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Leipzig – Ein Hirn-Scan im Vorschulalter kann mit einer Trefferquote von 75 Prozent zeigen, ob ein Kind am Ende der ersten Klasse an einer Lese-Rechtschreibschwäche leidet. Das haben Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften herausgefunden. Die Autoren empfehlen, diese Ergebnisse zur Früherkennung einer Legasthenie bei Kindern im Vorschulalter zu nutzen. Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) zeichnet diese Arbeit am 28. April 2017 mit dem Alois-Kornmüller-Preis aus.
Rund jedes 20. Kind hat eine Lese-Rechtschreibschwäche: Das entspricht etwa einem Kind pro Schulklasse. Trotz normaler Intelligenz fällt es Kindern mit einer sogenannten Legasthenie deutlich schwerer als ihren Klassenkameraden, Wörter richtig zu lesen und zu schreiben. „Zwar spielen Umweltfaktoren wie der Bildungsstatus der Eltern eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Lese- und Schreibfähigkeiten eines Kindes“, erklärt Dr. Michael Skeide, diesjähriger Preisträger der DGKN. „Mehrere Studien haben aber gezeigt, dass die Ursache für Legasthenie auch in den Genen liegt.“ Bei 141 Kindern untersuchten Skeide und sein Team mithilfe eines MRT-Scans die Ausprägung dieser Gene in bestimmten Hirnregionen, die beim Lesen- und Schreiben lernen eine wichtige Rolle spielen. Dafür machten sie MRT-Aufnahmen von Kindern in der Altersgruppe Klasse 4 bis 8 sowie Kindergarten bis Klasse 1. Sie entdeckten dabei, dass Kinder mit einer bestimmten Variante des Gens NRSN1 – ein Gen, dass für die Entwicklung der Nervenzellen wichtig ist – strukturelle Unterschiede in einer Hirnregion aufweisen, die Experten als Visual Word Form Area bezeichnen. Sie ist für das Erkennen von Buchstaben und Wörtern zuständig. Schon im Kindergarten, bevor Kinder das Lesen überhaupt lernen, heben sich hier Kindern mit und ohne spätere Legasthenie voneinander ab.
„Je früher eine Legasthenie erkannt wird und die betroffenen Kinder eine entsprechende Förderung erhalten, desto größer ist die Chance, dass die Ausprägung der Störung deutlich abgeschwächt werden kann“, sagt Skeide, der am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften forscht. Screening-Verfahren kämen jedoch meist erst am Ende der zweiten Klasse zum Einsatz, wenn die Schwächen beim Lesen und Schreiben bereits offensichtlich sind. Für die Kinder bedeutet das Frust: Ihr Selbstbewusstsein und die Motivation, zu lernen, leiden. „Im Vorschulalter ist das Gehirn noch sehr plastisch“, sagt Skeide. „Hier können wir mit der richtigen Förderung entscheidende Weichen stellen.“
Die DGKN vergibt den Alois-Kornmüller-Preis alle drei Jahre für eine herausragende Arbeit auf dem Gebiet der experimentellen oder klinischen Neurophysiologie an einen jungen Wissenschaftler. Dr. Skeide wird am 28. April 2017 im Rahmen der 61. Jahrestagung der DGKN in Leipzig geehrt.
Quelle:
Michael A. Skeide et al., NRSN1 associated grey matter volume of the visual word form area reveals dyslexia before school, Brain(2016) 139(10): 2792-2803.
doi: 10.1093/brain/aww153
Kontakt für Journalisten:
Lisa Ströhlein
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