, neuer Forschungsgruppenleiter am Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Das Gleiche passiert beim Fasten: Autophagie wurde vom Nobelpreisträger des Jahres 2016, Yoshinori Ohsumi, als Reaktion auf Hunger entdeckt. Er beobachtete ein Transportsystem in hungernden Zellen, welches Zellteile in ein Recyclingzentrum führt, in dem sie in Energie bzw. benötigte neue Zellteile umgewandelt werden. Die ganze Zelle wird durch dieses System verjüngt.
Eine Reihe von Forschungen hat gezeigt, dass kurze Fastenperioden den Stoffwechsel aktivieren, wodurch Muskel- und Gehirnzellen erneuert werden – was wiederum vor Alzheimer und anderen mit dem Altern verbundenen Krankheiten schützt. Studien an Mäusen haben gezeigt, dass sie länger leben und bessere Leistungen erbringen, wenn man sie ein wenig hungern lässt. Ihr Gedächtnis ist besser, die Muskeln leisten mehr. Fasten gibt dem System einen Impuls.
„Wir versuchen nun zu ergründen, wie dieses System bei Pflanzen funktioniert. Denn für Pflanzen ist diese Erneuerung noch viel wichtiger als für Tiere oder Menschen: Ist einem Tier kalt oder wird es bedroht, kann es weggehen – Pflanzen können das nicht. Sie müssen am selben Platz bei -10 und + 30 Grad leben. Wir Menschen ertragen mit 37 bis 39 Grad eine Schwankung der Körpertemperatur von zwei Grad, Pflanzen ertragen bis zu 50 Grad Unterschied“, so Dagdas.
Dazu kommen Wind, Trockenheit und die konstante Bedrohung durch Krankheitserreger. Diese können aus der Luft oder auch über die Wurzeln kommen. Autophagie ist für Pflanzen ein Fluchtweg, alle diese Bedingungen zu überleben.
Anpassung in Minutenschnelle
„Stellen Sie sich vor: Sie sind mit Schnee bedeckt und plötzlich kommt die Sonne heraus. Sie haben wenig Zeit, sich an diese Veränderung anzupassen, indem Sie zum Beispiel Ihre Kleidung wechseln. Dank der Autophagie passiert diese Anpassung innerhalb von 15 bis 20 Minuten – die Zelle zieht sich quasi in Minutenschnelle um. Und schneit es wieder, dann macht sie diese Anpassung rückgängig. Autophagie holt mit seinem ausgeklügelten Transportsystem die passenden Kleider rasch aus dem Schrank. Dieses System funktioniert sehr kontrolliert und wir versuchen diese Funktionsweise zu entschlüsseln“, erklärt Dagdas.
Wie Dagdas in seinen Forschungsarbeiten zeigte, wirkt Autophagie auch gegen Krankheitserreger. Diese Erkenntnis hat auch große Bedeutung für den Menschen: Das Pathogen Kartoffelmehltau hat Mitte des 19. Jahrhunderts in Irland mehrere Missernten verursacht. Eine Million Menschen verhungerten, zwei Millionen mussten auswandern, überwiegend in die USA.
Noch heute, über 150 Jahre danach, ist dieses Pathogen eine große Bedrohung für die Landwirtschaft: Jährlich verursacht es weltweit sechs Milliarden US-Dollar Ernteausfälle. Dagdas hat gezeigt, dass eine Erhöhung des Autophagie-Niveaus Pflanzen resistenter gegen dieses Pathogen macht.
„Eine verbesserte Anpassung durch Autophagie, an der wir forschen, könnte schlussendlich auf Getreidearten übertragen werden und diese resistenter gegen Krankheitserreger oder Dürre machen“, sagt Dagdas.
Dr. Yasin Dagdas
ist seit Anfang 2017 Forschungsgruppenleiter am Gregor Mendel Institut. Er studierte Molukularbiologie und Genetik an der Middle East University in der Türkei sowie Biological Sciences an der University of Exeter. Zuletzt war er Postdoctoral Fellow im Labor von Dr. Sophien Kamoun am Sainsbury Laboratory. Hier eine Liste seiner Publikationen.
Über das Gregor Mendel Institut
Das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Jahr 2000 gegründet, um Spitzenforschung in der molekularen Pflanzenbiologie zu fördern. Das GMI gehört zu den weltweit wichtigsten Pflanzenforschungseinrichtungen. Mit mehr als 100 MitarbeiterInnen aus 25 Ländern erforscht das GMI primär die Grundlagen der Pflanzenbiologie, vor allem molekulargenetische Aspekte wie epigenetische Mechanismen, Populationsgenetik, Chromosomenbiologie, Stressresistenz und Entwicklungsbiologie. Das GMI befindet sich in einem modernen Laborgebäude der Österreichischen Akademie der Wissenschaften auf dem Campus des Vienna Biocenter, auf dem mehrere Forschungsinstitute sowie Biotechnologie-Firmen angesiedelt sind.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie
gmi.oeaw.ac.at
James Matthew Watson
james.watson@gmi.oeaw.ac.at
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+43-660-444 00 47
Dr. Yasin Dagdas
GMI/Oliver Zehner
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
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